Afghanistan 23.08.2021

G7-Gipfel: RSF für Aufschub des US-Truppenabzugs

Während einer Evakuierung aus Kabul Afghanistan laufen Menschen zu einem Flugzeug des U.S. Militärs
Evakuierungsprozess am Hamid Karzai Flughafen in Kabul, Afghanistan © picture alliance/ ASSOCIATED PRESS/ Sgt. Samuel Ruiz

Angesichts des für morgen (24. August) angesetzten virtuellen G7-Gipfels zu Afghanistan fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) einen internationalen Nothilfeplan, um gefährdete Medienschaffende und Menschenrechtsverteidigerinnen in Sicherheit bringen zu können. Der Abzug der US-Truppen, der für den 31. August anvisiert ist, muss deshalb verschoben werden.

„Aktuell scheinen die USA vornehmlich daran interessiert zu sein, ihre eigenen Staatsbürgerinnen und -bürger und ehemalige Ortskräfte zu retten“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Die USA setzen gerade ihr Bild als Verteidiger der Pressefreiheit und der Menschenrechte massiv aufs Spiel. Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden haben viele Menschen weltweit große Hoffnungen verbunden. Nun muss er zeigen, dass er die Menschenrechte nicht nur der US-Bürgerinnen und -Bürger ernst nimmt.“

Andere Staaten, darunter auch viele europäische, sind bereit, Evakuierungsflüge nach Afghanistan zu schicken, allerdings ist es aktuell fast unmöglich, afghanische Medienmitarbeitende und ihre Familien zum Flughafen zu bringen. RSF und viele andere Nichtregierungsorganisationen haben umfangreiche Listen mit gefährdeten Personen erstellt, die nun darauf warten, ausgeflogen zu werden.

Die Berliner Geschäftsstelle von Reporter ohne Grenzen hat bislang mehr als 50 afghanische Journalistinnen und Journalisten mit und ohne Bezug zu deutschen Medien zweifelsfrei als solche verifiziert. Sie und engste Familienangehörige stehen nun auf einer Liste, die dem Auswärtigen Amt übermittelt wurde. Über das Wochenende sind zudem hunderte weitere Anfragen von gefährdeten Personen eingegangen, die nun ebenfalls auf ihre Dringlichkeit geprüft werden.

Um alle gefährdeten Medienschaffenden und Menschenrechtsaktivistinnen außer Landes bringen zu können, braucht es deutlich mehr Zeit als eine Woche. RSF appelliert daher dringend an die USA, ihren vollständigen Truppenabzug zu verschieben. Teil eines internationalen Nothilfeplans müssten Mechanismen sein, die Namen auf den Listen verschiedener Organisationen aus unterschiedlichen Ländern abzugleichen und zu prüfen. Zudem müsste ein humanitärer Korridor geschaffen und gesichert werden, damit die betroffenen Personen zum Flughafen Kabul gelangen können.

Seit die Taliban fast das ganze Land eingenommen haben, sind besonders Journalistinnen gefährdet. Aber selbst die Angehörigen von Medienschaffenden sind vor den Taliban nicht sicher. Ein Verwandter eines Deutsche-Welle-Mitarbeiters, der sich bereits in Deutschland aufhält, wurde erschossen. Taliban gingen von Haus zu Haus, auf der Suche nach Medienschaffenden.

Afghanistan war schon vor der Rückeroberung durch die Taliban eines der gefährlichsten Länder der Welt für Journalistinnen und Journalisten. In diesem Jahr wurden in dem Land bereits fünf Medienschaffende in Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet. 

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan auf Platz 122 von 180 Staaten.



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