Aserbaidschan 07.06.2016

Inhaftierte Journalisten freilassen

ROG-Demonstration vor dem Bundeskanzleramt zum Besuch des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew am 7. Juni 2016.

Anlässlich des heutigen Deutschland-Besuchs von Präsident Ilcham Alijew fordert Reporter ohne Grenzen Aserbaidschan auf, alle inhaftierten Journalisten freizulassen. Derzeit sitzen in der Kaukasus-Republik mindestens drei professionelle Journalisten und vier Blogger wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis. Die renommierte Investigativreporterin Khadija Ismajilowa wurde Ende Mai zwar nach fast eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung freigelassen, aber nicht von allen Anschuldigungen freigesprochen. Nach wie vor unterliegt sie Auflagen der Justiz und darf nicht ins Ausland reisen.

„So sehr sich Aserbaidschan auch als modernes, weltoffenes Land präsentieren will: Hinter der schönen Fassade unterdrückt das Regime von Präsident Alijew jede kritische Regung“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Aserbaidschans inhaftierte Journalisten und unterdrückte Medien können nur durch konstanten internationalen Druck auf eine Besserung ihrer Lage hoffen.“

Bis zu elf Jahre Haft wegen fragwürdiger Anschuldigungen 

Zu den nach wie vor inhaftierten Journalisten gehört Sejmur Chasi, ein Reporter der Oppositionszeitung Azadliq und Moderator der kritischen Fernseh-Nachrichtensendung Azerbaycan Saati, die vom Ausland aus nach Aserbaidschan ausgestrahlt wird. Er wurde Ende August 2014 verhaftet, nachdem er sich gegen einen tätlichen Angriff eines Unbekannten verteidigt hatte. Im Januar 2015 wurde er zu fünf Jahren Haft wegen „schweren Rowdytums“ verurteilt.

Arschad Ibrahimow, der für die Nachrichtenportale Moderator.az und Avropa.info aus der Stadt Ganja berichtet, wurde 2014 wegen Erpressung zu elf Jahren Haft verurteilt. Zuvor hatte er in einem Artikel den Leiter einer regionalen Bildungsbehörde illegaler Umtriebe beschuldigt (http://t1p.de/0pbo). 

Aras Gulijew, seinerzeit Chefredakteur der auf religiöse Themen spezialisierten Nachrichtenwebsite Xeber44, wurde im September 2012 zunächst wegen „Rowdytums“ verhaftet, später aber wegen illegalen Waffenbesitzes, Störung der öffentlichen Ordnung und anderer Vergehen zu acht Jahren Haft verurteilt. Auslöser seiner Verfolgung war womöglich Gulijews Berichterstattung über eine Protestaktion gegen die knappe Kleidung von Tänzerinnen bei einem Folklore-Festival.

Mehrere weitere Medienschaffende sind wegen ähnlich dubioser Anschuldigungen seit mehreren Jahren in Haft: der Blogger Abdul Abilow seit November 2013, die Blogger Raschad Ramasanow und Schaig Agajew seit Mai 2013 und Nijat Alijew, Chefredakteur der Nachrichtenwebsite Azadxeber, seit Mai 2012. 

Mit besonderer Härte geht das Regime gegen Journalisten von Azerbaycan Saati und dem in Berlin produzierten Exil-Fernsehsender Meydan TV vor. Da ihre Leiter, Ganimat Sahid (Azerbaycan Saati) und Emin Milli (Meydan TV) im Ausland sitzen und für die Behörden nicht greifbar sind, verfolgen diese stattdessen ihre Angehörigen in Aserbaidschan. Mehrere sind wegen dubioser Vorwürfe verurteilt worden, andere mussten sich unter Zwang öffentlich von ihren beim Regime in Ungnade gefallenen Verwandten lossagen.

Strafe für Ismajlowa reduziert, aber Verurteilung nur zum Teil aufgehoben

Khadija Ismajilowas ursprünglich siebeneinhalbjährige Haftstrafe hatte Aserbaidschans Oberstes Gericht am 25. Mai auf dreieinhalb Jahre reduziert und zur Bewährung ausgesetzt.  Ismajilowa ist durch ihre Recherchen über Vetternwirtschaft und Korruption der Präsidentenfamilie international bekannt geworden. 

Die Journalistin war am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet und im vergangenen September zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Als Vorwand für ihre Verfolgung dienten zunächst die – wenig später zurückgenommenen – Anschuldigungen eines früheren Kollegen, Ismajilowa habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben. Erst nachträglich wurde sie wegen Untreue, illegalen Unternehmertums und Steuerhinterziehung angeklagt. Die Vorwürfe betreffen die Zeit von Juli 2008 bis Oktober 2010, als Ismajilowa das Büro von Radio Free Europe/Radio Liberty in Baku leitete.

Das Oberste Gericht sprach die Journalistin von den Anklagepunkten Untreue und Machtmissbrauch frei, bestätigte aber die Strafen für illegales Unternehmertum und Steuerhinterziehung. Reporter ohne Grenzen unterstützt Ismajilowa seit Jahren und hat sich unter anderem mit einer Online-Petition für ihre Freilassung eingesetzt. 

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Platz 163 von 180 Staaten. 



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