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Frankreich

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 24 von 180
Frankreich 04.12.2020

Sicherheitsgesetz: Artikel 24 streichen

Demonstrierende halten Schilder hoch
Demonstration gegen das Sicherheitsgesetz © picture alliance / abaca / Cezard Gabrielle / BePress/ABACA

Nachdem das sogenannte globale Sicherheitsgesetz in Frankreich von der Nationalversammlung verabschiedet wurde, soll es im Januar dem Senat vorgelegt werden. Reporter ohne Grenzen fordert weiterhin die Entfernung des umstrittenen Artikels 24, der das Veröffentlichen von Fotos oder Videos von Polizeikräften in böswilliger Absicht unter Strafe stellen soll. Nach wochenlangen Demonstrationen kündigte die Regierungspartei La République en Marche (LREM) am Montag (30.11.) an, den Artikel auf den Prüfstand zu stellen. Zehntausende hatten in den vergangenen zwei Wochen gegen den Artikel sowie gegen Polizeigewalt demonstriert, darunter Journalistengewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen wie RSF.

„Die Ankündigung, Artikel 24 zu überarbeiten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es darf jetzt nicht bei Modifikationen bleiben – der Artikel muss ersatzlos gestrichen werden“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Zudem ist das grundlegende Problem der Polizeigewalt aktuell wie nie. Die Regierung Macron muss konkrete Maßnahmen ergreifen, um das gewaltsame Vorgehen von Polizeikräften gegen Berichterstattende auf Demonstrationen zu beenden.“

RSF war auf den Massendemonstrationen mehrfach präsent, um eine Streichung des Artikels 24 und ein Ende der Polizeigewalt zu fordern. Vergangene Woche brachte RSF-Generalsekretär Christophe Deloire zudem die zentralen Kritikpunkte in einem Treffen mit Premierminister Jean Castex zur Sprache, bei dem auch mehrere andere Vertreterinnen und Vertreter von Journalistenorganisationen anwesend waren.

In der jetzigen Form mehrfache Gefährdung der Pressefreiheit

Der umstrittene Artikel 24 des Gesetzes würde es in der bisherigen Form Journalistinnen und Journalisten, Medien und anderen Personen verbieten, Fotos oder Videos von Polizeikräften zu veröffentlichen, um „ihre körperliche oder geistige Unversehrtheit zu beeinträchtigen“.

Während RSF anerkennt, dass Polizistinnen und Polizisten in Frankreich vor Gewalt und Hetze geschützt werden müssen, hat die Organisation in dem bislang diskutierten Entwurf eine Reihe von Punkten ausgemacht, die die Pressefreiheit empfindlich einschränken würden und deshalb eine komplette Neufassung des Artikels verlangen. Das Risiko einer Verurteilung von Medienschaffenden zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe wäre dem bisherigen Gesetzeswortlaut zufolge zwar begrenzt, jedoch könnte die Polizei es leicht ausnutzen, um Journalistinnen und Journalisten festzunehmen, die sie im Einsatz filmen. Auch könnten Staatsanwaltschaften im Falle einer Anzeige wegen veröffentlichter Fotos oder Videos unter Umständen zu harten Maßnahmen greifen – darunter die Durchsuchung der Wohnung oder des Büros der Medienschaffenden sowie die Überprüfung ihrer E-Mails und Social-Media-Konten, um polizeikritisches Material zu finden, aus dem die Absicht abgeleitet werden könnte, Polizeikräften Schaden zuzufügen.

All dies könnte zu Selbstzensur von Berichterstattenden auf Demonstrationen führen. Dies ist umso gravierender, als Frankreich ein ernsthaftes Problem mit Polizeigewalt hat und die Fälle meist nur bekannt werden, wenn Medien darüber berichten. Auch Medienschaffende waren in den vergangenen Jahren dutzendfach von dieser Gewalt betroffen, zuletzt am vergangenen Wochenende während der letzten Demonstration gegen das Sicherheitsgesetz: Der freiberufliche Fotograf Ameer al Halbi, der für AFP und das Magazin Polka arbeitet, wurde mit einem Schlagstock geschlagen und schwer im Gesicht verletzt, obwohl er als Journalist erkennbar war. RSF wird in Abstimmung mit Ameer al Halbi Anzeige erstatten.

RSF erstattet Anzeige wegen Polizeigewalt gegen Medienschaffende

Am 23. November setzte die Polizei bei der gewaltsamen Räumung eines Zeltlagers von Geflüchteten im Zentrum von Paris teils massive Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, ihre Unterstützerinnen und Unterstützer, aber auch gegen Berichterstattende ein. RSF hat wegen der völlig ungerechtfertigten Polizeigewalt gegen die Medienschaffenden vor Ort vor wenigen Tagen gegen den Präfekten der Pariser Polizei, Didier Lallement, Anzeige erstattet. Darin fordert RSF eine Untersuchung des Einsatzes von Gewalt gegen Journalisten. Ziel ist, herauszufinden, inwiefern Lallement persönlich verantwortlich für das Verhalten der Beamten ist und welche Anweisungen er am 23. November in Bezug auf die Sicherheit von Medienschaffenden gegeben hat.

Rémy Buisine, ein Reporter der Nachrichten-Website Brut, wurde während der Räumung am 23. November dreimal von demselben Polizisten angegriffen. Er packte Buisine am Hals, warf ihn zu Boden und trat den am Boden Liegenden. Andere Polizisten, bei denen Buisine sich beschwerte, reagierten ihm zufolge sinngemäß mit der Aussage: „Aller guten Dringe sind drei.“ Der freiberufliche Fotograf Guillaume Herbaut, der eine deutlich sichtbare „Presse“-Armbinde trug, folgte einer Gruppe von Polizisten in einer Entfernung von 30 Metern, als einer von ihnen eine explodierende Gummigeschoss-Granate auf Herbauts Füße abfeuerte. Herbaut erlitt einen Tinnitus. Ein anderer Polizist schlug Florent Bardos, Fotograf der Agentur Hans Lucas, mit seinem Schlagstock auf den Kopf, obwohl Bardos eindeutig als Journalist erkennbar war und sich außerhalb des Gebiets befand, in dem die Polizei versuchte, die Migranten einzukesseln. Am Kopf blutend, konnte Bardos seine Arbeit nicht fortsetzen.

Bereits im Dezember 2019 hatte RSF bei der Pariser Staatsanwaltschaft gemeinsam mit 13 Medienschaffenden Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Journalistinnen und Journalisten waren zwischen November 2018 und Mai 2019 bei ihrer Berichterstattung über die „Gelbwesten“-Proteste Opfer von Polizeigewalt geworden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Frankreich auf Platz 34 von 180 Staaten.



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