Als Journalist in einem autoritären Staat

So nehmen deutsche Korrespondenten in China das System aus Unterdrückung, Druck und Zensur wahr.

Christine Adelhardt ©NDR/Klaus Westermann

In und aus China zu berichten, war noch nie einfach. Aber in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Es gibt Tabu-Themen wie die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Tienanmen-Platz 1989 oder die Situation in Tibet. Als ich über Selbstverbrennungen tibetischer Mönche berichtete, beschwerten sich die Behörden bei meinem Vorgesetzten in Deutschland. Bei anderen Themen weiß man nie genau, wie weit man gehen kann. Wir haben kürzlich in einem Dorf zu illegalen Landenteignungen recherchiert. Als ein Kollege wenig später an diesen Ort fahren wollte, wurde er von angeheuerten Schlägern daran gehindert. Er wurde bedroht und seine Ausrüstung demoliert. Was heute erlaubt ist, kann morgen schon verboten sein. Dabei gibt es auch etliche kritische Journalisten in China. Sie schreiben für kleinere Zeitungen oder im Internet. In sozialen Netzwerken diskutieren Tausende über Korruption oder das Versagen der Behörden. Nicht jede Kritik ist verboten – aber wie viel Kritik erlaubt ist, bestimmt die Partei.

Janis Vougioukas ©privat

Zensur in China ist eine Grauzone und das ganz bewusst. Manchmal können sich Medien und bestimmte Journalisten erstaunlich kritische Stücke und sogar Aufrufe zur Demokratisierung erlauben. Dann plötzlich werden ganze Mikroblogs gelöscht, weil ihre Besitzer kritische Kommentare über das chinesische Weltraumprogramm veröffentlicht haben. Die Unsicherheit hat System, dadurch zensieren sich die Medien selbst. Wir Auslandskorrespondenten genießen in unserer Arbeit Freiheiten, von denen viele Chinesen nur träumen können. Ich habe großen Respekt vor chinesischen Journalisten, die mit ihren Beiträgen oft große persönliche Risiken eingehen. Kritische Journalisten werden in China immer noch für ihre Worte entlassen, verprügelt und eingesperrt.

Polizei und Staatssicherheit behindern unsere Arbeit und drohen unverhohlen damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über „sensible“ Themen berichten. Gesprächspartner werden weggesperrt oder unter Druck gesetzt, nicht mit uns zu reden. Unsere chinesischen Mitarbeiter werden von der Staatssicherheit aufgefordert, uns auszuspionieren. Sie werden davor gewarnt, sich mit kritischen Themen zu beschäftigen. Viele Regionen sind für ausländische Journalisten gesperrt. Dazu zählen nicht nur Tibet, sondern auch von Tibetern besiedelte Gebiete in den Provinzen Sichuan, Gansu und Qinghai sowie Teile der Autonomen Region Xinjiang, wo die Minderheit der Uiguren lebt. Von dort können wir oft nur unter erheblichem Risiko für unsere Mitarbeiter und Gesprächspartner berichten

Als ich im Vorstand des Klub der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) aktiv wurde, warnten mich die Behörden: Ich hätte eine Akkreditierung, um als Journalist zu arbeiten und nicht, um Ämter zu bekleiden. Wir dokumentieren Fälle, in denen Journalisten an ihrer Arbeit gehindert oder eingeschüchtert werden. Seit uns „sehr ernste Konsequenzen“ angedroht wurden, veröffentlichen wir diese Fälle nicht mehr auf unserer Internetseite. Die Regierung droht immer wieder damit, den Klub zu schließen. Die Arbeitsbedingungen für ausländische Korrespondenten in China sind heute besser, als sie es vor zehn Jahren waren, aber sie sind deutlich schlechter als während der Olympischen Spiele 2008. Lokale Beamte verwehren Reportern Zutritt zu bestimmten Orten und schüchtern Gesprächspartner ein. Auslandskorrespondenten müssen lange auf ihre Visa warten – besonders diejenigen, die kritisch berichten. 

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