Slowenien/Slowakei: Online-Diskussion am 27.01.2021 ICS

Populismus, Pressefreiheit und EU

Blick auf über die Schulter eines Mannes auf Zeitungen in einem Kiosk in Slowenien.
© picture alliance / dpa / Igo Kupljenik

Medien in Slowenien und der Slowakei

In Slowenien stellt ein populistischer Regierungschef die Unabhängigkeit wichtiger Medien in Frage. In der Slowakei haben die politischen Turbulenzen seit dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak die alte Machtclique hinweggefegt – und ebenfalls einen Populisten an die Regierung gebracht. Was bedeutet das für die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten in diesen Ländern und wie kann die Europäische Union dort zu mehr Pressefreiheit beitragen?

Im dritten Teil eines Themenschwerpunkts Osteuropa lädt Reporter ohne Grenzen (RSF) ein zu einer Online-Podiumsdiskussion über die Lage der Medien in Slowenien und der Slowakei. Unter dem Titel „Populismus, Pressefreiheit und EU“ diskutieren

  • Beata Balogová, Chefredakteurin der Tageszeitung SME (Slowakei) und
  • Blaž Zgaga, freier Investigativjournalist und RSF-Korrespondent (Slowenien).
  • Moderation: Christoph Dreyer, RSF-Pressereferent

Wann: am Mittwoch, 27. Januar 2021 von 18 Uhr bis 19:30 Uhr.
Wo: auf der Online-Plattform BigBlueButton und im Live-Stream auf den Social-Media-Kanälen von RSF.

Die gesamte Veranstaltung findet auf Englisch (ohne Übersetzung) statt. Bitte melden Sie sich per E-Mail an event@reporter-ohne-grenzen.de an, um auf BigBlueButton an der Diskussion teilzunehmen. Sie erhalten dann rechtzeitig einen Link zum Login.

Slowenien: Öffentlich-rechtliche Medien im Visier

In Slowenien, das am 1. Juli die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, geriert sich Janez Janša als „Mini-Trump“, seit er im vergangenen Frühjahr in das Amt des Ministerpräsidenten zurückgekehrt ist. Wie schon in der Vergangenheit beschimpft er kritische Journalisten und vor allem Journalistinnen und versucht, die redaktionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu brechen.

Zuletzt blockierte die Regierung wochenlang Gelder für Dienstleistungen der slowenischen Nachrichtenagentur STA und gab erst auf Druck der EU-Kommission nach. Janša hatte die Berichterstattung der Agentur als „nationale Schande“ bezeichnet und schon länger versucht, ihre Führung und Aufsicht unter politische Kontrolle zu bringen. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Radiotelevizija Slovenija (RTV) ließ Janša drei Aufsichtsratsmitglieder auswechseln. Zwei weitere Neubesetzungen scheiterten am erbitterten Widerstand der Opposition. In den Programmrat von RTV ließ der Regierungschef gleich sechs neue, als regierungsfreundlich geltende Mitglieder wählen.

Zugleich hat Janša auch bei RTV eine massive Kürzung der Mittel betrieben, während er regierungsnahe private Medien fördert, an denen oft Geschäftsleute aus dem Umfeld des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán beteiligt sind. Vergangenen Juli zum Beispiel verkaufte das Staatsunternehmen Telekom Slovenije seinen Anteil am Fernsehsender Planet TV an das ungarische Unternehmen TV2 Media, dessen Besitzer Verbindungen zu Orbáns Fidesz-Partei nachgesagt werden.

Ende Oktober verwahrten sich 22 Chefredakteurinnen und Chefredakteure wichtiger slowenischer Medien in einem offenen Brief gegen politischen Druck und ständige Anschuldigungen der Regierung wegen ihrer Berichterstattung in der Corona-Krise.

Slowakei: Einschüchterung und Straflosigkeit

In der Slowakei sorgte jüngst eine Nachricht von der Investigativjournalistin Monika Tódová von der Tageszeitung Denník N für Bestürzung. Sowohl an ihrem Wohnort in der Hauptstadt Bratislava als auch bei einem Aufenthalt in den Bergen wurde sie von Unbekannten mehrmals stundenlang beschattet. Das weckte beunruhigende Erinnerungen an den Fall von Ján Kuciak, der vor seiner Ermordung im Februar 2018 ebenfalls ausgeforscht worden war. Vergangenen Sommer erhielt Kuciaks Kollege Peter Sabo, der beim Nachrichtenportal Aktuality.sk über organisierte Kriminalität recherchiert, per Post eine Pistolenpatrone geschickt.

Im Kuciak-Mordprozess wurde publik, dass der korrupte, in Politik und Justiz bestens vernetzte Geschäftsmann Marian Kočner mehr als zwei Dutzend Journalistinnen und Journalisten hatte ausspähen und überwachen lassen. Knapp drei Jahre nach dem Mord an Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová sind zwar die unmittelbar Tatbeteiligten, aber nicht die Hinterleute des Verbrechens verurteilt. Im Laufe dieses Jahres will das Oberste Gericht entscheiden, ob die Freisprüche für den als Auftraggeber beschuldigten Kočner und dessen Vertraute Alena Zsuzsová Bestand haben.

Erst allmählich werden die korrupten Netzwerke in Justiz und Polizei zerschlagen, die nach dem Kuciak-Mord aufgedeckt worden waren. Der seit März 2020 regierende neue Ministerpräsident Igor Matovič hat Korruption und Vetternwirtschaft den Kampf angesagt und eine Justizreform durchgesetzt. Auf öffentliche Kritik reagiert er allerdings ungehalten. Als Journalistinnen und Journalisten ihn im vergangenen Sommer mit Plagiatsvorwürfen zu seiner Diplomarbeit konfrontierten, warf er unter anderem Mária Benedikovičová von der Zeitung Denník N vor, sie handle aus politischen Motiven böswillig und gegen nationale Interessen.

Welche Rolle kann die EU spielen?

Bei der Veranstaltung sollen diese Entwicklungen in den europäischen Kontext gestellt werden: Was kann die EU tun, um zu verhindern, dass Slowenien eine ähnliche Entwicklung nimmt wie Ungarn und Polen, wo populistische Regierungen die Pressefreiheit seit Jahren unter den Augen der europäischen Nachbarn immer weiter abbauen? Welche Rolle hat die EU für die politischen Umwälzungen in der Slowakei seit dem Kuciak-Mord gespielt? Welche Erwartungen haben Regierungen, Medienschaffende und Zivilgesellschaft in den betreffenden Ländern an den neuen  „Rechtsstaatsmechanismus“, der für die Mitgliedsländer finanzielle Konsequenzen bei systematischen Verstößen gegen EU-Grundwerte vorsieht?

Die Podiumsdiskussion ist Teil eines RSF-Themenschwerpunkts zur EUrosion der Pressefreiheit in Osteuropa. Zum Auftakt diskutierten Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Michal Kokot von der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza und Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik, wie das EU-Grundrecht auf Medienfreiheit wirksamer als bisher durchgesetzt werden kann. Eine weitere Veranstaltung thematisierte die Lage der Medien und Handlungsmöglichkeiten der EU in Polen und Ungarn.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Slowenien auf Platz 32 und die Slowakei auf Platz 33 von 180 Ländern.



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