24.10.2006

In Nordkorea, Turkmenistan und Eritrea ist Pressefreiheit ein Fremdwort

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In Nordkorea, Turkmenistan und Eritrea ist Pressefreiheit ein Fremdwort; Frankreich, die USA und Japan rutschen weiter ab; Mauretanien und Haiti gewinnen an Boden.

„In den Ländern, die zu den größten Feinden der Pressefreiheit gehören, hat sich kaum etwas geändert“, stellt Reporter ohne Grenzen in ihrer fünften Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit fest. „Journalisten in Nordkorea, Eritrea, Turkmenistan, Kuba, Myanmar und China riskieren für unabhängige Recherchen und Berichte noch immer massive Drohungen, Schikanen und langjährige Haftstrafen, manchmal sogar ihr Leben. Regierungen in diesen Ländern dulden keinerlei Kritik. Medien stehen unter ihrer Kontrolle und Abweichungen von der offiziellen Linie werden unnachgiebig verfolgt.“

Doch es gibt auch positive Trends: „Jedes Jahr steigen neue Länder aus ärmeren Regionen auf und nehmen Plätze vor einigen europäischen Ländern oder den USA ein. Dies zeigt, dass auch ärmere Staaten das Recht auf Information achten können. Die Aushöhlung der Pressefreiheit in den USA, in Frankreich und in Japan ist dagegen alarmierend“, so Reporter ohne Grenzen (ROG).

Nordkorea (168.), das Schlusslicht, Turkmenistan (Platz 167) und Eritrea (Platz 166) haben ihre schlechte Stellung gehalten. Der Tod durch Folter an der turkmenischen Journalistin Ogulsapar Muradova zeigt, dass Separmurad Nyazov, Präsident auf Lebenszeit, auch Gewalt einsetzt, um unliebsame Kritiker auszuschalten.

In Eritrea werden 14 Journalisten seit mehr als fünf Jahren an einem unbekannten Ort ohne offizielle Anklage gefangen gehalten. Kim Jong-Il, Nordkoreas allmächtiger Führer, übt weiterhin die totale Kontrolle über die Medien aus.

An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor nordeuropäische Länder wie Finnland, Irland, Island und die Niederlande, die sich alle den ersten Platz teilen. Meldungen über Zensur, Bedrohungen, Einschüchterungsversuche oder Repressalien liegen nicht vor.


Die USA, Japan und Frankreich rutschen ab

Die USA (53.) hat gegenüber dem Vorjahr neun Plätze eingebüßt. Beim ersten Ranking in 2002 stand die USA noch auf Platz 17. Die Beziehungen zwischen den Medien und der Bush-Administration haben sich massiv verschlechtert, seitdem dem Präsidenten jeder Journalist verdächtig erscheint, der den „Anti-Terror-Krieg“ kritisch hinterfragt.

In mindestens 17 Bundesstaaten wird der Quellenschutz abgelehnt; dies trifft auch diejenigen, deren Recherchen nichts mit Terrorismus zu tun haben.

Der freie Journalist und Blogger Josh Wolf wurde verhaftet, nachdem er sich weigerte, Video-Aufnahmen herauszugeben. Der sudanesische Kameramann Sami al-Haj, der für den arabischen Sender „Al Dschasira“ arbeitet, wird seit Juni 2002 ohne Gerichtsverfahren in der US-Militärbasis Guantanamo festgehalten. „Associated Press“-Fotograf Bilal Hussein ist seit April dieses Jahres im Irak in US-Gewahrsam.

Frankreich (35.) rutschte im Berichtszeitraum um fünf Plätze ab, was ein Verlust von 24 Rängen in fünf Jahren bedeutet. Redaktions- und Hausdurchsuchungen haben zugenommen. Im Herbst 2005 wurden mehrere Journalisten tätlich angegriffen und bedroht.

In Japan bedrohen zunehmender Nationalismus und das System der exklusiven Presseclubs die demokratischen Standards. Das Land fiel um 14 Plätze auf Rang 51. Die Zeitung „Nihon Keizai“ wurde mit einer Brandbombe attackiert und mehrere Journalisten wurden von rechten Gewalttätern angegriffen.

Deutschland ist vom 18. auf den 23. Platz zurückgefallen. Der Bundesnachrichtendienst hat über zehn Jahre hinweg bis zum Herbst 2005 Journalisten illegal überwacht. Im Fall „Cicero“ gab es Redaktions- und Hausdurchsuchungen; das Verfahren wegen „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ gegen zwei Journalisten wurde inzwischen eingestellt. Der Zugang zu Daten ist – trotz Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes – zum Teil immer noch erschwert.


Mohammed-Karikaturen: Rangverlust für Dänemark

Dänemark (19.) verlor seinen ersten Platz. Nach Veröffentlichung der sogenannten Mohammed-Karikaturen im Herbst 2005 wurden die Autoren sowie Journalisten bedroht. Sie mussten Polizeischutz beantragen in einem Land, das für die Achtung von Bürgerrechten bekannt ist.

Jemen (149.) rutschte um vier Plätze ab nach der Verhaftung mehrerer Journalisten und der Schließung einer Zeitung, die die Mohammed-Karikaturen nachgedruckt hatte. Journalisten wurden aus dem selben Grund auch in Algerien (126.), Jordanien (109.), Indonesien (103.) und Indien (105.) schikaniert.

Außer Saudi-Arabien (161.) und dem Jemen und verbesserten sich alle Länder der arabischen Halbinsel beträchtlich. Kuwait (73.) hielt seinen Platz an der Spitze der Gruppe, kurz vor den Vereinigten Arabischen Emiraten (77.) und Katar (80.).


Newcomer rücken auf Spitzenplätze

Zwei Länder sind erstmals in die Top 20 aufgerückt. Bolivien (16.) erreichte von den ärmeren Ländern die beste Platzierung. Pressefreiheit wird dort genauso geachtet wie in Kanada oder Österreich. Die zu beobachtende Polarisierung zwischen staatlichen und privaten Medien und zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Evo Morales könnte die Situation zukünftig allerdings verschlechtern.

Seit dem Ende des Krieges in Ex-Jugoslawien schiebt sich Bosnien-Herzegowina (19.) auf der Rangliste kontinuierlich weiter vor und liegt nun vor den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland (32.) und Italien (40).

Ghana (34.) ist um 32 Plätze vorgerückt und liegt damit innerhalb Afrikas an vierter Stelle hinter den traditionellen Spitzenreitern Benin (23.), Namibia (26.) und Mauritius (32.). Die ökonomische Situation der ghanaischen Medien ist nach wie vor schwierig, aber von den Behörden droht ihnen keine Gefahr mehr.

In Panama (39.) hat die befriedete politische Situation das Entstehen von freien und starken Medien begünstigt, weshalb das Land um 27 Plätze vorgerückt ist.


Krieg als Zerstörer der Pressefreiheit

Der Libanon – dessen Medien traditionell zu den freiesten in der arabischen Welt gehören – ist innerhalb von fünf Jahren vom 56. auf den 107. Platz zurückgefallen. Die Medien des Landes leiden unter der weiterhin angespannten politischen Atmosphäre der Gesamtregion. In 2005 kam es zu einer Serie von Bombenattentaten auf Medienvertreter und in diesem Jahr zum militärischen Angriff Israels.

Die Tatsache, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (134.) außerstande ist, auf ihrem Territorium stabile Verhältnisse zu gewährleisten, und das Verhalten Israels (135.) jenseits seiner eigenen Grenzen bedeuten eine schwere Bedrohung für die Medienfreiheit im Nahen Osten.

Nachdem Sri Lanka 2002 – unter Friedensbedingungen – noch an 51. Stelle gelegen hatte, ist es nun auf Position 141, weil die Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und den Rebellentruppen der Tamil Tigers wieder voll ausgebrochen sind. Dutzende tamilischer Journalisten wurden tätlich angegriffen, nachdem beide Konfliktparteien sie der Parteilichkeit zugunsten der jeweils anderen beschuldigt hatten.

In Nepal (159.) war der Zustand der Pressefreiheit in den letzten Jahren stets vom Stand der gewaltsamen Konflikte abhängig, von denen das Land zerrissen wurde. Der Aufstand gegen die Monarchie vom April 2006 hat unmittelbar zu mehr politischen Freiheiten geführt. In der Rangliste des nächsten Jahres dürfte Nepal deshalb eine Menge Boden gut machen.


Begrüßenswerte Regimewechsel

Der Fall Haiti zeigt, dass ein Machtwechsel gut für die Pressefreiheit sein kann. Das Land hat sich nach dem Abgang des Präsidenten Jean-Bertrand Aristide zu Beginn des Jahres 2004 innerhalb von zwei Jahren vom 125. auf den 87. Platz verbessert. Morde an Journalisten sind zwar in mehreren Fällen unbestraft geblieben, aber gewaltsame Übergriffe gegen die Medien sind seltener geworden.

Togo (66.) hat 29 Plätze gut gemacht, seit Präsident Gnassingbe Eyadema im
Februar 2005 verstorben ist und sein Sohn die Macht übernommen hat. Dieser bemüht sich mit internationaler Unterstützung um einen Frieden mit der Opposition.

In Mauretanien hat der Militärputsch vom August 2005 die strenge Zensur der
lokalen Medien beendet. Damit hat sich das Land seit 2004 vom 138. Platz auf den 77. Platz verbessert – eine der größten Aufwärtsbewegungen auf der diesjährigen Rangliste.


Reporter ohne Grenzen hat für die Rangliste 166 Länder ausgewertet (die USA und Israel wurden zweimal gelistet: für das Land selber und das Vorgehen im Irak bzw. in den Palästinensischen Gebieten). Die Menschenrechtsorganisation hat sich mit 50 Fragen zur Situation in den jeweiligen Ländern an ihre Partner (14 Organisationen, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzen) ihr Korrespondenten-Netzwerk und an Journalisten, Rechercheure, Juristen und Menschenrechtler gewandt. Berücksichtigt wurde der Zeitraum von September 2005 bis Ende August 2006.

Hier finden Sie die gesamte Liste.

Erläuterungen Europa.

Erläuterungen Asien (in Englisch).

Erläuterungen Amerika (in Englisch).

Erläuterungen Afrika (in Englisch).

Erläuterungen Naher Osten (in Englisch).

Der Fragebogen (in Englisch).

Zur Methode.

 


Weitere Informationen:
Katrin Evers
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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