RSS Newsfeed der Reporter ohne Grenzen für Informationsfreiheit https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rss.xml de-de https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/templates/assets/img/logo-rog.png RSS Newsfeed der Reporter ohne Grenzen für Informationsfreiheit https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rss.xml Digitalministerkonferenz: Forderungen von F5 Das zivilgesellschaftliche Bündnis F5, bestehend aus den Organisationen AlgorithmWatch, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., Open Knowledge Foundation Deutschland, Reporter ohne Grenzen und Wikimedia Deutschland, begrüßt die Ziele der ersten Digitalministerkonferenz und stellt seine Forderungen für einen echten Perspektivwechsel in der Digitalpolitik vor. F5 betont die Notwendigkeit einer gemeinwohlorientierten digitalen Transformation, die nachhaltig gestaltet und gleichzeitig eng an gesellschaftliche Ziele geknüpft werden muss, um unsere demokratische Gesellschaft in ihrem Fundament zu stärken und zukunftsfähig zu machen. 

Mit der Gründung der ersten Digitalministerkonferenz (DMK) am 19. April 2024 in Potsdam setzen sich die 16 Bundesländer das gemeinsame Ziel, die digitale Transformation zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Wie aus der Selbsterklärung der DMK hervorgeht, soll bei digitalpolitischen Fragen wie der Datennutzung, Cybersicherheit oder digitalen Teilhabe künftig enger zusammengearbeitet werden.

Gemeinwohlorientierte Digitalpolitik unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft

Die Vision eines offenen, freien, verlässlichen und sicheren Internets kann nur durch eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft Wirklichkeit werden. F5 appelliert an die Verantwortlichen der DMK, folgende Forderungen politisch umzusetzen:

  • eine demokratische, offene, inklusive und transparente Digitalpolitik
  • Transparenz bei Algorithmen in Behörden
  • die Bekämpfung algorithmischer Diskriminierung
  • die Modernisierung der öffentlichen IT-Architektur
  • die Förderung offener Bildungsmaterialien
  • die Förderung gemeinwohlorientierter KI-Systeme
  • den Grundrechtsschutz in der Sicherheitsgesetzgebung
  • die effektive Regulierung digitaler Plattformen
  • eine Reform der Anerkennung und Förderung des digitalen Ehrenamts

Bei allen Entscheidungen in der Digitalpolitik müssen drei Grundsätze wegweisend sein: die Stärkung der Menschenrechte im digitalen Raum, das Überwinden der Kleinstaaterei und Fragmentierung sowie die Mitwirkung der Zivilgesellschaft als gemeinwohlorientierte Interessenvertretung. Die Zukunft der digitalen Gesellschaft hängt von mutigen und weitsichtigen Entscheidungen ab. Die erste DMK hat das Potential, ein starkes Signal für eine innovative, demokratische und zukunftsweisende Digitalpolitik zu setzen.

„Die Digitalministerkonferenz verfolgt den Anspruch, zu einer Konferenz in der Digitalpolitik zu werden, die sich an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ländern und Bund ist sehr zu begrüßen, um beispielsweise der Fragmentierung bei Sicherheitsgesetzen und dem Datenschutz in den Ländern ein Ende zu setzen“, sagt Katja Gloger, Vorstandssprecherin von Reporter ohne Grenzen. „Die Entscheidungen der Verantwortlichen müssen sich dabei klar an den Grundrechten und am Gemeinwohl orientieren. Bei Sicherheitsgesetzen gilt es, die vertrauliche Kommunikation von Medienschaffenden besonders zu schützen, um journalistische Quellen nicht zu gefährden.“

Über das Bündnis F5

Die F5-Organisationen, Reporter ohne Grenzen, AlgorithmWatch, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland, bilden einen breiten Querschnitt der (digitalen) Zivilgesellschaft und bündeln ihre inhaltliche Expertise. Maßgabe einer demokratischen, inklusiven und transparenten Digitalpolitik muss es sein, Gemeinwohl ins Zentrum zu stellen. Das kann nur gelingen, wenn mehr Stimmen gehört und beteiligt werden. Das Ziel des Bündnisses ist die Zukunftsfähigkeit einer demokratischen digitalen Gesellschaft. 

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 21 von 180 Ländern.

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Pressemitteilungen Internet Thu, 18 Apr 2024 10:00:00 +0200
Vertrauen Sie der freien Presse! In diesem Jahr wählt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, nimmt an Regional- oder Kommunalwahlen teil. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen im Kampf für Pressefreiheit weltweit. Vor diesem Hintergrund startet RSF eine neue öffentlichkeitswirksame Kampagne. „Erste Worte“ stellt die Bedeutung unabhängiger Medien für den Erhalt der Demokratien in den Fokus. Die Kampagne betrachtet die Versprechen in den jeweiligen Antrittsreden der Präsidenten Putin (Russland), Erdogan (Türkei) und Maduro (Venezuela) und vergleicht sie mit der heutigen Situation in diesen drei Ländern.

„Zu ihrem Amtsantritt versprechen Politikerinnen und Politiker viel: Meinungs- und Pressefreiheit, die Achtung der Menschenrechte, politische Teilhabe der Bevölkerung. Aber wir sehen, dass es oft bei schönen Worten bleibt. In vielen Ländern der Welt wird die Pressefreiheit ausgehöhlt, werden Menschenrechte mit Füßen getreten“, sagt Sylvie Ahrens-Urbanek, Teamleitung Kommunikation bei RSF. „Der freien Presse kommt eine zentrale Rolle zu: Sie deckt auf, kontrolliert, sorgt für Transparenz und informiert die Bevölkerung.“

Im Zentrum der Kampagne stehen drei Videos, die Auszüge aus der jeweils ersten Rede der Präsidenten Putin (2000), Maduro (2013) und Erdogan (2014) in Beziehung zur heutigen politischen Situation in Russland, Venezuela und der Türkei setzen: Was hat sich die Bevölkerung zum Zeitpunkt der Antrittsrede erhofft, wie ist es heute um die Presse- und andere Freiheiten in diesen Ländern bestellt? Die Videos zeigen: Der Verlust persönlicher Freiheiten kommt schleichend. Deshalb braucht es unabhängige Journalistinnen und Journalisten, die politische Prozesse kritisch begleiten und über sie berichten.

In Russland hat der Angriffskrieg Moskaus auf die gesamte Ukraine unabhängige Berichterstattende fast ausnahmslos ins Exil gezwungen. In der Türkei steht die einst pluralistische Medienlandschaft inzwischen nahezu vollständig unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. Und in Venezuela sorgen restriktive Gesetze dafür, dass jede Form der kritischen Berichterstattung geahndet werden kann.

Die Kampagne wurde von der internationalen Agentur Innocean konzipiert und in Zusammenarbeit mit Stink Films Berlin umgesetzt. „Reporter ohne Grenzen Deutschland wird in diesem Jahr 30 Jahre alt, gleichzeitig befinden wir uns in einem Superwahljahr. Deshalb wollen wir alle Menschen daran erinnern, dass eine freie Presse die Voraussetzung ist für Demokratien mit informierten Wählerinnen und Wählern“, sagt Gabriel Mattar, CCO von Innocean Berlin. „Denn der Verlust der Freiheit ist anfangs nicht immer offensichtlich.“

Gedreht wurde in Georgien und Brasilien, da dies in der Türkei, Russland und Venezuela aufgrund der jeweiligen autokratischen Systeme heute sehr schwierig gewesen wäre. „Für uns als Filmemacher ist es toll, Projekte zu betreuen, die sich für die Demokratie und die Unantastbarkeit einer freien Presse einsetzen. Wir sehen, dass das Erzählen von Geschichten die Gesellschaft und den Schutz unserer Freiheiten beeinflusst“, sagt Moritz Merkel, Executive Producer bei Stink Films Berlin. „Es geht nicht nur darum, Filme zu machen. Es geht darum, Stimmen zu verstärken, die herausfordern, inspirieren und Veränderungen anstoßen. Sie erinnern uns daran, dass die Presse auf der Suche nach der Wahrheit eine starke Kraft für die Demokratie ist“, ergänzt Florian Hülbig, Head of Stink Rising Berlin.

Die Kampagne wird von Plakaten flankiert, die ebenfalls erste Worte aus den Präsidentenreden visualisieren. Plakate und Videos enden mit dem kraftvollen Aufruf „Vertrauen Sie der freien Presse. Nicht schönen Worten“ und sollen ein Plädoyer für Presse- und Informationsfreiheit im Superwahljahr sein.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit rangiert Venezuela auf Platz 159 von 180 Staaten, Russland auf Rang 164 und die Türkei auf Platz 165. 

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Pressemitteilungen Thu, 18 Apr 2024 8:30:00 +0200
Radio Dreyeckland: Prozessauftakt gegen Redakteur Dürfen Redakteurinnen und Redakteure in ihrer Berichterstattung auf die Internetauftritte verbotener Vereinigungen verlinken? Welche Rolle spielt die Pressefreiheit, wenn journalistische Arbeit auf strafrechtliche Verfahren trifft? Um diese Kernfragen dreht sich der Prozess gegen einen Redakteur von Radio Dreyeckland (RDL), der am Donnerstagmorgen, 18. April, am Landgericht Karlsruhe beginnt. Der RDL-Journalist schrieb einen Artikel über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen das Portal linksunten.indymedia und verlinkte in diesem Zusammenhang deren archivierte Website. linksunten.indymedia war zuvor als Vereinigung verboten worden. Grundsätzlich ist die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung strafbar. Reporter ohne Grenzen (RSF) betont aber, dass die Verlinkung eines solchen Archivs im Rahmen der Berichterstattung von der Pressefreiheit geschützt ist. 

„Wenn Berichterstattung wie im Fall von Radio Dreyeckland kriminalisiert wird, ist das nicht nur absurd, sondern gefährlich für die Pressefreiheit und damit kontraproduktiv für eine lebendige Demokratie”, sagte Nicola Bier, Referentin für Recht bei RSF. „Dass die Justiz in Baden-Württemberg das Setzen einer relevanten Verlinkung im Rahmen journalistischer Berichterstattung  als strafbare Unterstützung der verlinkten Inhalte wertet, ist schwer nachvollziehbar. Eine deutliche Anerkennung dieses Eingriffs in die Pressefreiheit in der nun anstehenden Hauptverhandlung käme zwar spät im Verfahren, ist aber umso nötiger. Nur so kann das Gericht verhindern, dass das Vorgehen gegen den freien Radiosender zu einer großen Verunsicherung bei Redakteurinnen und Redakteuren in ganz Deutschland führt.”

Zum Hintergrund des Verfahrens

Bereits 2017 wurde das Internetportal linksunten.indymedia verboten. Hierfür argumentierte das Bundesinnenministerium, dass das Portal von einem linksradikalen Verein betrieben werde – somit konnte das umstrittene Medium als Verein nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Anfang 2023 wurden dann die Redaktionsräume des freien Senders Radio Dreyeckland in Freiburg sowie die Wohnungen zweier Journalisten durchsucht. Sie hatten in einem Artikel auf das statische Archiv von linksunten.indymedia verlinkt, das zu diesem Zeitpunkt einfach per Internetsuche auffindbar war. 

Statisch bedeutet in diesem Fall, dass die Interaktionsfunktion der ehemaligen Open-posting-Plattform zu diesem Zeitpunkt bereits eingefroren war. Es war also nicht mehr möglich, sich über die Seite zu verbotenen Aktivitäten zu verabreden oder weitere möglicherweise strafbare Inhalte zu verbreiten. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe sah darin eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung und nahm Ermittlungen gegen die Berichterstattenden auf. Der Artikel mit der Verlinkung, die Anlass für die Durchsuchung war, wurde nie von der zuständigen Landesmedienbehörde beanstandet und findet sich weiter auf der Seite des Senders

Im Mai 2023 beschloss das Landgericht Karlsruhe, die zwischenzeitlich gegen RDL-Redakteur Fabian Kienert erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zuzulassen. Ein zentrales Argument des Gerichts war die Pressefreiheit, die die Verlinkung des Archivs im Rahmen der Berichterstattung schütze. Doch die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein – mit Erfolg: Im Juni 2023 ließ das Oberlandesgericht die Anklage zu. Der Artikel mit der Verlinkung sei nicht von der Pressefreiheit gedeckt, da die verbotene Vereinigung noch existiere und der Artikel des Radiosenders als „Propaganda“ interpretiert werden könne. Im Falle einer Verurteilung drohen Fabian Kienert bis zu drei Jahre Gefängnis. Insgesamt sind neun Prozesstage angesetzt, drei davon als Reservetermine.

Im Prozess wird es insbesondere um die Frage gehen, ob das Archiv von linksunten.indymedia wirklich die Fortsetzung der verbotenen Vereinigung darstellt und so die Verlinkung des Archivs eine Unterstützung der Vereinigung darstellt. RSF betont, dass ein wesentlicher Gegenstand der Verhandlung die Bedeutung und Reichweite der Pressefreiheit sein muss, die journalistische Arbeit grundsätzlich schützt. Nur vor diesem Hintergrund kann beurteilt werden, ob sich der angeklagte Journalist durch die Verlinkung tatsächlich strafbar gemacht haben kann.

Bedeutung für die Pressefreiheit

RSF ist überzeugt: Wo Inhalte dargestellt werden, um umfassend zu berichten und die Diskussion über eine mögliche Strafbarkeit zu ermöglichen, kann die Verlinkung selbst nicht ohne Weiteres strafbar sein. Strafverfahren, vor allem im politischen Kontext, erzeugen oft großes gesellschaftliches Interesse. Journalistische Berichterstattung über solche Verfahren soll die Meinungsbildung und Diskussionen über solche Verfahren ermöglichen und so die Arbeit einer rechtsstaatlichen Justiz legitimieren. 

Das Verfahren gegen Fabian Kienert beeinträchtigt nicht nur den Angeklagten selbst, sondern hat eine einschüchternde Wirkung auf alle, die über strafrechtliche Themen berichten möchten. Wo Berichterstattung aus Angst vor strafrechtlichen Ermittlungen unterbleibt, ist die Informationsfreiheit aller beeinträchtigt. Das Vorgehen gegen Mitglieder von Radio Dreyeckland ist hier kein Einzelfall: Auch die Telekommunikationsüberwachung des Pressetelefons der Letzten Generation wurde ohne ausreichende Berücksichtigung der Pressefreiheit angeordnet. Nun fordern betroffene Berichterstattende die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Überwachung ein, unterstützt von RSF und der Gesellschaft für Freiheitsrechte. 

Dass die Verfassungsmäßigkeit dieser strafrechtlichen Maßnahmen überhaupt angezweifelt und diskutiert wird, ist in beiden Fällen nur aufgrund von Öffentlichkeitsarbeit, juristischem Beistand und umfassender Unterstützung der Betroffenen aus der Zivilgesellschaft möglich. In einem Rechtsstaat muss die Justiz jedoch von sich aus den Grundrechten eine ausreichende Bedeutung beimessen und entsprechend handeln. RSF steht für die Perspektive ein, dass bei Eingriffen in die Pressefreiheit stets nicht nur die Medienschaffenden selbst, sondern die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit betroffen ist. Denn die Informationsfreiheit aller verhält sich spiegelbildlich zur Pressefreiheit der Medienschaffenden.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 21 von 180 Ländern. Am 3. Mai 2024, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, veröffentlicht RSF die aktualisierten Ranglistenplätze.

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Pressemitteilungen Wed, 17 Apr 2024 13:30:00 +0200
RSF-Bericht: Repression über Grenzen hinweg Vor nicht einmal drei Wochen wurde ein iranischer Journalist in London auf offener Straße niedergestochen. Reporter ohne Grenzen (RSF) hat am Mittwoch, 17. April 2024, einen Bericht über die zunehmende grenzüberschreitende Repression gegenüber iranischen Medienschaffenden im Vereinigten Königreich veröffentlicht. Dort lebt und arbeitet ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten, die den Iran angesichts der vielfältigen Einschränkungen der Pressefreiheit verlassen haben. Hinter vielen Fällen von transnationaler Repression stecken die iranische Regierung oder ihr zugehörige Stellen selbst. RSF fordert Teheran auf, alle derartigen Angriffe auf die Presse einzustellen. Die britische Regierung wie auch die Regierungen anderer Länder, in denen iranische Medienschaffende arbeiten, müssen sicherstellen, dass diese innerhalb der Landesgrenzen frei und ohne Angst arbeiten können. Auch in Deutschland wurden iranische und iranischstämmige Journalisten und Reporter bereits Opfer transnationaler Repression.

„Dieser Bericht sollte ein Weckruf für die britischen Behörden und für die Demokratien weltweit sein", sagte Fiona O'Brien, Leiterin des RSF-Büros in London. „Dass die im Exil lebenden iranischen Journalistinnen und Journalisten trotz solcher Bedrohungen weiter berichten, zeigt ihren Mut. Um sie noch besser zu schützen, müssen die jeweiligen Regierungen, Strafverfolgungsbehörden, Social-Media-Plattformen und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber noch stärker zusammenarbeiten.“

Seit Jahrzehnten geht die brutale Unterdrückung des unabhängigen Journalismus im Iran selbst mit der systematischen Verfolgung von Medienschaffenden einher, die aus dem Ausland über den Iran berichten. Neben dem Vereinigten Königreich gibt es Berichte über Einschüchterungen und Angriffe, online wie offline, aus den USA, Frankreich, Deutschland oder Schweden.

London ist die Heimat großer persischsprachiger Sender und auch wegen der großen Zahl iranischer Medienschaffender ein häufiges Ziel solcher Angriffe. Für den vorliegenden Bericht hat RSF mit Dutzenden iranischen Exiljournalistinnen und -journalisten, die im Vereinigten Königreich arbeiten, gesprochen. Er stützt sich auf eine qualitative Umfrage unter Mitarbeitenden verschiedener Nachrichtenmedien, darunter BBC News Persian, Iran International und Manoto, sowie auf mehr als 20 Interviews mit Journalistinnen und Arbeitgebern. Besonders Iran International stand in der Vergangenheit im Visier Teherans.

Der Bericht zeigt, dass das Ausmaß der grenzüberschreitenden Bedrohung beispiellos ist, vor allem im Online-Bereich stark zugenommen hat und mit enormen beruflichen und persönlichen Kosten verbunden ist. Weibliche Medienschaffende sind besonders betroffen. Der Bericht zeigt auch, dass die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Unterdrückung iranischer Medien im Vereinigten Königreich von der Regierung, den Strafverfolgungsbehörden oder den sozialen Medienplattformen nicht angemessen berücksichtigt werden.

Bedrohungen auch in Deutschland

Im Januar machte der in Deutschland lebende iranische Journalist Farhad Payar einen Fall transnationaler Repression öffentlich. Payar ist Redaktionsleiter des Iran Journal und langjähriger früherer Mitarbeiter der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. Die Behörden im Iran hatten seine Nichte Ghazaleh Zarea unter anderem wegen der angeblichen Zusammenarbeit mit „antirevolutionären Ausländern“ – gemeint war ihr Onkel Farhad Payar – zu drei Jahren Haft verurteilt. RSF hatte dieses Vorgehen damals aufs Schärfste verurteilt. Mittlerweile ist die Haft- in eine Geldstrafe umgewandelt worden.

Eine Reihe iranischer Journalistinnen und Journalisten in Deutschland hatten gegenüber RSF bestätigt, dass Bedrohungen und Attacken gerade nach dem Beginn der „Frau-Leben-Freiheit“-Proteste stark zugenommen haben, besonders im digitalen Bereich.

Im Iran selbst sitzen derzeit 20 Medienschaffende in Haft. Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi wurden zwar am 14. Januar 2024 gegen hohe Kaution aus der Haft entlassen, allerdings direkt erneut angeklagt. Die beiden Journalistinnen hatten als erste über das Schicksal der kurdischen Studentin Jina Mahsa Amini berichtet, die am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam ums Leben kam.

In den iranischen Gefängnissen kommt es immer wieder zu Folter und schweren sexuellen Misshandlungen auch gegenüber Medienschaffenden. Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde 2023 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und wird weiterhin schikaniert, weil sie sich auch aus dem Gefängnis heraus für ihre inhaftierten Kolleginnen eingesetzt hat.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran auf Platz 177 von 180. Die neue Rangliste 2024 erscheint zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai 2024.

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Pressemitteilungen Wed, 17 Apr 2024 11:10:00 +0200
RSF kritisiert Verfahrenseinstellung nach Attacke Mehr als zehn Männer griffen im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu insgesamt sechs Medienschaffende, eine Begleitschützerin und einen Begleitschützer an. Gegen vier der Angreifer wurde Anklage erhoben. Das Verfahren gegen einen von ihnen wurde nun vor dem Amtsgericht Dresden wegen versuchter Körperverletzung und Nötigung gegen eine Geldauflage eingestellt. Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisiert diese Einstellung des Verfahrens sowie den fehlenden Einsatz der Ermittlungsbehörden und des Gerichts für den Schutz der Pressefreiheit. Zudem wirft der Umgang der Behörden mit den Betroffenen viele Fragen auf.

„Täter-Opfer-Umkehr, mangelnder Zeugenschutz und der Unwille der Behörden, den pressefeindlichen Hintergrund zu erkennen: Die betroffenen Reporter und weitere Prozessbeobachtende schildern uns ein Verfahren, das absolut kein Bild konsequenter Strafverfolgung dieser Übergriffe auf Berichterstattende zeigt. Ausgerechnet in einem Bundesland, in dem sich Journalistinnen und Journalisten zum Teil nur mit Begleitschutz zu Versammlungen begeben können, versagen die Strafverfolgung und die Gerichte dabei, Angriffe auf die Pressefreiheit als solche anzuerkennen“, sagte Martin Kaul, RSF-Vorstandssprecher.

Hintergründe der Attacke

Am 13. Februar 2022, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens, liefen um die 200 Menschen bei einem „Laubegaster Sonntagsspaziergang” mit, einer nicht angemeldeten Versammlung ohne Polizeibegleitung, die im verschwörungsideologischen Kontext der Pandemie-Situation verortet wird. Nach Berichten der Sächsischen Zeitung waren auch Akteure wie Marcus Fuchs von der „Initiative Querdenken Dresden” und Max Schreiber, Pirnaer Kreisvorsitzender der rechtsextremen „Freien Sachsen“, unter den Teilnehmenden.

Während der Berichterstattung von der Veranstaltung mussten sechs Fotoreporter ihre Arbeit abbrechen, da sie wütend beschimpft, bedroht und weggejagt wurden: Einige der Angreifer, von denen mehrere nach Aussage der lokalen Reporter bekannte und langjährig aktive Neonazis sind, verfolgten die Fotojournalisten fast einen Kilometer durch den Stadtteil Laubegast. Mit dabei waren eine ehrenamtliche Begleitschützerin und ein Begleitschützer von Between The Lines, einer Initiative aus Sachsen, die freiwillige Begleitung an Reporterinnen und Reporter vermittelt. Diese begleiten die Medienschaffenden zu Versammlungen in Sachsen und versuchen sie zu schützen und zu deeskalieren. Immer häufiger müssen sie auch angezeigte Gewalttaten bezeugen. 

Am 13. Februar 2022 in Dresden kam es nach Aussage der Betroffenen zu Beleidigungen, Drohungen, Tritten und einem Schlag mit einem Fahrradschloss auf den Begleitschützer, der als Nebenkläger im Prozess auftritt. Es ging unter anderem eine Begleitschützerin zu Boden, woraufhin vier der Angreifer auf die am Boden liegende Frau zu rannten. Sie konnten nur durch Pfeffersprayeinsatz des anderen Begleitschützers daran gehindert werden, zuzutreten. Die meisten Angreifer brachen ihre Beteiligung erst ab, nachdem sie durch das Abwehrspray angriffsunfähig waren. Die Betroffenen zeigten die Attacken an.

Das umstrittene Verfahren

Obwohl die Reporter die Polizei vor dem politischen „Spaziergang” über ihre geplante Berichterstattung informiert und auch währenddessen immer wieder alarmiert hatten, traf die Polizei erst nach dem Vorfall ein, verdächtigte sie dann jedoch selbst, Straftaten begangen zu haben, und erstellte auf offener Straße Fotografien der betroffenen Reporter. Später ließ ein Polizist aktenkundig machen, dass hier eine „Art Gegenprotest, in welchem auch Pressevertreter anwesend waren", zur Eskalation geführt habe. Die Staatsanwaltschaft ermittelte anschließend sowohl gegen die Angreifer als auch wegen gefährlicher Körperverletzung gegen zwei Begleitschützende und einen Journalisten und stellte das Verfahren erst ein Jahr später, im Februar 2023, ein.

Im Verfahren gegen die Angreifer erhob die Staatsanwaltschaft Dresden schließlich gegen vier der mehr als zehn Tatbeteiligten Anklage. Darunter ist die regionale Führungsperson der rechtsextremen Partei „Freie Sachsen“, Max Schreiber. Was die Betroffenen besorgt: In beiden Akten tauchen immer wieder persönliche Daten der Opfer auf – trotz beantragter und auch angeordneter Zeugenschutzmaßnahmen.

Über zwei Jahre nach dem Angriff begann nun am Freitag, 12. April, der Prozess gegen zwei der vier angeklagten Angreifer. Den 45 und 47 Jahre alten Angeklagten wird Nötigung und versuchte Körperverletzung vorgeworfen. Zwei weitere werden sich später im Jahr für diesen Angriff und wegen weiterer Vorwürfe in einem getrennten Verfahren vor Gericht verantworten müssen.

Einstellung des Verfahrens, ohne Betroffenen zu hören 

Einer der beiden, der den Begleitschützer mehrmals getreten hatte, gab vor Gericht an, nur in die Situation geraten zu sein, weil er deeskalieren wollte. Er behauptete vor der Richterin auch, zum ersten Mal auf so einer Versammlung gewesen zu sein. Nach Berichten der Sächsischen Zeitung war er jedoch bereits spätestens im Oktober 2021 als Redner auf einer Querdenker-Bühne vor dem Kulturpalast aufgetreten. Dennoch wurde das Verfahren gegen den nicht vorbestraften Mann gegen eine Geldauflage von 1.000 Euro an Reporter ohne Grenzen eingestellt. Die Entscheidung wurde unter anderem vom Anwalt der Nebenklage kritisiert, da sein Mandant, der verletzte Begleitschützer von Between The Lines, gar nicht vom Gericht gehört worden sei.

Auch der zweite Angeklagte, dessen Prozess am 29.04. fortgeführt wird, beharrt auf seiner Unschuld. Mehrere Fotojournalisten und die Begleitschützerin können den Schlag mit einem Fahrradschloss auf den Begleitschützer jedoch bezeugen. RSF fordert das Amtsgericht Dresden auf, in diesem noch anhängigen und dem weiteren anstehenden Verfahren die Gefährdung für und die Auswirkungen auf die Pressefreiheit angemessen zu berücksichtigen. Taten wie die hier angeklagten müssen als Angriffe auf das Recht auf Information gesehen werden. 

Ein Urteil oder Freispruch hat nicht nur Folgen für die Betroffenen, sondern auch eine Signalwirkung über den Einzelfall hinaus. RSF setzt sich dafür ein, dass die Rechtsanwendung die Pressefreiheit stärkt und journalistische Arbeit schützt, anstatt von Berichterstattung abzuschrecken. Medienschaffende müssen sich darauf verlassen können, dass Angriffe gegen sie von der Strafverfolgung ernst genommen werden.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 21 von 180 Ländern.

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Pressemitteilungen Tue, 16 Apr 2024 12:00:00 +0200
Reform würde Journalismus kriminalisieren Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor: Verurteilte Reporterinnen und Reporter könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die italienische Regierung auf, der Empfehlung des Europarats zur Bekämpfung von Einschüchterungsklagen nachzukommen und ein Gesetz ohne Haftstrafen oder die unverhältnismäßige Sanktion der erzwungenen Aussetzung journalistischer Arbeit zu verabschieden.

„Jeder Mensch hat das Recht, sich gegen Verleumdung und üble Nachrede mit juristischen Mitteln zur Wehr zu setzen. Wir sehen in diesem Reformvorhaben jedoch einen Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken. Denn dieses würde in seiner jetzigen Form ein mehrmonatiges Berufsverbot für Journalistinnen und Journalisten ermöglichen, die wegen angeblicher Falschberichterstattung verurteilt worden sind. RSF beobachtet die Entwicklungen in Italien mit Sorge“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

Hintergründe zur Reform

Der im Januar 2023 von Senator Alberto Balboni, einem Mitglied der postfaschistischen Fratelli d’Italia – der größten Partei in der Regierungskoalition unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni – vorgeschlagene Gesetzentwurf würde die Forderungen eines Urteils des italienischen Verfassungsgerichtes aus dem Jahr 2021 umsetzen, das Artikel 13 des Pressegesetzes von 1948 als verfassungswidrig eingestuft hatte. In Italien ist Verleumdung nicht nur ein zivil-, sondern auch ein strafrechtlicher Tatbestand, der im Fall einer Verurteilung bis zu sechs Jahre Haft vorsieht. Doch gemäß eines am 11. April 2024 bekannt gewordenen Änderungsantrages von Senator Gianni Berrino (Fratelli d'Italia) könnten weiterhin Haftstrafen von bis zu vier Jahren in das neue Gesetz eingeschrieben werden.

Allerdings würde Balbonis Reformvorschlag, der von den Regierungsparteien unterstützt wird, im Falle einer Verurteilung wegen Verleumdung eine weitere Sanktion einführen: Das Verbot, als Journalistin oder Journalist zu arbeiten – für bis zu sechs Monate. Italien würde damit gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen.

Da es sich bei journalistischen Tätigkeiten um die berufliche Ausübung eines Grundrechts, nämlich der Meinungsfreiheit, handelt, kann sie nicht a priori verboten werden. Eine solche Strafe würde gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und gegen die Bestimmungen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights) verstoßen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird auch die Höhe der Geldstrafe für Verleumdung von etwa 1.000 Euro auf 5.000 bis 10.000 Euro deutlich erhöht. Der Bußbetrag kann auf 50.000 Euro erhöht werden, wenn davon ausgegangen wird, dass es sich um eine wissentliche Veröffentlichung falscher oder diffamierender Inhalte handelt.

Einhaltung des europäischen Rechts

Am 5. April nahm das Ministerkomitee des Europarats eine Empfehlung zur Bekämpfung von SLAPPs (Strategic Lawsuits against Public Participation) an, in der die Mitgliedstaaten, darunter auch Italien, aufgefordert werden, „umfassende und wirksame Strategien zur Bekämpfung von SLAPPs“ zu entwickeln. Darin werden unter anderem zehn Indikatoren zur Identifizierung sogenannter Knebelklagen genannt, darunter die „Unverhältnismäßigkeit, Übertreibung oder Unangemessenheit“ der geforderten Rechtsmittel.

Unter anderem werden die Mitgliedstaaten in der Empfehlung aufgefordert, rechtliche Bestimmungen einzuführen, die es ermöglichen, SLAPPs schnell abzuweisen und die Opfer von SLAPPs zu unterstützen. Diese Empfehlung steht im Einklang mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2021. Einige Bestimmungen daraus sind nun im Rahmen der von der EU im Dezember letzten Jahres verabschiedeten Anti-SLAPP-Richtlinie rechtsverbindlich.

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Pressemitteilungen Tue, 16 Apr 2024 9:00:00 +0200
Bundesregierung muss Verantwortung annehmen Zensur in Mali: Die oberste Kommunikationsbehörde des westafrikanischen Landes hat die Berichterstattung über Parteien und politische Aktivitäten von Verbänden verboten. Seit den Staatsstreichen von 2020 und 2021 regiert eine Militärjunta das Land. Für Journalistinnen und Journalisten ist die Sahelzone eine der tödlichsten Regionen der Welt. Die am 7. November vergangenen Jahres von einer bewaffneten Gruppe entführten Journalisten, der Direktor des Community Radios Coton aus Ansongo, Saleck Ag Jiddou, sowie ein Moderator von Coton, Moustapha Koné, werden nach wie vor vermisst. Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßt Signale der Bundesregierung, Medienschaffende in Mali zu unterstützen und, etwa zukünftig im Rahmen der neuen Hannah-Arendt-Initiative, zu schützen.

„In Mali und der gesamten Sahelzone ist journalistische Arbeit angesichts von Militärregierungen und Terror oft sehr gefährlich“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Die Bundeswehr unterhielt während ihres Einsatzes in Mali Verbindungen zu Journalistinnen und Journalisten vor Ort. Es steht zu befürchten, dass sie gefährdet sind. Die Bundesregierung sollte ihre Verantwortung für Medienschaffende in Mali annehmen, etwa indem sie bei Bedarf Unterstützung anbietet. Jetzt braucht es mehr als nur Signale.“

Im Dezember 2023 endete die UN-Friedensmission MINUSMA in Mali, zugleich verließen die letzten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr das Land. Die Bundesregierung antwortete Ende Februar dieses Jahres auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Situation der Medienfreiheit und von Journalistinnen und Journalisten in Mali. Zu einer Verantwortung Deutschlands gegenüber Medienschaffenden, die mit der Bundeswehr während ihres Einsatzes in Mali zusammenarbeiteten, bekennt sie sich darin nicht. Jedoch betont sie, auch nach dem Ende der MINUSMA einen Beitrag zur Unterstützung der Bevölkerung leisten zu wollen. Zudem bekannten sich die Mitglieder der Sahel-Allianz unter deutschem Vorsitz Ende 2023 dazu, Medienarbeit und die Bereitstellung von faktenbasierten Informationen ins Zentrum ihrer Arbeit zu rücken.

Bundeswehr unterhielt Verbindung zu Radiostationen

Zwar waren keine malischen Medienschaffenden direkt bei der Bundeswehr angestellt. Aus der Antwort der Bundesregierung geht jedoch hervor, dass das deutsche Einsatzkontingent bei MINUSMA über Jahre hinweg Verbindung zu Radiostationen unterhielt. Auch im Bereich der Medien-Entwicklungszusammenarbeit bestanden zahlreiche Verbindungen, die nach dem Abzug der Bundeswehr weiter ausgebaut werden. So plant die Bundesregierung den Aufbau eines Mediennetzwerks, um Desinformationskampagnen entgegenzuwirken.

RSF begrüßt den Anspruch, unabhängigen Journalismus in der Region zu unterstützen. Gleichzeitig fordert die Organisation die Bundesregierung auf, sich ein detaillierteres Bild über die Gefahrensituation von Journalistinnen und Journalisten zu verschaffen und sich für ihren Schutz einzusetzen. Ohnehin sollte Schutz ein Kernbestandteil jeglicher Medien-Entwicklungszusammenarbeit sein. Die Antwort der Bundesregierung enthält keine Aussage dazu, ob und inwiefern Medienschaffende durch die Zusammenarbeit gefährdet wurden. Insbesondere sollte sie den Verbleib der Medienleute, mit denen die Bundeswehr und deutsche Organisationen in Kontakt standen, überprüfen und bei Bedarf Unterstützung gewährleisten.

Hannah-Arendt-Initiative soll Gefährdeten Schutz bieten

Als Antwort auf die Frage nach Aufnahmemöglichkeiten von gefährdeten Journalistinnen und Journalisten in Deutschland verweist die Bundesregierung auf die Hannah-Arendt-Initiative (HAI). Ziel ihres unter anderem mit Mitteln des Auswärtigen Amtes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien initiierten Nothilfemoduls ist es unter anderem, Medienschaffende weltweit zu schützen. RSF begrüßt ausdrücklich die Erwähnung der HAI und die damit verbundene Möglichkeit der Aufnahme von Medienschaffenden aus Mali nach §22 Satz 2 AufenthG.

Als beratend an der Initiative beteiligte Organisation sieht RSF jedoch noch Klärungs- und Handlungsbedarf seitens der beteiligten Behörden. Auch bleibt die Zugänglichkeit der HAI für Medienschaffende vor Ort unklar. Sofern sie nicht bereits Kontakt zu Botschaften und NGOs haben, erfahren sie nicht, an wen sie sich wenden können. Hinzu kommt eine lange Bearbeitungszeit für Aufnahmeanträge, das selbstgesteckte Ziel einer Bearbeitungszeit von zwei bis sechs Wochen ist nicht realistisch. Im Oktober hatte RSF über das HAI-Nothilfemodul in einer Pilotphase Fälle von akut bedrohten Medienschaffenden – allerdings nicht aus Mali – eingereicht; von diesen ist bislang noch niemand nach Deutschland eingereist.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen nach der Situation von Medienschaffenden in Mali unterstreicht die Relevanz der HAI. Umso wichtiger ist es, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, die HAI langfristig und nachhaltig aufzusetzen.  

Auf der RSF Rangliste der Pressefreiheit steht Mali auf Platz 113 von 180.

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Pressemitteilungen Fri, 12 Apr 2024 14:30:00 +0200
RSF-Mitarbeiterin sechs Stunden lang festgehalten Die Hongkonger Behörden haben eine Mitarbeiterin von Reporter ohne Grenzen (RSF) nach Ankunft am Flughafen sechs Stunden lang festgehalten, durchsucht, verhört und schließlich ausgewiesen. Die in Taiwan ansässige Mitarbeiterin Aleksandra Bielakowska war am Mittwoch nach Hongkong gereist, um den Prozess gegen den inhaftierten Verleger Jimmy Lai zu beobachten, dem eine lebenslange Haftstrafe droht. Dieses aus RSF-Sicht beispiellose Vorgehen der Behörden zeigt erneut den Verfall der Pressefreiheit in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

„Wir sind schockiert über das inakzeptable Verhalten gegenüber unserer Kollegin, die nur ihre Arbeit gemacht hat. In keinem anderen Land haben wir bisher solche eklatanten Versuche von Behörden erlebt, sich der Prozessbeobachtung zu entziehen. Der Vorfall unterstreicht die Erosion der Pressefreiheit und der Rechtsstaatlichkeit in Hongkong. Er zeigt auch, wie absurd das Verfahren gegen Jimmy Lai ist“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Wir fordern eine sofortige Erklärung der Hongkonger Behörden und eine Garantie dafür, dass unsere Mitarbeitenden sicher zurückkehren und das Gerichtsverfahren weiter beobachten können.“

Es war das erste Mal, dass ein RSF-Vertreter am Hongkonger Flughafen festgehalten und der Person die Einreise verweigert wurde. Bielakowska war bereits im Juni und Dezember 2023 für RSF ohne Probleme nach Hongkong gereist und hatte sich vor Ort unter anderem mit Medienschaffenden ausgetauscht. Am Mittwoch war auch der Leiter des RSF-Büros in Taiwan dabei. Er konnte offenbar einreisen, hat Hongkong aber aus Sicherheitsgründen wieder verlassen.

„Sie haben mich für sechs Stunden festgehalten, mich verhört, und mich und meine Sachen mehrmals durchsucht. Danach wurde ich unter einem nebulösen Vorwand ausgewiesen. Diese Vorgehensweise zeigt, wie sehr die Hongkonger Behörden NGO-Mitarbeitende und Menschenrechtsverteidiger fürchten, die über das autoritäre Klima in dem Gebiet – einst eine Bastion der Pressefreiheit – berichten wollen“, sagt Bielakowska.

RSF beobachtet weltweit regelmäßig Prozesse, darunter Anhörungen gegen türkische Journalistinnen und Journalisten oder das Auslieferungsverfahren gegen den WikiLeaks-Gründer Julian Assange.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Hongkong inzwischen auf Platz 140 von 180 Staaten. RSF befürchtet, dass auch ausländische Journalistinnen und Journalisten in Hongkong immer stärker von den drastischen Einschränkungen der Medienfreiheit vor Ort betroffen sein werden. In den vergangenen anderthalb Jahren verweigerten die Behörden den japanischen Medienschaffenden Michiko Kiseki und Yoshiaki Ogawa sowie dem US-Journalisten Matthew Connors die Einreise nach Hongkong. Alle drei hatten 2019 über Proteste gegen ein damals geplantes Auslieferungsgesetz berichtet.

In dem ausführlichen Bericht „Journalismus in China: Der große Sprung zurück“ beschreibt RSF das Ausmaß der Unterdrückung von Presse- und Informationsfreiheit in Hongkong und China und untersucht die verschiedenen Instrumente, mit denen das Regime in Peking arbeitet.

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Pressemitteilungen Thu, 11 Apr 2024 9:30:00 +0200
Weniger Übergriffe, aber pressefeindliche Stimmung In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine immer pressefeindlichere Stimmung ausgebreitet, das zeigt die jetzt veröffentlichte Nahaufnahme Deutschland von Reporter ohne Grenzen (RSF). Während der Pandemie schnellte die Zahl der Übergriffe auf Berichterstattende in die Höhe. Auch unser Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt: Diese Tendenz ist noch nicht vollständig zurückgegangen. Für 2023 konnte RSF 41 Übergriffe auf Medienschaffende verifizieren. Im Jahr 2022 waren es 103. Zum Vergleich: 2019, vor der Pandemie, waren es 13. Die Nahaufnahme beschäftigt sich mit einer Vielzahl an presserelevanten Aspekten – zum Beispiel zu den Themen Gesetzgebung und Überwachung – und gibt einen Überblick über die gewaltsamen Angriffe auf Reporterinnen und Reporter.

„Im vergangenen Jahr wurden Reporter wieder verprügelt, ihre Ausrüstung wurde zerstört und ihnen wurde im Internet massiv gedroht. 2024 startete unter anderem mit der brutalen Körperverletzung eines Journalisten am Rande einer Demonstration in Leipzig. Zudem beobachten wir eine gefährliche neue Art der Aggression: Landwirte haben kürzlich mit Trecker-Blockaden und Misthaufen die Auslieferung von Zeitungen in mehreren Bundesländern verhindert”, sagt Michael Rediske, Mitgründer der deutschen Sektion von RSF und amtierendes Vorstandsmitglied. Das zeigt, dass die Freiheit, unabhängig zu berichten, hierzulande nicht nur durch Übergriffe gegen einzelne Medienschaffende bedroht ist. Unzufriedenheit mit einer angeblich zu geringen Berichterstattung über Bauernproteste reicht offenbar aus, um bei Angriffen gegen die Pressefreiheit die Hemmschwelle weiter zu senken.”

Gewalt gegen Medienschaffende und Redaktionen

2021 gab es 80 Angriffe, 2022 waren es 103. Für 2023 verifizierte Reporter ohne Grenzen nun 41 Übergriffe. Damit bleiben die Zahlen im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie vergleichsweise hoch: 2019 waren es 13. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer. 

Am häufigsten waren im Jahr 2023 Tritte und Faustschläge oder Schläge mit Gegenständen wie Fackeln oder Trommel-Schlegeln. Als Angriff gewertet wurden diese, sofern sie Körper oder Ausrüstung von Journalistinnen und Journalisten tatsächlich getroffen haben. Medienschaffenden wurde auch Ausrüstung entrissen, sie wurden zu Boden gerissen, mit Sand und Steinen beworfen oder in einem Fall mit Fäkalien beschmiert.

Die meisten der 41 für das Jahr 2023 verifizierten Angriffe – zwei Hacker-Angriffe können nicht geografisch zugeordnet werden – ereigneten sich in Sachsen (12), gefolgt von Bayern (6), Berlin (5), Nordrhein-Westfalen (5), Niedersachsen (4), Hamburg (2), Hessen (2), Rheinland Pfalz (1), Thüringen (1) und Schleswig-Holstein (1). Der gefährlichste Ort für Medienschaffende waren auch 2023 politische Versammlungen wie Partei-Veranstaltungen, Demonstrationen oder Protestaktionen. Hier wurden 32 von insgesamt 41 Fällen gezählt. Besonders pressefeindlich ging es erneut bei der Berichterstattung im Umfeld von verschwörungsideologischen oder rechtsextremen Versammlungen zu: Hier fand 2023 mit 18 von 41 verifizierten Fällen ein Großteil der Angriffe statt.

Auch für Januar und Februar wurden RSF bereits einige alarmierende Vorfälle gemeldet. Weitere Details zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland im internationalen Vergleich wird Reporter ohne Grenzen am 3. Mai zusammen mit der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit veröffentlichen.

Überwachung und Gesetzgebung in EU und Deutschland

Schwerpunkt der öffentlichen Debatten waren in diesem Jahr die Auseinandersetzungen um die gesetzlichen Grundlagen der Informationsfreiheit, in Deutschland und auf EU-Ebene. Die wichtigsten Reformvorhaben auf EU-Ebene, der European Media Freedom Act und der Digital Services Act, sind jetzt in Brüssel verabschiedet und müssen in Deutschland umgesetzt werden.

Strittig sind unter anderem der staatliche Einsatz von Spähsoftware, der den Quellenschutz journalistischer Arbeit untergräbt, sowie Regelungen im Spannungsfeld zwischen einerseits Verhinderung von Desinformation und Verleumdungen auf Plattformen und andererseits den Rechten von Whistleblowern wie Journalistinnen auf Anonymität und Schutz ihrer Kommunikationspartnerinnen und -partner. RSF fordert mit seiner politischen Arbeit verbesserte rechtliche Bedingungen. So zielt eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf mehr Beschränkungen für Überwachung der Kommunikation von Medienschaffenden durch „Staatstrojaner“, also von staatlichen Stellen eingesetzte Überwachungs-Software. 

Zudem legte das Bundesministerium der Justiz im April 2023 Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vor. Bislang existiert jedoch noch kein vom Kabinett gebilligter Entwurf. RSF hat gemeinsam mit der Organisation Neue Deutsche Medienmacher*innen das Gesetzesvorhaben begrüßt, zugleich aber Verbesserungen gefordert. RSF begrüßt auch das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes im Juli 2023, kritisiert jedoch Einschränkungen der schließlich in Kraft getretenen Fassung: Whistleblower dürfen Missstände nicht sofort veröffentlichen lassen, sondern müssen mit Informationen von öffentlichem Interesse zunächst an nicht öffentliche interne oder externe Meldestellen herantreten.

Überdies überziehen europaweit mächtige Akteure, zumeist finanzstarke Unternehmen, einzelne Journalistinnen und Journalisten oder Medienhäuser mit Zivilklagen, um sie einzuschüchtern und von unliebsamen Veröffentlichungen abzuhalten. RSF beobachtet diese rechtsmissbräuchlichen Klagen, SLAPPs (kurz für „strategic lawsuits against public participation“), und wird das Thema auch 2024 stärker in den Fokus rücken. 

Medienvielfalt geht weiter zurück

Im Vordergrund der publizistischen Auseinandersetzung stand das ganze Jahr 2023 der Streit um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die anstehende Anpassung des Rundfunkbeitrags an die Inflation stößt auf Widerstand einer Reihe von Landesregierungen. Alle Landesparlamente müssen diese beschließen. Etliche Ministerpräsidentinnen und -präsidenten fordern stattdessen tiefgreifende Strukturreformen beziehungsweise eine Verkleinerung von ARD und ZDF. 

Für das Demokratieverständnis von RSF ist es grundlegend, dass sich Nutzende aus inhaltlich unterschiedlichen Quellen informieren können. Dies ist eine wichtige Bedingung für funktionierende Pressefreiheit. Deutschland verfügt zwar historisch mit seinem Netz aus bundesweiten, regionalen und Lokalzeitungen sowie mit seinem dualen System aus öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunk- und Fernsehanbietern über ein im internationalen Vergleich hohes Niveau an Medienvielfalt. Im Zuge von Digitalisierung und veränderten Nutzungsgewohnheiten ist jedoch die Vielfalt des lokalen Zeitungsangebots seit langem rückläufig. Alle Prognosen weisen darauf hin, dass dieser Prozess weitergehen und eine noch größere Bedrohung für die Pressefreiheit werden wird.

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Pressemitteilungen Tue, 09 Apr 2024 5:55:00 +0200
RSF-Konferenz in Albanien: Zeit zu handeln! Im Anschluss an ein Treffen mit albanischen Medienschaffenden werden Reporter ohne Grenzen (RSF) und der albanische Medienrat konkrete Vorschläge an nationale und europäische Institutionen senden. Gearbeitet wird unter anderem zu den Themen Sicherheit von Reporterinnen und Reportern, vertrauenswürdiger Journalismus sowie Online-Zensur. Diese Vorschläge werden das Ziel Albaniens unterstützen, in die Europäische Union (EU) aufgenommen zu werden. Hierfür ist Medienfreiheit eine wichtige Voraussetzung.

„Der EU-Beitrittsprozess bietet eine einzigartige Gelegenheit für einen Wandel. Doch der Weg ist noch weit, denn unsere Konferenz in Tirana und der Austausch mit den Berichterstattenden vor Ort machte deutlich: In Albanien vergeht keine Woche ohne eine Attacke auf die Pressefreiheit und das Recht auf Information. Es ist dringend erforderlich, nun zu handeln und von den Eigentümerinnen und Eigentümern einflussreicher Medienplattformen endlich Transparenz und Sorgfalt einzufordern, um wieder mehr Vertrauen in den albanischen Journalismus aufzubauen“, sagte Katharina Viktoria Weiß, die als Pressereferentin mit EU- und Balkan-Schwerpunkt für RSF die Diskussion in Tirana beobachtete.

Täglich neue Übergriffe auf die Pressefreiheit

Während Journalistinnen und Journalisten der wichtigsten albanischen Medien am Morgen des 3. April zu einer Konferenz über das Recht auf Information zusammenkamen, wurde ein weiterer Angriff auf ein lokales Medium bekannt: Am 2. April wurden die Inhalte des Citizens Channel systematisch von Facebook entfernt. Die digitale Plattform ist für viele albanische Medien unverzichtbar, da sie hier die größte Leserreichweite haben.

Es wurden Inhalte des Senders, die bis zum Jahr 2021 zurückreichen, von der Seite genommen. Die journalistischen Beiträge waren systematisch als „Spam" gemeldet worden, weil sie angeblich gegen die Regeln des sozialen Netzwerks verstießen. Laut der Nichtregierungsplattform SafeJournalists Albania "scheint es sich bei dieser Kampagne um einen koordinierten Versuch zu handeln, die Stimme [des Citizens Channel] zum Schweigen zu bringen, insbesondere nachdem [das Medium] einen Artikel veröffentlicht hatte, der den Bau des Nationaltheaters und die Erteilung von Genehmigungen für Hochhäuser durch die Stadtverwaltung von Tirana kritisierte.“

Die Online-Zensur durch digitale Plattformen wird oft durch eine undurchsichtige und strenge Moderationspolitik verursacht. Dieser Umstand wurde von den Journalistinnen und Journalisten auf der Konferenz am vergangenen Mittwoch als eines der Haupthindernisse für die unabhängige Medienlandschaft in Albanien genannt.

Die Journalism Trust Initiative (JTI) als Lösungsvorschlag

Nach der sehr ehrlichen und ausführlichen Diskussion auf der Konferenz werden RSF und der Medienrat nun Verbesserungs-Vorschläge ausarbeiten, welche dann den albanischen Medien zur Stellungnahme vorgelegt werden. Das Ziel von RSF ist es, im Juni 2024 konkrete politische Empfehlungen zu veröffentlichen, die sich an nationale und europäische Institutionen richten.

Zu den besprochenen Lösungen gehört die Journalism Trust Initiative (JTI), ein RSF-Projekt. Die Zertifizierung durch JTI prüft die Transparenz der Nachrichtenmedien und unterstreicht die Einhaltung höchster journalistischer Standards. Mehr als 1.200 Medien in 80 Ländern haben sich dem Projekt bereits angeschlossen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Journalismus wiederherzustellen.

"Während Qualitätsjournalismus immer häufiger Propaganda weicht, ist die von RSF entwickelte Journalism Trust Initiative ein Leuchtfeuer der Hoffnung. Als internationaler Standard für Hochwertigkeit und ethische Berichterstattung wird JTI für die Öffentlichkeit im Allgemeinen und für Albanien im Besonderen von großem Nutzen sein. Ich kann es kaum erwarten, dass albanische Medien zertifiziert werden, damit die albanische Öffentlichkeit zwischen vertrauenswürdigen und unethischen Zeitungen und Sendern unterscheiden kann“, sagte Koloreto Cukali, Vorsitzender des albanischen Medienrates.

EU-Integration als Chance

In seiner Eröffnungsrede auf der Konferenz betonte der Leiter der EU-Delegation in Albanien, Silvio Gonzato, dass eine große Mehrheit der Albanerinnen und Albaner den Beitritt ihres Landes zur EU wünscht. "Das ist eine politische Tatsache, welche die Regierung nicht ignorieren kann. Mit dem Beitritt zur EU wird Albanien Mitglied einer Werte- und Rechtsgemeinschaft. Der Aufnahmeprozess wird zu mehr Transparenz und größerer Medienfreiheit führen", so der Botschafter.

Abgesehen von der gefährlichen Moderationspolitik der digitalen Plattformen werden die Empfehlungen folgende von den albanischen Medienschaffenden aufgeworfene Fragen behandeln:

  • verschiedene Aspekte rund um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, von physischen Angriffen über Verleumdungskampagnen bis hin zu Knebelklagen (SLAPPs);
  • unzureichende Umsetzung der Rechtsvorschriften zum Zugang zu Informationen und den Schutz der Vertraulichkeit von journalistischen Quellen;
  • das Fehlen nachhaltiger Einnahmemodelle der Medien in Verbindung mit einer verzerrten Unabhängigkeit sowie Problemen bei der Durchsetzung von Urheberrechten und einem undurchsichtigen Anzeigenmarkt;
  • Konzentration der großen Medien in den Händen von Einzelpersonen, die sie als Instrumente der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme nutzen, verbunden mit geringer Transparenz über die Eigentumsverhältnisse und die Finanzierung der Plattformen;
  • geringe Unabhängigkeit der Medienaufsichtsbehörde und der öffentlichen Medien;
  • Verstöße gegen die journalistische Ethik und gegen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien.

Albanien steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 96 von 180 Ländern.

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Pressemitteilungen Mon, 08 Apr 2024 12:54:00 +0200
112 Medienschaffende in sechs Monaten getötet Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die internationale Gemeinschaft erneut dazu auf, sich stärker für den Schutz palästinensischer Journalistinnen und Journalisten einzusetzen. Im israelischen Krieg gegen die Hamas sind seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 112 Medienschaffende getötet worden. Angesichts der Bombardierungen ist es für Journalistinnen und Reporter in Gaza extrem gefährlich, ihrer Arbeit nachzugehen. Bis heute, sechs Monate nach Kriegsbeginn, kommt fast niemand zum Berichterstatten in den Gazastreifen hinein, nur wenige durften ihn verlassen. Am 7. Oktober hatte die Hamas israelische Grenzgebiete überfallen und bei ihrem Massaker auch Medienschaffende getötet.

„Journalistinnen und Journalisten in Gaza müssen geschützt werden. Wer Gaza verlassen möchte oder muss, muss die Möglichkeit dazu bekommen. Und: Die Grenzen zum Gazastreifen müssen endlich für internationale Medien geöffnet werden. Das sind unsere Kernforderungen, die wir nun seit sechs Monaten wiederholen“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf die israelischen Behörden zu erhöhen. Dieser Krieg ist eine Katastrophe für die zivile Bevölkerung, und die Journalistinnen und Reporter sind ganz besonders bedroht.“

„Besserer Schutz“ ist die Antwort von nahezu allen palästinensischen Medienschaffenden, die Reporter ohne Grenzen in Gaza nach ihrem dringendsten Wunsch gefragt hat. Seit dem 7. Oktober leben sie in ständiger Angst und haben häufig den Tod von Angehörigen sowie Kolleginnen und Kollegen zu beklagen. Nach RSF-Recherchen sind in Gaza bisher mindestens 105 Medienschaffende durch israelische Luftangriffe, Raketen und Schüsse getötet worden, darunter mindestens 22 im direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit.

Kein anderer Krieg ist für Medienschaffende so gefährlich wie dieser

In der ganzen Konfliktregion beklagt RSF seit 7. Oktober 112 getötete Journalistinnen und Reporter – kein anderer Krieg in diesem Jahrhundert hat für Medienschaffende so tödlich begonnen wie dieser. Mitglieder der Terrorgruppen Hamas und Islamischer Dschihad hatten am und nach dem 7. Oktober vier israelische Medienschaffende getötet, einen von ihnen bei der Arbeit. Im Libanon starben bei israelischen Luftangriffen drei Medienschaffende, während sie gerade berichteten.

RSF und weitere Nichtregierungsorganisationen fordern seit Monaten, den Grenzübergang Rafah für Journalistinnen und Reporter zu öffnen. Dieser wird von Ägypten verwaltet, jeglicher Personen- und Warenverkehr wird jedoch von Israel kontrolliert. Bislang kam von dort bis auf eine Ausnahme jedoch noch kein Journalist und keine Journalistin nach Gaza hinein. Nur wer „embedded“ mit den israelischen Streitkräften unterwegs ist, darf in das Gebiet einreisen, muss sich aber bei der Berichterstattung auf Bereiche beschränken, die von den Streitkräften freigegeben werden, und das aufgenommene Material vorlegen. Aus dem Gazastreifen evakuiert werden konnte bislang nur eine geringe Zahl an Medienschaffenden.

RSF hat sich mit einigen von ihnen in der katarischen Hauptstadt Doha getroffen, darunter mit Wael al-Dahdouh, dem Leiter des Al-Dschasira-Büros in Gaza-Stadt, Mahmoud Hams, einem AFP-Fotojournalisten, der RSF-Korrespondentin Ola al-Zaanoun und mit ihrem Sohn, dem freiberuflichen Reporter Moussa al-Zaanoun.

Sie beschrieben die Risiken, die sie auf sich genommen haben, um weiter über den Gazastreifen zu berichten. „Wir fühlten uns verpflichtet, die ganze Welt mit Informationen zu versorgen“, sagte die RSF-Korrespondentin al-Zaanoun. Auf RSF-Initiative hatte sie zuletzt in einem taz-Beitrag von den immer schwieriger werden Arbeitsbedingungen und ihrer wachsenden Verzweiflung in Gaza berichtet. „Jeden Tag wurde ein Journalist getötet oder verwundet“, fügte ihr 24-jähriger Sohn hinzu. „Ich habe in ständiger Angst gelebt, meinen Vater, meine Mutter und mein eigenes Leben zu verlieren. Aber ich habe es als meine Pflicht verstanden, über das, was passiert, zu berichten.“

Wie auch andere Medienschaffende berichtete Mahmoud Hams von seinem Eindruck, dass Journalistinnen und Journalisten in diesem Krieg zu Zielen geworden sind. „Während der Evakuierung von Gaza-Stadt [im Oktober] wollten einige Leute nicht, dass ich in ihrer Nähe bin, weil sie befürchteten, dass ich als Journalist ins Visier genommen werden könnte“, so Hams. „Andere weigerten sich, uns Häuser zu vermieten, in denen wir leben, arbeiten und uns ausruhen konnten, weil sie der festen Überzeugung waren, dass alle Journalisten in Gaza Zielscheiben seien.“

So unterstützt RSF Medienschaffende in der Region

Seit Kriegsbeginn hat RSF Medienschaffende vor Ort mit Arbeitsmaterial wie Laptops, Handys oder elektronischen Sim-Karten, Dingen des täglichen Bedarfs sowie zum Arbeiten ausgestatteten Zelten versorgt. Besondere Unterstützung gilt dabei Frauen. Zur Flucht gezwungene Journalistinnen sehen sich oft mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, es fehlt an Privatsphäre und Sicherheit. RSF arbeitet dafür mit der 2005 in Jordanien gegründeten, unabhängigen Organisation Arab Reporters for Investigative Journalism (ARIJ) zusammen. Bereits im November haben die beiden Organisationen im Süden des Gazastreifens ein Zelt aufstellen lassen, in dem jeweils sechs geflohene Journalistinnen unterkommen können. Der genaue Standort bleibt aus Sicherheitsgründen geheim.

RSF hat zudem am 21. März in Beirut ein Zentrum für Pressefreiheit eröffnet. Nach dem Vorbild der beiden Zentren in der Ukraine können Medienschaffende dort arbeiten, sich in physischer und digitaler Sicherheit schulen lassen, psychologische und juristische Hilfe bekommen sowie Schutzausrüstung und Erste-Hilfe-Sets ausleihen.

In der aktuellen Situation im Gazastreifen Hilfe zu leisten, ist eine herausfordernde Aufgabe. Um die Arbeit von RSF und ARIJ für den Schutz und die Sicherheit der Medienschaffenden zu unterstützen, hat RSF eine Spendenseite eingerichtet.

RSF hat am 31. Oktober beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Strafanzeige eingereicht, damit dieser mögliche Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende im Gazastreifen und Israel untersucht. Eine zweite Strafanzeige reichte RSF am 22. Dezember ein. Mittlerweile hat der IStGH mitgeteilt, dass er aufgrund der RSF-Strafanzeigen auch Verbrechen an Journalistinnen und Journalisten in seine Ermittlungen mit aufnimmt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 156 von 180. Israel liegt auf Platz 97. Zuletzt hat die Netanjahu-Regierung ein Gesetz zur Schließung des Senders Al-Dschasira verabschiedet. RSF kritisiert dies als einen Angriff auf die Pressefreiheit.

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Pressemitteilungen Sun, 07 Apr 2024 14:25:00 +0200
Kaschmir: Antiterrorgesetze gegen Journalisten Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in Indien erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an das Schicksal von Medienschaffenden im ehemaligen Bundesstaat Jammu und Kaschmir. In der Region im Norden des Landes gehen die indischen Behörden mit Antiterrorgesetzen systematisch gegen unabhängigen Journalismus vor. Das zeigt etwa der Fall des Reporters Aasif Sultan, der kurz nach seiner Freilassung nach fünf Jahren Haft erneut festgenommen wurde. RSF fordert die Freilassung Sultans und vier weiterer Journalisten aus Kaschmir, die derzeit unter Indiens Antiterrorgesetzen inhaftiert sind.

„Die indischen Behörden nutzen Antiterrorgesetze, um unabhängige Medienstimmen zu unterdrücken und kritische Berichterstattung in Kaschmir zu verhindern. Die Informationsfreiheit vor Ort wird seit Jahren enorm eingeschränkt. Vor den Parlamentswahlen muss die Regierung ihre repressive Politik gegenüber Journalistinnen und Journalisten in der Region endlich beenden“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. 

Die Lage der Pressefreiheit im mehrheitlich muslimischen Gebiet Kaschmir hat sich seit August 2019 weiter verschlechtert, als Indien der Region den Sonderstatus entzogen und sie der direkten Kontrolle Neu Delhis unterstellt hatte. Artikel 370 in der indischen Verfassung hatte dem ehemaligen Bundestaat Jammu und Kaschmir bis dahin einen gewissen Grad an Autonomie gewährt. Die Zentralregierung sperrte damals Internet- und Telefonverbindungen und schnitt Jammu und Kaschmir weitgehend von der Außenwelt ab. Auch das Kabelfernsehen war nicht mehr zu empfangen. Im Dezember 2023 bestätigte das Oberste Gericht Indiens die Aberkennung des Sonderstatus. In den vergangenen fünf Jahren wurden in der Region 13 Medienschaffende inhaftiert, das entspricht fast einem Viertel aller Inhaftierungen von Journalistinnen und Journalisten in Indien in diesem Zeitraum.

Journalist wird sofort wieder festgenommen

Einer der Betroffenen ist Aasif Sultan. Der Reporter für das monatlich erscheinende Magazin Kashmir Narrator steht seit 2018 im Visier der Justiz. Damals hatte er einen Artikel am zweiten Todestag von Burhan Wani veröffentlicht, einem Kommandeur einer Separatistengruppe in Kaschmir, der bei einem Feuergefecht von Sicherheitskräften getötet wurde. Sultan wurde im August 2018 auf Grundlage des Unlawful Activities (Prevention) Act (UAPA) aus dem Jahr 1967 verhaftet. Die Polizei beschuldigte den Journalisten, Militanten Unterschlupf zu gewähren, die einen Polizisten ermordet hatten. Jedoch haben die Behörden nie Beweise vorgelegt, die ihn mit einer militanten Organisation in Verbindung bringen.

Im April 2022 entschied ein Gericht, dass Sultan gegen Kaution freikommt. Doch die Polizei nahm ihn sofort wieder fest, dieses Mal unter dem Vorwand, der Reporter „bedrohe den Frieden“ unter dem Jammu and Kashmir Public Safety Act von 1978, mit dem Personen bis zu zwei Jahre ohne Verfahren festgehalten werden können. Die Behörden ließen ihn in ein Gefängnis im Bundestaat Uttar Pradesh verlegen, rund 1500 Kilometer von seiner Heimat entfernt.

Nach einer Gerichtsentscheidung im Dezember 2023 kam Sultan am 28. Februar frei und konnte seine Familie wiedersehen. Kurz darauf, am 1. März, wurde er wieder inhaftiert. Die Behörden stützen sich dabei erneut auf das UAPA-Gesetz. Laut mehreren Gremien der Vereinten Nationen, darunter der Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, ist das Gesetz nicht mit internationalen Menschenrechtsnormen vereinbar.

Neben Sultan werden vier weitere Journalisten aus Kaschmir unter Indiens Antiterrorgesetzen festgehalten. Sajad Gul, Reporter für das Online-Magazin The Kashmir Walla, sitzt seit Januar 2022 im Gefängnis. Abdul Aala Fazili, ebenfalls Reporter des Magazins, ist seit April 2022 inhaftiert. Im August 2023 sperrte die Regierung den Zugang zu der Webseite. Irfan Mehraj, Journalist beim Wande Magazine, wird seit März 2023 festgehalten. Seit September 2023 sitzt zudem der freiberufliche Journalist Majid Hyderi im Gefängnis.

Funkstille in Kaschmir

Kaschmir ist für ausländische Medien weiterhin fast nicht zugänglich. Während eines Besuchs von Premier Narendra Modi am 7. März in Srinagar verwehrten die Behörden 33 Journalistinnen und Journalisten ausländischer Medien den Zugang zur Region. Zudem hat sich die Zahl der Internet- und Kommunikationssperren in der Region in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht.

Mitte Februar musste das Online-Investigativmedium The Caravan einen Artikel über Folter von Zivilisten in Jammu und Kaschmir durch die Armee offline nehmen. Das ist nur eine von mehreren Einschränkungen der Pressefreiheit, die RSF im Vorfeld der Wahlen in Indien hier dokumentiert hat.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2023 steht Indien auf Platz 161 von 180 Staaten und hat sich im Vergleich zum Vorjahr um elf Plätze verschlechtert. Die Übernahmen von Medien durch reiche Geschäftsleute, die Modi nahestehen, gefährden den Pluralismus. Gleichzeitig verfügt Modi über eine Armee an Unterstützern, die regierungskritische Berichte im Netz aufspüren und Hetzkampagnen organisieren. Das treibt viele Journalistinnen und Journalisten in die Selbstzensur.

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Pressemitteilungen Fri, 05 Apr 2024 12:54:00 +0200
Mord an Miroslava Breach weiter straffrei Miroslava Breach, eine mexikanische Journalistin, die über den Einfluss des organisierten Verbrechens im Bundesstaat Chihuahua berichtete, wurde vor sieben Jahren ermordet, die Verantwortlichen bleiben jedoch weiterhin unbestraft. Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Partnerorganisation Propuesta Cívica (PC) fordern die mexikanischen Präsidentschaftskandidaten auf, die andauernde Straflosigkeit bei Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten zu bekämpfen.

„Mexiko ist weltweit eines der gefährlichsten Länder für unabhängig arbeitende Journalistinnen und Journalisten“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Und der Mord an Miroslava Breach ist einer der symbolträchtigsten Fälle von Gewalt gegen Medienschaffende in Mexiko in den letzten Jahren. Zum Jahrestag ihres Todes wollen wir ihre Arbeit als herausragende Reporterin würdigen. Und unsere Forderung an die Strafverfolgungsbehörden, Regierung und die Präsidentschaftskandidaten bekräftigen: Die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende muss konsequent bekämpft werden.“

Breach, eine bekannte Investigativreporterin für die Zeitungen La Jornada und El Norte de Ciudad Juárez, wurde am 23. März 2017 im Alter von 54 Jahren in der Nähe ihres Hauses in Chihuahua City erschossen. Sie hatte im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen die Verflechtungen zwischen der Politik und den Drogenkartellen im Bundesstaat Chihuahua aufgedeckt.

Bericht über systematische Straflosigkeit: RSF und PC fordern Gerechtigkeit

Die drei Kandidaten für die mexikanischen Präsidentschaftswahlen am 2. Juni - Claudia Sheinbaum Pardo von der Partei Morena, Xóchitl Gálvez von der Koalition Fuerza y Corazón por México und der Kandidat des Movimiento Ciudadano, Jorge Álvarez Máynez - haben einen von RSF und PC verfassten Bericht über die systematische Straflosigkeit bei Gewaltverbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten in Mexiko erhalten. Die Organisationen fordern die Kandidaten auf, sich für Gerechtigkeit in diesen Fällen einzusetzen.

Der Mord an Breach ist einer der beiden Fälle, auf die sich der Bericht konzentriert. Während einige Täter vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, bleiben die Anstifter unbestraft.

Einer der Täter, Juan Carlos Moreno Ochoa, auch bekannt als „El Larry“, wurde 2020 zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Den ehemaligen Bürgermeister von Chínipas, Hugo Amed Schultz, verurteilte das Gericht 2021 wegen seiner Rolle bei dem Mord zu acht Jahren Haft. Viele der an der Planung und Ausführung des Mordes beteiligten Personen sind jedoch immer noch auf freiem Fuß. Breachs Familie hat zudem nie eine Entschädigung vom mexikanischen Staat erhalten.

„Der Fall Miroslava Breach hat seine Spuren in der Geschichte des mexikanischen Journalismus hinterlassen. Das liegt auch an den Umständen ihrer Ermordung: Beamte, Politikerinnen und das organisierte Verbrechen waren beteiligt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden behindert und die Familie der Journalistin wurde bedroht“, sagt Sara Mendiola, Geschäftsführerin von Propuesta Cívica.

Mehr als 70 ermordete Journalisten in den letzten zehn Jahren

Mexiko ist das Land in Lateinamerika, in dem die meisten Medienschaffende getötet werden. In den vergangenen zehn Jahren wurden insgesamt 72 Journalistinnen und Journalisten ermordet ­­ in mehr als 90 Prozent der Fälle wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Platz 128 von 180 Staaten.


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Pressemitteilungen Wed, 03 Apr 2024 15:02:00 +0200
Konferenz soll albanische Pressefreiheit stärken Reporter ohne Grenzen (RSF) und der albanische Medienrat veranstalten am 3. April in Tirana eine Konferenz. Diese widmet sich den Herausforderungen, denen sich der albanische Journalismus aktuell stellen muss – so zum Beispiel Unabhängigkeit, Pluralismus und Nachhaltigkeit der dortigen Medienlandschaft. Das Ziel ist, Prozesse in Gang zu setzten, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Hierfür wird die Veranstaltung eine Diskussionsplattform für und mit albanischen Medienschaffenden bieten.

"Die Menschen in Albanien sind in besonderem Maße Falschnachrichten und Propaganda ausgesetzt. Doch die Beitrittsverhandlungen Albaniens mit der Europäischen Union geben Impulse für die Förderung eines vertrauenswürdigen Journalismus. RSF will seinen Beitrag dazu leisten, eine Infrastruktur der Pressefreiheit aufzubauen, welche eine positive Entwicklung der albanischen Gesellschaft langfristig unterstützt und begleitet“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

Dafür hat sich RSF mit dem albanischen Medienrat zusammengetan: Die gemeinsam organisierte Konferenz will Werkzeuge zur Stärkung des albanischen Journalismus vermitteln und das Informationsrecht in den Fokus rücken. Der Botschafter der EU in Tirana, Silvio Gonzato, wird die Bedeutung der Pressefreiheit auf europäischer Ebene erläutern. Weitere Programmpunkte zielen darauf ab, wie die Ergebnisse der Überlegungen in politische Empfehlungen umgesetzt werden können.

Inhalte der Konferenz

Dabei werden in drei Podiumsdiskussionen spezifische Lösungen von und mit Vertreterinnen und Vertretern der albanischen Medienlandschaft erarbeitet: Eine beschäftigt sich mit Journalismus und Pressefreiheit in Albanien, eine weitere mit nachhaltiger und vertrauenswürdiger Berichterstattung und eine dritte mit dem Recht auf Information in digitalen Sphären.

"Im digitalen Zeitalter verändert sich das Geschäftsmodell des Journalismus und bedroht die finanzielle Unabhängigkeit der angesehensten und professionellsten Medien weltweit. Wenn wir die ethischen Standards für albanische Medien stärken wollen, dann müssen wir ihnen helfen, genau diese finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Ohne diese Unabhängigkeit werden wir niemals albanische Medien haben, die der Öffentlichkeit dienen und nicht den Mächtigen, die sie bezahlen. Darauf sollten sich all unsere Bemühungen jetzt konzentrieren”, sagte Koloreto Cukali, Vorsitzender des albanischen Medienrates, im Vorfeld der Konferenz.

Am 3. April um 17:30 Uhr findet in Tirana ein Pressetermin zu den Ergebnissen der Konferenz statt. Für die Anmeldung und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Katharina Weiß unter Katharina.Weiss@reporter-ohne-grenzen.de.

Albanien steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF auf Platz 96 von 180 Ländern.

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Pressemitteilungen Thu, 28 Mar 2024 18:02:00 +0100
Assange: Schwebezustand für die Pressefreiheit Der britische High Court erlaubt Julian Assange vorläufig, gegen seine Auslieferung aus drei Gründen Berufung einzulegen. Diese Entscheidung stellt die letzte Chance für die britischen Gerichte dar, Assanges Auslieferung in die USA zu verhindern. Dort droht ihm wegen der Veröffentlichung von Informationen von öffentlichem Interesse eine lebenslange Haftstrafe. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert das Vereinigte Königreich auf, die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers zu verhindern, seine sofortige Freilassung aus dem Gefängnis zu ermöglichen und damit Journalismus weltweit zu schützen.

„Das Vereinigte Königreich hat nun die Chance, einen historischen Schlag gegen die Pressefreiheit abzuwenden und dieses Grundrecht zu schützen, indem es zu diesem späten Zeitpunkt die Auslieferung von Assange verhindert“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Es ist schwer zu ertragen, dass Assange in der Zwischenzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert bleibt, wo seine Gesundheit weiterhin in großer Gefahr ist. Doch nicht nur sein Schicksal, sondern auch die Zukunft des Journalismus wird zum Teil gerade in Großbritannien verhandelt – denn seine Auslieferung und strafrechtliche Verfolgung würden einen gefährlichen Präzedenzfall vor allem für investigativen Journalismus schaffen.“ 

Assange wäre der erste Publizist, der nach dem US-Spionagegesetz verurteilt wird. Der Londoner High Court verkündete am Dienstagmittag, 26. März, dass er den Berufungsantrag von Assange in sechs von neun Punkten abgelehnt hat. Erklärt wurde jedoch auch, dass er in den drei offenen Punkten eine "reelle Aussicht auf Erfolg" habe. Hier bezieht sich das Gericht auf seine mögliche Gefährdung in den USA durch die Todesstrafe, auf die Frage, ob er sich bei einem Verfahren in den USA auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen könnte, sowie auf die Tatsache, dass Assange als Australier nicht den im ersten Zusatzartikel zur Verfassung der USA festgeschriebenen Schutz seiner Grundrechte genießen würde. Seine Berufung wird jedoch nicht zugelassen, wenn die US-Regierung "zufriedenstellende Zusicherungen" gibt, die diese drei Gründe berücksichtigen. 

Die USA haben nun bis zum 16. April Zeit, um Zusicherungen zu geben. Wenn sie dies tun sollten, findet am 20. Mai eine Anhörung statt, um zu entscheiden, ob diese diplomatischen Garantien der US-Regierung zufriedenstellend sind. 

Ein langes und kräftezehrendes Verfahren

Das Gericht informierte die Öffentlichkeit weniger als 24 Stunden vor dem Gerichtstermin über die Verkündung dieser Entscheidung. Als Berufungsgründe abgelehnt hatten die Richterinnen und Richter die Argumente, dass Assange wegen seiner politischen Überzeugungen verfolgt werde, dass er kein Recht auf ein faires Verfahren habe oder dass neue Beweise für Entführungspläne der USA für das Auslieferungsverfahren relevant seien.

Die Prüfung des Auslieferungsverfahrens der US-Regierung durch die britischen Gerichte war langwierig und turbulent. Sie begann im Februar 2020 und führte zunächst zu einer erstinstanzlichen Entscheidung zugunsten von Assange im Januar 2021. Damals wurde Assanges Auslieferung aus Gründen der psychischen Gesundheit abgelehnt. Diese Entscheidung wurde im Dezember 2021 aufgehoben, nachdem die USA diplomatische Zusicherungen über die möglichen Umstände seiner Inhaftierung in den Vereinigten Staaten gegeben hatte. Der Oberste Gerichtshof verweigerte im März 2022 die Genehmigung zur Berufung. Die ehemalige britische Innenministerin Priti Patel unterzeichnete daraufhin im Juni 2022 den Auslieferungsbeschluss. Assanges ursprünglicher Einspruch gegen den Beschluss wurde in einer kurzen schriftlichen Entscheidung im Juni 2023 abgelehnt, was zu diesem aktuellen und letzten Antrag auf Berufung führte. 

Reporter ohne Grenzen ist, ebenso wie Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen, überzeugt, dass die USA die politisch motivierte Verfolgung von Assange einstellen müssen, um die Medienfreiheit weltweit nicht weiter zu gefährden. Denn mit dem gesamten Verfahren senden die USA eine unmissverständliche Warnung an Verlegerinnen und Reporter weltweit: Wer über von einflussreichen Staaten verübtes Unrecht kritisch berichtet, ist nirgendwo mehr sicher. Es wäre viel gefährlicher für Medienschaffende, brisante Materialien zu erhalten und zu veröffentlichen – selbst wenn die Inhalte im öffentlichen Interesse lägen. 

RSF ist die einzige Nichtregierungsorganisation, die trotz zahlreicher Hindernisse das gesamte Auslieferungsverfahren beobachtet hat. Auch heute waren Mitarbeitende von Reporter ohne Grenzen an der Seite von Stella Assange vor dem Gerichtsgebäude in Großbritannien. Die Organisation hat zudem vor einigen Wochen eine Reihe von Besuchen bei Assange im Belmarsh-Gefängnis zwischen August 2023 und Januar 2024 öffentlich gemacht. Im April 2023 wurde RSF-Generalsekretär Christophe Deloire und Rebecca Vincent, RSF-Direktorin für internationale Kampagnen, in letzter Minute willkürlich ein bereits genehmigter Besuch im Gefängnis verweigert.

Bei einer Auslieferung an die USA drohen Julian Assange bis zu 175 Jahre Haft. Washington hat ihn wegen der Veröffentlichung von hunderttausenden geleakten Geheimdokumenten durch WikiLeaks im Jahr 2010, darunter Beweise für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, in 18 Punkten angeklagt. Assange wäre der erste Herausgeber, dem in den USA nach dem Spionagegesetz der Prozess gemacht wird. Dieses aus dem Jahr 1917 stammende Gesetz erlaubt es den Angeklagten nicht, zu ihrer Verteidigung vorzubringen, dass sie im öffentlichen Interesse gehandelt haben. Käme es zu einer Verurteilung, könnte die US-Regierung in Zukunft allen Medienschaffenden den Prozess machen, die über Geheimnisse des Staates berichten. Das könnte verheerende Folgen für die Pressefreiheit haben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Vereinigte Königreich auf Platz 26, die USA belegen Platz 45 von 180 Staaten.

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Pressemitteilungen Tue, 26 Mar 2024 16:00:00 +0100
Regierung soll Gesetzesentwurf zurückziehen Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die slowakische Kulturministerin Martina Šimkovičová auf, einen Gesetzesentwurf zurückzuziehen. Dieser würde es der Regierung ermöglichen, Inhalte öffentlich-rechtlicher Medien zu kontrollieren – und das obwohl die Europäische Kommission die Regierung aufgefordert hat, die Unabhängigkeit öffentlicher Medien zu stärken, um die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Am vergangenen Sonntag hatte zudem der slowakische Premierminister Fico ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren für diesen Gesetzesentwurf angekündigt. Somit könnten die umstrittenen Bestimmungen noch vor den EU-Wahlen angewendet werden und damit die Integrität der Wahlen in der Slowakei gefährden.

„In einem beschleunigten Verfahren hat die Regierung von Ministerpräsident Robert Fico einen in der Geschichte der slowakischen Demokratie beispiellosen Versuch unternommen, heimlich die politische Kontrolle über den öffentlichen Rundfunk zu erlangen. Dieser Gesetzesentwurf, der den Empfehlungen des jüngsten Berichts der Europäischen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei und dem Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) völlig zuwiderläuft, ist ein Affront gegen das europäische Recht“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

In einem offenen Brief fordern RSF und weitere Pressefreiheits-Organisationen deshalb die europäischen Institutionen auf, Pressefreiheit und Demokratie in der Slowakei zu schützen. Es ist zu befürchten, dass das Vorhaben der Regierung deshalb auf die Unabhängigkeit der Medien abzielt, um die Wahlentscheidung im Hinblick auf die kommenden EU-Wahlen zu Gunsten der Regierungskolaition zu beeinflussen.

Hintergründe des Gesetzesentwurfs

Der am 11. März veröffentlichte Gesetzesentwurf sieht vor, die bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt der Slowakei, RTVS, durch eine neue Einrichtung zu ersetzen, dessen Generaldirektion und Programminhalte von der Regierungskoalition bestimmt werden sollen. Nach Angaben der Regierung soll der Gesetzesentwurf bis Ende März vom Ministerrat und spätestens im Sommer vom Parlament verabschiedet werden.

Der Gesetzesentwurf steht im Widerspruch zum Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei aus dem Juli 2023. Die Europäische Kommission forderte die slowakische Regierung darin auf, verstärkt an der der unabhängigen Verwaltung und der redaktionellen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu arbeiten.

RTVS-Generaldirektor Ľuboš Machaj sagte, das vorgeschlagene Gesetz würde „eine politische Übernahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" ermöglichen – eine Ansicht, die von mehr als tausend RTVS-Mitarbeitern geteilt wird, welche die Rücknahme des Gesetzesentwurf gefordert haben.

Machaj, der vom Parlament zum Generaldirektor von RTVS gewählt wurde und planmäßig bis 2027 im Amt sein sollte, wird von der Regierungskoalition immer wieder zur Zielscheibe unbegründeter Vorwürfe der Befangenheit gemacht. Dieselben Entscheidungsträgerinnen und -träger könnten ihn entlassen, wenn der Gesetzesentwurf angenommen wird.

Mögliche Konsequenzen des Gesetzesentwurfs

Eine nachfolgende Leitung würde dann von einem neuen Verwaltungsrat gewählt werden. Der bestünde aus sieben Mitgliedern, von denen vier vom Parlament und drei vom Kulturminister ernannt werden. Dieser Programmausschuss soll dann dafür sorgen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien ihren Auftrag erfüllen. Zudem könnte dieser Ausschuss die Generaldirektion entlassen, wenn er der Ansicht wäre, dass die Programmgestaltung nicht mit dem Gesetz übereinstimmt. Zudem hätte der Ausschuss die Befugnis, die Generaldirektion auch ohne Angabe von Gründen zu entlassen.

Obwohl eine Vertretung des Kulturministeriums am 14. März ankündigte, dass dieser letzte Punkt gestrichen würde, wird die politische Abhängigkeit des Programmausschusses durch eine im Gesetzesentwurf enthaltene Bestimmung verstärkt: Demnach könnte die jährliche Finanzierung des Senders aus dem Staatshaushalt von 0,12 Prozent auf 0,14 Prozent des BIP erhöht werden, wenn er sich verpflichtet, direkt von der Regierung gewünschte Inhalte zu produzieren.

RTVS sollte im Jahr 2024 0,17 Prozent des BIP an staatlichen Mitteln erhalten, bevor die derzeitige Regierungskoalition diese Mittel Ende 2023 auf 0,12 Prozent reduzierte - ein Rückgang um 30 Prozent.

Die Slowakei steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF auf Platz 17 von 180 Ländern.

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Pressemitteilungen Fri, 22 Mar 2024 15:07:00 +0100
So unterstützt RSF Medien in Gaza Luftangriffe, blockierte Handy- und Internetverbindungen, Angst um Angehörige und auch um sich selbst: Journalistinnen und Reporter im Gazastreifen haben mit massiven Problemen zu kämpfen, oft unter Lebensgefahr. Reporter ohne Grenzen (RSF) hat seit Kriegsbeginn Medienschaffende vor Ort mit Arbeitsmaterial wie Laptops, Handys oder elektronischen Sim-Karten, Dingen des täglichen Bedarfs sowie zum Arbeiten ausgestatteten Zelten versorgt. Besondere Unterstützung gilt dabei Journalistinnen. RSF arbeitet dafür mit der 2005 in Jordanien gegründeten, unabhängigen Organisation Arab Reporters for Investigative Journalism (ARIJ) zusammen.

„Mit der Hilfe von RSF ist es ARIJ gelungen, mehr als 90 Journalistinnen und Journalisten in Gaza zu unterstützen“, sagte ARIJ- Geschäftsführerin Hoda Osman. „Wir haben Medienschaffende, die fliehen mussten, mit Matratzen, Decken und auch Zelten versorgt und Bereiche eingerichtet, in denen sie gemeinsam arbeiten können. All das wäre ohne die Unterstützung von RSF nicht möglich gewesen.“

Seit Ende Oktober arbeiten RSF und ARIJ gemeinsam daran, den dringendsten Bedarf der Medienschaffenden zu bestimmen und zu decken. Viele von ihnen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen, häufig fehlen die nötigsten Mittel zum Überleben, geschweige denn zum Arbeiten. Für Medien gibt es kaum sichere Orte. Nach RSF-Informationen wurden im Gazastreifen seit Kriegsbeginn mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten getötet, mindestens 22 von ihnen im direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Dutzende wurden verletzt. RSF prüft jeden einzelnen Fall. Zudem wurden etwa 50 Büros und Redaktionen durch die Bombardierungen zerstört.

„Vor allem palästinensische Journalistinnen und Journalisten sind unser Fenster nach Gaza“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Deshalb ist es wichtig, dass sie vor Ort weiterarbeiten können, so gut und so sicher es geht. Dazu müssen sich aber die Bedingungen ändern: Die Journalistinnen und Reporter brauchen verlässliche Schutzzonen und die Gewissheit, dass alle Parteien das humanitäre Völkerrecht achten, natürlich auch die Hamas. Wir fordern außerdem die Öffnung des von der israelischen Armee kontrollierten Grenzübergangs in Rafah, damit palästinensische Medienschaffende leichter hinaus und internationale Berichterstattende hineingelangen können.“

Ein „safe space“ für Frauen

Im November haben RSF und ARIJ im Süden des Gazastreifens ein Zelt aufgestellt, in dem jeweils sechs geflohene Journalistinnen unterkommen können. Der genaue Standort bleibt aus Sicherheitsgründen geheim. Zur Flucht gezwungene Journalistinnen sehen sich oft mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, es fehlt an Privatsphäre und Sicherheit.

Arbeitsbereiche und Materialien

Zudem haben RSF und ARIJ zwei Zelte aufstellen lassen, die allen Journalistinnen und Journalisten offenstehen, die einen Platz zum Arbeiten brauchen. Die Zelte sind mit Strom, Internet, Solarbatterien und Arbeitsmöbeln ausgestattet. Jedes bietet Platz für etwa 20 Menschen.

Viele Medienschaffende haben ihre Ausrüstung verloren oder sie wurde bei Luftangriffen oder während der Flucht beschädigt. RSF und ARIJ haben die Betroffenen mit Handys, Laptops, Akkus, digitale SIM-Karten (eSIMs) und Kameras unterstützt.

Dinge des alltäglichen Bedarfs

Die beiden Organisationen versorgen Journalistinnen und Journalisten, die aus ihrer gewohnten Umgebung fliehen mussten, auch mit lebenswichtigen Dingen, etwa Lebensmitteln, Winterkleidung und Unterwäsche, Matratzen und Decken sowie Zelten.

Neues Zentrum für Pressefreiheit in Beirut

RSF hat zudem am 21. März in Beirut ein Zentrum für Pressefreiheit eröffnet. Nach dem Vorbild der beiden Zentren in der Ukraine können Medienschaffende dort arbeiten, sich in physischer und digitaler Sicherheit schulen lassen, psychologische und juristische Hilfe bekommen sowie Schutzausrüstung und Erste-Hilfe-Sets ausleihen.

Für das neue Zentrum weitet RSF die seit Jahren bestehende Zusammenarbeit mit der libanesischen Samir Kassir Foundation aus, einer Stiftung, die sich für Medienfreiheit im Libanon und der gesamten arabischen Welt einsetzt. Zudem arbeitet RSF auch hier mit ARIJ zusammen. Ein weiterer Partner ist Filastiniyat, eine Organisation aus Ramallah, die sich vorrangig an Journalistinnen richtet.

In der aktuellen Situation im Gazastreifen Hilfe zu leisten, ist eine herausfordernde Aufgabe. Um die Arbeit von RSF und ARIJ für den Schutz und die Sicherheit der Medienschaffenden zu unterstützen, hat RSF eine Spendenseite eingerichtet.

Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem Beginn der israelischen Bombardierung des Gazastreifens sind nach RSF-Recherchen 26 Medienschaffende getötet worden, 22 im Gazastreifen, drei im Libanon und einer in Israel. In diesen Fällen konnte RSF mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass ihr Tod direkt mit ihrer journalistischen Arbeit zusammenhing. RSF kommuniziert deshalb vorrangig diese Zahl. Insgesamt sind 107 Medienschaffende getötet worden, 100 im Gazastreifen, vier in Israel und drei im Libanon. Zu all diesen Fällen recherchiert RSF weiter.

RSF hat am 31. Oktober beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Strafanzeige eingereicht, damit dieser mögliche Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende im Gazastreifen und Israel untersucht. Eine zweite Strafanzeige reichte RSF am 22. Dezember ein. Mittlerweile hat der IStGH mitgeteilt, dass er aufgrund der RSF-Strafanzeigen auch Verbrechen an Journalistinnen und Journalisten in seine Ermittlungen mit aufnimmt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegen die palästinensischen Gebiete auf Platz 156 von 180.

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Pressemitteilungen Thu, 21 Mar 2024 15:00:00 +0100
Morde an Journalisten endlich aufklären Journalistinnen und Journalisten werden ermordet, aber die Verantwortlichen bleiben straffrei: Die Philippinen blicken auf eine katastrophale Bilanz der Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende. Vor dem Staatsbesuch des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. in Berlin am Dienstag fordert daher ein Bündnis aus drei Pressefreiheitsorganisationen Bundeskanzler Olaf Scholz auf, das Thema in seinen Gesprächen zu priorisieren.

Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen (RSF), dem Committee to Protect Journalists (CPJ) und Free Press Unlimited (FPU) darf Scholz die Pressefreiheit nicht hintenanstellen. Der Bundeskanzler sollte insbesondere den Fall des 2011 ermordeten Radiojournalisten Gerry Ortega ansprechen. Die Organisationen erinnern dabei an die besondere Verantwortung Deutschlands: Das Land hat 2024 den Co-Vorsitz der Media Freedom Coalition übernommen. Dieser Zusammenschluss von 50 Staaten setzt sich für Pressefreiheit im In- und Ausland ein.

Vor rund zwei Wochen waren Mitglieder des Bündnisses in Manila, um den Behörden neue und belastbare Informationen über den Aufenthaltsort von Joel T. Reyes zu liefern. Der ehemalige Gouverneur der Provinz Palawan gilt als mutmaßlicher Drahtzieher des Mordes vor 13 Jahren. Trotz eines Haftbefehls ist er weiterhin auf freiem Fuß.

„Dass der mutmaßliche Drahtzieher eines Journalistenmordes trotz Haftbefehls straffrei bleibt, ist ein beunruhigendes Signal für die Pressefreiheit auf den Philippinen“, erklärte das Bündnis. „Bundeskanzler Scholz muss sich in seinen Gesprächen mit Präsident Marcos Jr. für den Schutz der Medien als Grundpfeiler der Demokratie und für Gerechtigkeit im Fall Gerry Ortega einsetzen.“

Ortega war ein bekannter Radiojournalist auf der Insel Palawan, der auf Umweltthemen spezialisiert war. Vor seiner Ermordung hatte er über Korruption in der Regierung des ehemaligen Gouverneurs Reyes berichtet.

Die drei Organisationen untersuchen den Fall im Rahmen ihrer Initiative „A Safer World For The Truth“ seit 2020. Trotz erdrückender Beweise gegen Reyes als mutmaßlichen Drahtzieher konnte er sich bis heute der Verhaftung entziehen.

Der Fall steht sinnbildlich für die andauernde Straflosigkeit nach Morden an Journalistinnen und Journalisten auf den Philippinen. Laut CPJ wurden in dem südostasiatischen Land seit 1992 insgesamt 96 Medienschaffende im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF stehen die Philippinen auf Platz 132 von 180 Staaten, auf dem Global Impunity Index von CPJ belegt das Land Platz acht.

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Pressemitteilungen Mon, 11 Mar 2024 17:20:00 +0100
Immer längere Haftstrafen für Journalistinnen Das Schicksal von Maryna Zolatava steht beispielhaft für viele Frauen, die für ihren Mut einen hohen Preis bezahlen: Die belarussische Journalistin wurde zu zwölf Jahren Straflager verurteilt. Das Strafmaß gilt als unverhohlene Rache des Lukaschenko-Regimes – dafür, dass Zolatava und ihre Redaktion unerschrocken über die Proteste gegen die Regierung berichtet hatten. Die studierte Philologin ist Mutter von zwei Kindern und begeisterte Läuferin, die zum Halbmarathon antrat. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war sie Chefredakteurin von Tut.by, der wichtigsten unabhängigen Stimme des Landes. Sie stellte unangenehme Fragen und berichtete auch über die furchtbaren Haftbedingungen der politischen Gefangenen. Nun muss sie selber unter diesen Umständen leiden.

Denn obwohl Journalistinnen nur 13 Prozent der weltweit inhaftierten Medienschaffenden ausmachen – aktuell sind 69 Frauen und 474 Männer aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit im Gefängnis – haben sie fünf der neun längsten Strafen erhalten, die seit Januar 2023 gegen Reporterinnen oder Reporter verhängt wurden. Zum Weltfrauentag am 8. März erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an diese mutigen Frauen, die für ihren Kampf für die Pressefreiheit zu zehn Jahren Gefängnis bis hin zu lebenslanger Haft unter unmenschlichen Bedingungen verurteilt wurden.

„Mit ihrer Professionalität, ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit sind Journalistinnen für viele Frauen und Männer gleichermaßen zu Vorbildern geworden“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Reporter ohne Grenzen stellt sich hinter diese Reporterinnen, die in ihren Ländern über Korruption, Unterdrückung und Machtmissbrauch berichtet haben und dafür zum Teil zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Sie sind politische Gefangene. Wir rufen demokratische Regierungen dazu auf, sich konsequent und mit aller Kraft für ihre Freilassung einzusetzen.“

Im Jahr 2023 hat Reporter ohne Grenzen 140 Journalistinnen mit Stipendien unterstützt. Zu weiteren Projekten gehört ein sicherer Arbeitsraum für Journalistinnen in Gaza, Schulungen im Rahmen der Wahlberichterstattung im Senegal oder ein Workshop-Programm für mehr als 100 Journalistinnen in Indien, dem Network of Women in Media.

So unterdrücken repressive Regime Journalistinnen

Allein Belarus verurteilte 2023 drei Journalistinnen zu Haftstrafen zwischen zehn und zwölf Jahren: Maryna Zolatava, Ljudmila Tschekina und Valeria Kastiougova. Journalistinnen unabhängiger und regierungskritischer Medien waren im Kontext der Protestbewegungen nach der gefälschten Wiederwahl von Präsident Lukaschenko im August 2020 starken Repressionen ausgesetzt. Seitdem hat sich die Lage nicht verbessert, im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich die Zensur eher noch verschlimmert.

Auch aus Burundi kommen schlechte Nachrichten. Floriane Irangabiye wurde im Januar 2023 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Radiomoderatorin, die wegen „Gefährdung der inneren Sicherheit des nationalen Territoriums“ verurteilt wurde, arbeitete für Radio Igicaniro, ein Medium mit Sitz in Ruanda, das Nachrichten für Exilanten und Expatriates aus Burundi im ruandischen Exil bringt. Im Februar dieses Jahres wurde ihre Strafe in einem Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof in Burundi bestätigt.

Eine andere Region, aber ebenso schlechte Voraussetzungen für die Pressefreiheit und ihre Verteidigerinnen: Im Januar 2024 verurteilte die Junta in Myanmar die Dokumentarfilmerin Shin Daewe zu lebenslanger Haft. Seit dem Staatsstreich im Februar 2021 war noch nie eine so harte Strafe gegen Medienschaffende verhängt worden. Derzeit werden 62 weitere Reporterinnen und Reporter, darunter sieben Frauen, in Gefängnissen in Myanmar festgehalten. Das verdeutlicht das Ausmaß der Willkür und der Unnachgiebigkeit der Junta gegenüber unabhängigen Medien. Seit dem Militärputsch wurden fünf Medienschaffende in Myanmar getötet.

Eines der repressivsten Länder im Umgang mit unabhängigen Journalistinnen ist seit vielen Jahren der Iran. Seit Beginn der vor allem von Frauen getragenen Protestbewegung „Frau, Leben, Freiheit“ werden Journalistinnen vom Regime noch unnachgiebiger verfolgt. Nachdem sie über den Tod von Jina Mahsa Amini berichtet hatten, wurden die Journalistinnen Elahe Mohammadi und Nilufar Hamedi im Oktober 2023 zu drei Freiheitsstrafen von insgesamt 12 beziehungsweise 13 Jahren verurteilt, von denen sie jeweils die längste Strafe verbüßen müssen. Beide wurden zwar im Januar nach 15 Monaten vorläufig freigelassen, sind aber stark gefährdet, nach ihrem Berufungsverfahren erneut inhaftiert zu werden.

Vier weitere Journalistinnen sind im Iran noch immer inhaftiert, darunter Narges Mohammadi, Friedensnobelpreisträgerin 2023, die seit November 2021 im berüchtigten Evin-Gefängnis ist und eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. Im September 2023 veröffentlichte die Welt einen Brief der Journalistin, in dem sie über Misshandlungen, Folter und sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen durch das Gefängnispersonal berichtet. Narges Mohammadi wurde zum ersten Mal 1998 inhaftiert und saß seitdem insgesamt zehn Jahre im Gefängnis.

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Pressemitteilungen Thu, 07 Mar 2024 15:13:00 +0100
Dokumentarfilmer sofort freilassen Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die sofortige Freilassung von Chen Pinlin. Der chinesische Dokumentarfilmer ist seit Anfang Januar in Shanghai in Haft. Die Behörden werfen ihm vor, „einen Streit angefangen und Ärger provoziert“ zu haben, ein häufig genutzter, schwammiger Vorwurf gegen Kritikerinnen und Kritiker des Regimes. Chen hatte eine Dokumentation über Proteste gegen die Null-Covid-Politik Ende 2022 veröffentlicht. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

„Chen Pinlin hat über Proteste gegen das Regime berichtet und damit Informationen von öffentlichem Interesse veröffentlicht. Er hätte niemals festgenommen werden dürfen“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Die internationale Gemeinschaft, auch die Bundesregierung, muss den Druck auf Peking erhöhen und die Freilassung von Chen Pinlin und den weiteren 108 in China inhaftierten Medienschaffenden fordern.“

Chen berichtete in seiner Dokumentation über die „White Paper protests“: Ende November 2022 waren insbesondere junge Menschen in China auf die Straße gegangen, um gegen strikte Lockdowns und Null-Covid-Politik zu demonstrieren. Dabei hielten sie oft weiße, leere Blätter Papier in die Luft, um auf die Zensur aufmerksam zu machen. Einige forderten den Rücktritt von Xi Jinping.

Chens Fall wurde laut einem Bericht von Radio Free Asia am 18. Februar an die örtliche Staatsanwaltschaft in Shanghai verwiesen. „Einen Streit anfangen und Ärger provozieren“ ist neben „Spionage“ und „Umsturz“ einer von drei Vorwürfen, mit denen die Behörden häufig Medienschaffende inhaftieren. Sie sind so allgemein definiert, dass sie auf fast jede Tätigkeit angewendet werden können.

Internationale Medienschaffende recherchieren unter schwierigsten Bedingungen

Auch Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten in China stehen regelmäßig unter Druck. Sie werden überwacht und durch die Polizei behindert, sie erleben Schikanen bei der Visavergabe und ihre Interviewpartner werden eingeschüchtert. Was das in der Praxis bedeutet, zeigte Ende Februar etwa der Fall des niederländischen NOS-Korrespondenten Sjoerd den Daas.

Während einer Recherche in der Stadt Chengdu im Südwesten Chinas haben Polizisten in Zivil und Uniform den Journalisten und seinen Kameramann angegriffen. Sie stießen den Daas zu Boden und hinderten seinen Kameramann daran, zu filmen. Beide wurden zwei Stunden lang auf einer nahe gelegenen Polizeistation festgehalten.

Das chinesische Regime führt einen regelrechten Feldzug gegen die Presse- und Informationsfreiheit. Mindestens 109 Medienschaffende sitzen dort wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 179 von 180 Staaten. 

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Pressemitteilungen Thu, 07 Mar 2024 14:25:00 +0100