Länderportal

Malediven

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 100 von 180
Malediven 03.03.2016

Drohungen und Gewalt gegen Journalisten

Der seit 2014 vermisste Journalist Ahmed Rilwan. © Friends of Ahmed Rilwan (findmoyameehaa.com)

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die Repressionen gegen Journalisten und Medien auf den Malediven, dem diesjährigen Partnerland der Tourismus-Messe ITB Berlin. Journalisten, die heikle Themen aufgreifen, müssen in dem südasiatischen Inselstaat mit Festnahmen, Drohungen und Gewalt rechnen. Besonders gefährlich für ihre Verfasser sind kritische Berichte über die Regierung, über den grassierenden religiösen Extremismus oder über Umweltprobleme. Auch ausländische Journalisten werden schikaniert, darunter kürzlich ein Team des ARD-Fernsehens

„Die häufigen Drohungen und Gewalttaten gegen Journalisten auf den Malediven zielen klar darauf ab, unerwünschte Berichterstattung zu verhindern“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Besonders erschreckend ist, dass so oft politische Parteien und Regierungsvertreter in Verbindung mit Angriffen auf Journalisten gebracht werden.“

Kriminelle Banden verbreiten auf den Malediven ein Klima der Angst und pflegen enge Verbindungen zu politischen Parteien. Immer wieder bedienen sich die Parteien solcher Banden, um unbequeme Journalisten und andere Kritiker zu drangsalieren.

In einer 2014 veröffentlichten Untersuchung der Rundfunkaufsichtsbehörde Maldives Broadcasting Commission gaben 84 Prozent der befragten Journalisten an, sie seien mindestens einmal bedroht worden; fünf Prozent berichteten von täglichen Drohungen. Als wichtigste Urheber der Drohungen nannten sie politische Parteien, gefolgt von kriminellen Banden, religiösen Extremisten sowie Parlament und Regierung.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen haben sich die Malediven binnen fünf Jahren um 60 Plätze verschlechtert und stehen derzeit auf Platz 112 von 180 Ländern.

Journalist seit August 2014 verschwunden, Hintergründe unklar

Besonders gravierend ist der Fall von Ahmed Rilwan, einem Journalisten der unabhängigen Online-Zeitung Minivan News (inzwischen Maldives Independent), der vor allem über Religionsthemen, Politik und Umweltfragen schrieb. Seit dem 8. August 2014 ist Rilwan verschwunden. Vier Tage zuvor hatte er auf Minivan News darüber geschrieben, dass 15 Journalisten unterschiedlicher Medien per SMS mit dem Tode bedroht und aufgefordert wurden, nicht über eine Welle der Gewalt krimineller Banden zu berichten.

Im September 2014 nahm die Polizei drei Verdächtige fest, ließ sie aber bald ohne Anklage wieder frei. Seitdem haben die Ermittlungen keine wesentlichen Fortschritte gemacht. Stattdessen versuchte die Polizei, Rilwans Familie und Unterstützer einzuschüchtern, und verhinderte vergangenen Juli eine Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen. Eine Untersuchung im Auftrag des Maldives Democracy Network kam zu dem Schluss, Rilwan sei wahrscheinlich von einer kriminellen, womöglich religiös motivierten Bande entführt worden. Drei Tage nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts rammte ein mutmaßlicher Bandenchef eine Machete in die Tür der Minivan-News-Redaktion.

Im August 2015 rief Reporter ohne Grenzen wegen der mangelnden Fortschritte im Fall Rilwan die beiden UN-Arbeitsgruppen zu willkürlicher Haft sowie zu gewaltsamem oder unfreiwilligem Verschwindenlassen an. Nach öffentlichem Druck der Familie Rilwans forderte Präsident Abdulla Yameen das Innenministerium Ende 2015 auf, alles in der Macht der Regierung Stehende zu tun, um den Fall aufzuklären

Berichte über religiösen Extremismus unerwünscht

Dass die Regierung journalistische Recherchen über religiösen Extremismus nicht gerne sieht, erlebten im vergangenen Dezember ARD-Fernsehkorrespondent Thomas Spieker und sein Kamerateam. Trotz Akkreditierung stoppte die Polizei sie mitten in einem Interview, verhörte sie stundenlang und schob sie schließlich ab. Zudem wurden Spieker und sein Team mit einem zehnjährigen Einreiseverbot belegt.

Im Oktober 2013 drangen sechs Maskierte gewaltsam in den Sitz des beliebten Oppositionssenders Raajje TV ein und legten gezielt ein Feuer, das schweren Sachschaden anrichtete. Wenige Tage zuvor hatte der Sender einen Beitrag ausgestrahlt, in dem er über Drohungen gegen sich berichtete.

Im Juni 2012 überlebte Ismail Hilath Rasheed nur knapp einen Mordversuch. Der als Verfechter religiöser Toleranz bekannte freie Journalist und Blogger war zuvor wiederholt zensiert, festgenommen und bedroht worden. Monatelange Drohungen und Angriffe – in einem Fall von Männern, die mit einem Stahlträger bewaffnet waren – musste 2013 die Minivan-News-Journalistin Mariyath Mohamed erleiden, die über den wachsenden Einfluss extremistischer Islamistengruppen auf den Malediven berichtete.

Ausnahmezustand von Razzien und Hackerangriffen begleitet

Vergangenen Oktober wurde das Nachrichtenportal Addu Live durch einen Hackerangriff eine Woche lang lahmgelegt, nachdem es über ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten berichtet hatte. Der Chefredakteur des Portals berichtete außerdem von wiederholten Drohanrufen, in denen die Redaktion aufgefordert worden sei, regierungskritische Artikel und Berichte über Korruptionsvorwürfe gegen Richter zu löschen.

Anfang November 2015 verhängte Präsident Yameen kurz vor einer geplanten Massendemonstration und nach einem mutmaßlichen Putschversuch vorübergehend den Ausnahmezustand. Den privaten Fernsehsender Sangu TV forderte die Polizei zur Aussetzung seines Programms auf, nachdem sie bei einer Razzia sämtliche Computerfestplatten des Senders beschlagnahmt hatte. Hintergrund waren Anschuldigungen, der Sender habe per Internet ein Video veröffentlicht, in dem drei Maskierte Todesdrohungen gegen den Präsidenten ausstießen. Mehrere Nachrichtenwebseiten berichteten von Verbindungsproblemen, zwei wurden durch Hackerangriffe lahmgelegt. 

Schon in den Tagen vor der Ausrufung des Ausnahmezustands wurden drei Raajje-TV-Journalisten festgenommen, nachdem sie über einen Armeeeinsatz zur Entschärfung einer Autobombe in der Nähe des Präsidentenpalastes in Male berichtet hatten. Der Sender berichtete anschließend, sie seien in Polizeigewahrsam geschlagen worden. Auch die Nachrichtenwebseite Maldives Independent berichtete, einer ihrer Reporter und ein Fotograf seien verprügelt worden, als sie versuchten, über die Bombenentschärfung zu berichten.



nach oben