Pressegespräch am 18. Juni Online ICS

Funkelndes Stadion, düstere Aussichten: Pressefreiheit in Aserbaidschan

Das Fußballstadion in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.
Nationalstadion in Baku © OZAN KOSE / AFP

Dass ein Spiel einer Fußball-Europameisterschaft in Baku stattfindet, ist eine Premiere. Dass der Präsident Aserbaidschans, Ilcham Alijew, sein Image durch Sportereignisse aufpolieren will, ist jedoch eine altbekannte Strategie. Im Schatten des hochmodernen, hunderte Millionen Euro teuren Nationalstadions fährt Alijew Welle um Welle der Repression gegen kritische Journalistinnen und missliebige Blogger – und das schon seit Jahren.

Reporter ohne Grenzen (RSF) möchte anlässlich der Fußball-EM der Männer in einer Online-Podiumsdiskussion den Blick nach Baku richten, aber auch ins Exil. Unter dem Titel „Funkelndes Stadion, düstere Aussichten: Pressefreiheit in Aserbaidschan“ diskutieren

  • Khadija Imajilowa, Investigativjournalistin und Trägerin des Right Livelihood Awards,
  • Sevinc Vaqifqizi, Journalistin u.a. für Meydan TV und das Organized Crime & Corruption Reporting Project (OCCRP) und RSF-Stipendiatin, sowie
  • Silvia Stöber (tbc), Journalistin u.a. für tagesschau.de, Tagesspiegel und Neue Zürcher Zeitung.
  • Moderation: Christopher Resch, RSF-Pressereferent

Wann: am Freitag, 18. Juni 2021 von 12.30 Uhr bis 14 Uhr.

Wo: auf der Online-Plattform BigBlueButton

Die gesamte Veranstaltung findet auf Englisch (ohne Übersetzung) statt. Bitte melden Sie sich per E-Mail an event@reporter-ohne-grenzen.de an, um auf BigBlueButton an der Diskussion teilzunehmen. Sie erhalten dann rechtzeitig einen Link zum Login.

Die Veranstaltung wird zudem bei Youtube und auf den Social-Media-Kanälen von Reporter ohne Grenzen gestreamt: https://www.youtube.com/watch?v=0V658DlJRYk

Ein Arsenal der Repression gegen missliebige Medien

Sportswashing heißt die Methode, mit der sich die reichen Autokratien dieser Welt reinwaschen und Legitimität verschaffen wollen. Der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew hat diese Methode in die ohnehin sehr ausgeprägte Lobbyismus-Strategie integriert. In den vergangenen Jahren hat Baku die Europaspiele veranstaltet, zu Formel-1-Rennen geladen und 2019 das Europa-League-Finale der Fußball-Männer ausgerichtet. 2013 stieg das staatlich kontrollierte Energieunternehmen Socar bei der Uefa als Sponsor ein.

Zugleich blickt Reporter ohne Grenzen seit vielen Jahren mit Sorge nach Baku. Präsident Alijew geht unnachgiebig gegen Medienschaffende vor. Sein Arsenal der Repression reicht von massiver Propaganda über Schikanen durch Schlägertrupps bis zur Erpressung von Journalistinnen mit intimen Details. Er lässt unabhängige Online-Nachrichtenportale zensieren, Zeitungen von Geldquellen abschneiden und Medien innerhalb und außerhalb des Landes juristisch belangen. Auch im Bereich der Internetüberwachung spielt Aserbaidschan vorne mit. Die staatsnahen Troll-Armeen etwa auf Facebook sind berüchtigt.

Dass Medienschaffende selbst im Ausland nicht vor dem langen Arm des Regimes sicher sind, zeigte in aller Brutalität das Schicksal von Afgan Muchtarli. Der Journalist war 2015 nach Georgien geflohen, wurde 2017 von dort nach Aserbaidschan entführt und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Mittlerweile lebt er im Exil in Deutschland. Das Regime ist jedoch berüchtigt dafür, die Familien von exilierten Journalistinnen und Journalisten zu schikanieren.

Der jüngste erneute Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien hat die Situation für Medienschaffende noch einmal verschärft. Kritische Berichte über die Kriegshandlungen zogen wüste Attacken auf die jeweiligen Journalistinnen oder Reporter nach sich, Propaganda und Hassrede nahmen zu. Anfang Juni sind die Journalisten Siraj Abyshev und Maharram Ibrahimov ums Leben gekommen, als sie während einer Recherche auf eine Panzerabwehrmine traten.

Geplante Änderungen an aserbaidschanischen Mediengesetzen verengen den Spielraum weiter. Die Verbreitung von „Falschinformationen“ soll verboten werden. Die Podiumsdiskussion möchte der Frage nachgehen, welche Möglichkeiten die aserbaidschanischen Medien überhaupt noch haben, wenn sie nicht zu hundert Prozent auf Regierungslinie liegen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Rang 167 von 180.



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