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Armenien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 49 von 180
Aserbaidschan / Armenien 05.04.2023

Medien Zugang zu Berg-Karabach ermöglichen

Ein einfach, leerer Grenzübergang in einer kargen Landschaft vor dem nur wenige Fahrzeuge warten. Im Hintergrund ist eine Bergkette sichtbar.
Der Latschin-Korridor © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Gilles Bader

Im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan droht die umstrittene Region Berg-Karabach zum schwarzen Loch in der Berichterstattung zu werden. Unabhängige Medienschaffende gelangen nicht mehr in das Gebiet, deren einziger Zugang seit fast vier Monaten von aserbaidschanischen Protestierenden blockiert wird. Auch das in Berlin ansässige Exilmedium Mikroskop Media, das kritisch über das aserbaidschanische Regime unter Präsident Ilcham Alijew und den Konflikt mit Armenien berichtet, erhält Drohungen.

„Seit Beginn der Blockade erhält die Weltöffentlichkeit kaum noch unabhängige Informationen aus erster Hand aus Berg-Karabach“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die aserbaidschanische Seite muss dafür sorgen, dass Reporterinnen und Reporter frei in der Region recherchieren und von dort berichten können.“

Der Latschin-Korridor, die einzige Zufahrtsstraße nach Berg-Karabach, wird seit dem 12. Dezember 2022 von aserbaidschanischen Protestierenden blockiert. Die mehrheitlich armenische Bevölkerung der separatistischen Region ist dadurch unter anderem von Lebensmittellieferungen und der Versorgung mit Medikamenten abgeschnitten. Die Protestierenden wollen angeblich Arbeiten an einer Mine verhindern, es wird jedoch davon ausgegangen, dass sie vom aserbaidschanischen Regime unterstützt werden. Im Februar forderte der Internationale Gerichtshof Aserbaidschan auf, die Blockade aufzuheben und so eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Kein Zutritt für unabhängige Medien

Seit der Latschin-Korridor blockiert ist, dürfen ausschließlich Medienschaffende, die für staatliche oder regierungsnahe Medien in Aserbaidschan arbeiten, über die vermeintlich im Namen des Umweltschutzes Protestierenden berichten. Reporter und Reporterinnen der wenigen unabhängigen lokalen Medien werden nicht durch die Kontrollpunkte gelassen.

Auf armenischer Seite haben unabhängige Medien keinen Zugang zum Latschin-Korridor oder nach Berg-Karabach. Sie sind auf Fotos und Videos angewiesen, die von aserbaidschanischen Staatsmedien und dem lokalen Fernsehsender in Berg-Karabach zur Verfügung gestellt werden, sowie auf Aussagen von Einwohnerinnen und Einwohnern, die sich oft nicht überprüfen lassen. Nur wenige Medien haben Korrespondentinnen und Korrespondenten in der Region. Die armenische Nachrichtenseite Civilnet ist das einzige unabhängige Medienunternehmen mit einem Büro in Stepanakert, der Hauptstadt der Enklave, und beschäftigt vier Redaktionsmitglieder.

Dreiste Lüge im Staatsfernsehen

Auch ausländischen Medien gelingt es kaum, an ungefilterte Informationen aus erster Hand zu gelangen. Die wenigen Journalistinnen und Journalisten, die zu dem Posten eskortiert wurden, der den Latschin-Korridor blockiert, konnten nicht frei berichten. Ende Februar recherchierte David López Frías, ein Reporter der spanischen Zeitung El Periódico de España, in Aserbaidschan. Er verbrachte einen Abend auf der Straße nach Latschin, ständig begleitet von einer Eskorte der staatlichen aserbaidschanischen Global Media Group. Diese ermöglichte ihm bereitwillig Interviews mit den Protestierenden, nicht aber mit russischen Friedenstruppen. Ebenfalls nicht sprechen durfte er mit Menschen armenischer Herkunft auf der anderen Seite der Kontrollpunkte.

Nach López‘ Recherchereise veröffentlichte die staatliche aserbaidschanische Nachrichtenagentur Azertac ein Interview mit dem Journalisten in mehreren Sprachen, in dem sie ihn grob falsch zitierte und ihm folgende Worte in den Mund legte: „Fahrzeuge können hier ohne Probleme passieren. Man sieht nur Menschen, die für den Schutz der Natur demonstrieren.“ Im Gespräch mit RSF erklärte López, genau das Gegenteil gesagt zu haben. „Ich habe eindeutig eine blockierte Straße gesehen“, so der Journalist.

Drohungen gegen Exil-Medium in Berlin

Das in Berlin ansässige aserbaidschanische Exil-Medium Mikroskop Media veröffentlichte im Januar eine detaillierte Recherche, die aufdeckte, dass viele der im Latschin-Korridor protestierenden NGOs gar nichts mit dem Thema Umweltschutz zu tun haben und wurde daraufhin zur Zielscheibe einer Schmutzkampagne im staatlichen Fernsehen Aserbaidschans. Auch als Mikroskop Media Anfang März über den neuen Report der Organisation Freedom House berichtete, in dem Aserbaidschan als unfreies Land bezeichnet wird, tauchten in den Social-Media-Kanälen des Mediums massenhaft regimefreundliche Kommentare auf. Der Druck auf die Redaktion, die seit 2018 aus dem Ausland über die Situation in Aserbaidschan berichtet, nimmt laut Chefredakteurin Fatima Karimova zu.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Platz 154 und Armenien auf Platz 51 von 180 Staaten.

 

 

 

 

 

 



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