Irak 23.07.2003

Irakische Medien nach dem Krieg: eine neue, aber zerbrechliche Freiheit / aktueller Bericht von Reporter ohne Grenzen

Nach mehr als 30 Jahren der Unterdrückung gibt es, drei Monate dem nach offiziellen Ende des Krieges, Hoffnung auf eine freie Medienlandschaft im Irak. Mindestens 85 neue Zeitungen und Zeitschriften erscheinen in Bagdad und anderen Städten und überall werden Satelittenschüsseln verkauft, ein Symbol für die öffnung des Landes und das Bedürfnis der Bevölkerung nach ausländischen Informationen. Bis zuletzt war der Gebrauch von Satellitenschüsseln unter dem Regime Saddam Husseins streng verboten.

Die Veränderungen sind rasant, aber die neu gewonnenen Freiheiten sind zerbrechlich, stellt Reporter ohne Grenzen (RoG) in einem aktuellen Bericht zur Situation der Medien im Irak fest. Vor allem die alltägliche Gewalt aber auch die politische Instabilität und unsichere Rechtslage gefährden die neu gewonnenen Freiheiten, heißt es dort. Um die Situation zu stabilisieren, fordert Reporter ohne Grenzen die zur Zeit nur vage formulierten Zuständigkeiten des Irakischen Medien Netzwerkes (IMN), der Interimsbehörde, die die Presse reguliert, zügig zu klären sowie klar definierte und liberale Pressegesetze zu schaffen.

Der Bericht fasst die Ergebnisse einer Untersuchungsmission zusammen, die die internationale Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit Anfang Juli im Irak unternahm. Er zeigt detailliert die praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten und Widersprüche im Aufbau einer unabhängigen Medienlandschaft auf.

So gibt es eine Vielfalt von irakischen Medien im Print-Bereich, aber Radio und Fernsehen werden noch von der amerikanischen Verwaltung dominiert. Kritik an den amerikanischen Einheiten und der Administration und unterschiedliche Meinungen dürfen in den Medien geäußert werden, aber noch immer ist die Verunsicherung der Journalisten groß. Einige fürchten Repressionen von Anhängern der ehemaligen Baath-Partei, andere sind unschlüssig, wie weit sie in der Kritik gehen können. Selbstzensur unter Journalisten ist sehr weit verbreitet. Bei der Bevölkerung herrscht nach wie vor großes Misstrauen gegenüber der Glaubwürdigkeit der irakischen Medien und Journalisten.

Die alltägliche Gewalt und die politische Instabilität aber stellen die weitaus größten Gefahren dar. Wenn der gewalttätige Widerstand innerhalb der Bevölkerungen gegenüber den US-amerikanischen Streitkräften weiter wächst, könnte es zu restriktiveren Maßnahmen gegenüber der Presse kommen, befürchtet Reporter ohne Grenzen in dem Bericht. Kritisch beurteilt wird vor allem das Dekret Nr. 7, das den Truppen unter neun Umständen erlaubt, Medien zu durchsuchen oder Lizenzen zu entziehen, u.a. "bei der Anstiftung zu Gewalt gegenüber der Interimsverwaltung" oder "bei der offenkundig falschen und gezielten Verbreitung von Nachrichten, um Widerstand gegen die Interimsverwaltung zu befördern". Die vagen Formulierungen eröffneten Interpretationsspielräume, die restriktiv genutzt werden könnten, gibt RoG zu bedenken. Die konkrete Handhabung des Dekrets sowie die Vergabepraxis von Lizenzen müsse weiter beobachtet werden. Zur Zeit gebe es jedoch noch keine übereifrige Anwendung.

Mit Sorge benennt der Bericht Vorfälle von übergriffen auf Medienvetreter durch Soldaten der US-britischen Koalition. Ausländische Reporter, Fotografen und Kamerateams seien beispielsweise an der Berichterstattung über Demonstrationen gegen die britischen und amerikanische Autorität im Land gehindert worden. Journalisten brauchen um frei, professionell und ohne Selbstzensur ihrer Arbeit nachgehen zu können, vor allem eines: Sicherheiten über ihre Arbeitsbedingungen, fasst der Bericht die Situation zusammen.

Der Bericht "The Iraqi media three months after the war: a new but fragile freedom" steht Ihnen auf der Homepage des Internationalen Sekretariats www.rsf.org zur Verfügung.

 

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