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Vereinigtes Königreich

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 26 von 180
Solidaritäts-Pressekonferenz 31.01.2022

Der Fall Assange betrifft uns alle

Demonstranten vor dem Gericht, in dem der Fall Assange verhandelt wird. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alastair Grant
Demonstranten vor dem Gericht, in dem der Fall Assange verhandelt wird. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alastair Grant

Führende Journalisten- und Pressefreiheitsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz fordern gemeinsam die sofortige Freilassung des Wikileaks-Gründers Julian Assange aus seiner Haft in Großbritannien und seine Nichtauslieferung an die USA. Reporter ohne Grenzen, der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di und Netzwerk Recherche haben am Montag (31.01.) in Berlin in einer Solidaritäts-Pressekonferenz an die deutsche Bundesregierung appelliert, dass diese die Tragweite des Falls anerkennt und sich dafür einsetzt, dass Julian Assange unverzüglich freikommt. Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich deshalb bei seinem am 07.02. anstehenden Besuch bei US-Präsident Joe Biden in Washington mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die USA die Anklage gegen Assange fallenlassen. Der Österreichische Journalist*innen Club und der Club Suisse de la Presse/Geneva Press Club erklärten per Video zugeschaltet ihre Solidarität und appellierten an ihre jeweiligen Regierungen, sich ebenfalls für Assange einzusetzen.

Der Fall Julian Assange hat Auswirkungen auf die Pressefreiheit weltweit, auch in Deutschland. Die USA verfolgen den Wikileaks-Gründer mit unnachgiebiger Härte; laut Anklage nach dem US-Spionagegesetz drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. In Großbritannien harrt er bereits seit mehr als 1000 Tagen ohne Verurteilung in Einzelhaft in einem Hochsicherheitsgefängnis aus. Sein einziges „Verbrechen“: Er hat Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der USA aufgedeckt. Dass er für diese Beiträge zu journalistischer Berichterstattung von größtem öffentlichen Interesse verfolgt wird, ist ein gefährliches Vorzeichen für Journalist*innen und Whistleblower*innen überall auf der Welt. Ein Londoner Gericht hat zwar am 24.01. dem Berufungsantrag von Assanges Anwälten zugestimmt und die Entscheidung darüber, ob eine Auslieferung an die USA rechtmäßig wäre, an den britischen Supreme Court verwiesen. Doch dies ist kein Grund zur Erleichterung, denn unabhängig davon, wie die nächsten Entscheidungen ausfallen, ist die Zeit der Unsicherheit noch nicht vorbei und Assange wird noch Monate, wenn nicht Jahre in Haft zubringen.

„Das Verhalten Großbritanniens im Fall Assange ist eines Rechtsstaats nicht würdig. Über zwei Jahre konnten wir immer wieder im Gericht beobachten, dass das Verfahren nichts als eine politisch motivierte Farce ist. Die einzige Hoffnung auf eine Freilassung in absehbarer Zeit ist, dass die USA das Verfahren einstellen. Deshalb muss Bundeskanzler Scholz nächste Woche bei US-Präsident Biden darauf dringen, dass die Anklage fallengelassen wird. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung einer ‚wertebasierten Außenpolitik‘ verschrieben. Das schließt mit ein, verbündete Regierungen wie Großbritannien und die USA zu kritisieren. Es ist überfällig, dass sich die neue Bundesregierung klarer positioniert als die Regierung Merkel“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF).


„Mit dem Verfahren gegen Julian Assange wird ein verheerendes Signal an Journalisten und Whistleblower weltweit gesendet. Diese Menschen nehmen hohe persönliche Risiken auf sich, um wichtige Informationen zu veröffentlichen. Dafür gebühren ihnen statt Verfolgung und Haft Solidarität, Dankbarkeit und Schutz - vor allem Julian Assange. Er gehört unverzüglich freigelassen. Die deutsche und die internationale Politik muss endlich ihre Versprechen umsetzen, um Journalistinnen und Whistleblower effektiv zu abzusichern“, sagte Frank Überall, Bundesvorsitzender des deutschen Journalisten-Verbands (DJV).

„Der Umgang mit Julian Assange ist absolut unvereinbar mit demokratischen Werten, der Menschenwürde, fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien. Und die Tragweite dieses Skandals geht über den konkreten Fall des Wikileaks-Gründers hinaus. Sollte es zu einer Auslieferung und Verurteilung kommen, würden Regierungen und Unternehmen, die schon jetzt in immer mehr Staaten auf der ganzen Welt gegen unabhängige Medien vorgehen, in ihren Bestrebungen bestärkt, Menschenrechte wie die Pressefreiheit auszuhöhlen. Wer sich glaubwürdig für demokratische Werte und Prinzipien einsetzen will, muss sich auch mit Julian Assange solidarisieren und seine sofortige Freilassung fordern. Das gilt auch für die neue Bundesregierung", sagte Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di.

„Immer häufiger arbeiten Reporterinnen und Reporter in internationalen Kooperationen, immer häufiger geht es um die Veröffentlichung großer Datenpakete. Eine Auslieferung und Verurteilung von Assange wäre eine reale Gefahr für die Pressefreiheit – auch für deutsche Journalistinnen und Journalisten. Wir fordern die Bundesregierung auf, alles daran zu setzen, eine Auslieferung zu verhindern“, sagte Günter Bartsch, Geschäftsführer von Netzwerk Recherche. 

Per Video zugeschaltet wurden Fred Turnheim, der ehemalige Präsident des Österreichischen Journalist*innen Clubs, sowie Pierre Ruetschi, Geschäftsführer des Clubs Suisse de la Presse/Geneva Press Club. Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, der bereits im Februar 2020 einen überparteilichen Aufruf zur Freilassung von Julian Assange initiiert hatte, meldete sich mit einem Videostatement zu Wort. Die heutige Pressekonferenz geht auf eine Initiative des Journalisten Okan Bellikli zurück.

Ein Mitschnitt des Livestreams der Pressekonferenz ist hier zu sehen.



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