Länderportal

Ägypten

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 166 von 180
Ägypten 28.02.2017

Freiheit für Shawkan und andere Inhaftierte

Ägyptens Präsident Sisi und Bundeskanzlerin Merkel bei Sisis Deutschland-Besuch im Juni 2015. © picture alliance/dpa

Reporter ohne Grenzen ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich bei ihrer Ägypten-Reise Ende dieser Woche für die Freilassung inhaftierter Journalisten und für Reformen an medienfeindlichen Gesetzen einzusetzen. Unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat die Unterdrückung der Pressefreiheit in Ägypten erschreckende Ausmaße angenommen. Mindestens 25 Journalisten sitzen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, darunter der seit mehr als drei Jahren ohne Urteil inhaftierte Fotojournalist Shawkan.

„Ägypten unterdrückt kritischen Journalismus mit brachialen Methoden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Justiz muss endlich aufhören, Journalisten jahrelang ohne Urteil festzuhalten oder in grotesken Massenprozessen abzuurteilen. Bundeskanzlerin Merkel muss bei ihren Gesprächen deutlich machen, dass solche Praktiken durch nichts zu rechtfertigen sind.“

Ägypten steht auf Platz 159 von 180 Ländern auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit. Das Land zählt neben der Türkei und China zu den Staaten mit den meisten wegen ihrer Arbeit inhaftierten Journalisten weltweit. Viele Häftlinge berichten von Folter und Misshandlungen, einige erhalten trotz schwerer Erkrankungen keine angemessene medizinische Versorgung.

Fotograf Shawkan ist seit 2013 ohne Urteil in Haft

Besonders gravierend ist der Fall von Mahmud Abu Seid alias Shawkan, der als freier Fotograf unter anderem für die Agenturen Demotix und Corbis sowie für das deutsche Magazin Focus arbeitete. Er wurde am 14. August 2013 festgenommen, als er über die gewaltsame Auflösung der Protestcamps von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi berichtete. In einem Massenprozess mit mehr als 700 weiteren Angeklagten steht er seit Dezember 2015 wegen Vorwürfen wie Waffenbesitz, Teilnahme an einer illegalen Versammlung, Störung des öffentlichen Friedens, Mord und Mordversuch vor Gericht.

Obwohl Shawkan von den Folgen zeitweiliger Einzelhaft und einer Hepatis-C-Erkrankung schwer gezeichnet ist, wurde ihm eine Haftverschonung aus medizinischen Gründen bislang versagt. Die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Haft forderte vergangenen August seine sofortige Freilassung. Zuletzt wurde Shawkans Prozess vergangenen Samstag auf den 21. März vertagt. ROG fordert unter anderem mit einer Protestmail-Aktion seine Freilassung.

Abdullah al-Facharani und Samhi Mustafa wurden am 11. April 2015 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Derzeit läuft in Kairo ihr von einem Berufungsgericht angeordnetes Wiederaufnahmeverfahren. Facharani und Mustafa wurden am 25. August 2013 festgenommen. Zunächst warf man ihnen Störung des öffentlichen Friedens vor, später schwenkte der Generalstaatsanwalt auf den Vorwurf der Verbreitung von Chaos und falschen Informationen um.

Zudem beschuldigte er sie, an der Bildung einer „Kommandozentrale“ beteiligt gewesen zu sein. Deren Ziel sei es gewesen, falsche Nachrichten und manipulierte Bilder im Ausland zu verbreiten, um die Regierung zu destabilisieren und die Muslimbruderschaft zurück an die Macht zu bringen.

Die beiden Journalisten gehören zu den führenden Köpfen des Bürgerjournalimus-Projekts Rassd. Sie wurden in der Vergangenheit auch von der Deutsche Welle Akademie trainiert, und Facharani besuchte im Sommer 2012 im Rahmen einer „Blogger-Tour“ des Auswärtigen Amts Deutschland. Beide haben über Misshandlungen in Polizeigewahrsam berichtet, ihr Prozess war von schweren Verfahrensmängeln gekennzeichnet. Sie wurden in einem Massenverfahren mit insgesamt 51 Angeklagten abgeurteilt, darunter der Anführer der Muslimbruderschaft Mohammad Badie und weitere ranghohe Vertreter der Organisation. Die Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats zu willkürlichen Verhaftungen stuft auch ihre Haft als willkürlich ein und hat ihre sofortige Freilassung gefordert.

Führung des Journalistenverbands zu Haftstrafen verurteilt

Drei führende Köpfe des Ägyptischen Journalistenverbands wurden am 19. November zu jeweils zwei Jahren Haft verurteilt. Verbandspräsident Jahja Kalasch sowie die Vorstandsmitglieder Gamal Abd al-Rahim und Chaled el-Balschi sollen im vergangenen April zwei wegen einer Protestaktion gesuchten Journalisten Zuflucht vor den Behörden geboten haben. Ihr Berufungsprozess geht am 25. März weiter.

Seit Ende November 2015 ist der Investigativjournalist Ismail Alexandrani im Gefängnis, der vor allem über Jihadistengruppen auf der Sinai-Halbinsel berichte hat. Die Behörden werfen ihm vor, er habe falsche Informationen verbreitet und sei ein Mitglied der verbotenen Muslimbruderschaft. Obwohl ein Richter am 20. November 2016 seine Freilassung unter Auflagen anordnete, ist er weiterhin in Haft: Das Gericht folgte gab der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen die Freilassung statt. Die Untersuchungshaft wurde zuletzt am 12. Februar für weitere 45 Tage verlängert.

Gesetz sieht staatlich kontrollierten Medienrat vor

Auch neue Gesetze engen den Spielraum für unabhängigen Journalismus in Ägypten immer weiter ein. Im Dezember 2016 verabschiedete das Parlament ein Mediengesetz, das die Gründung eines vom Präsidenten ernannten Medienrats vorsieht. Dieser soll unter anderem die Finanzierung von Medienunternehmen untersuchen, Verstöße gegen die "nationale Sicherheit" ahnden und das Recht der Bürger auf "freie und wahrhaftige" Berichterstattung schützen.

Ein Anti-Terror-Gesetz von August 2015 sieht hohe Geldstrafen für Journalisten vor, die in ihren Berichten über Anschläge und andere Aktivitäten von Extremisten von offiziellen Angaben wie der Zahl der Anschlagsopfer abweichen.



nach oben