Montenegro 21.10.2016

Journalist muss fairen Prozess bekommen

Montenegros Präsident Milo Djukanovi. © dpa

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die schon ein Jahr andauernde Untersuchungshaft des Investigativjournalisten Jovo Martinovic in Montenegro und fordert die Justiz des Landes auf, ihm einen fairen Prozess zu ermöglichen. Martinovic wurde am 22. Oktober 2015 wegen des Verdachts auf Beteiligung an einem Drogenhändlerring festgenommen. Er berichtete über das organisierte Verbrechen in den Balkanstaaten und arbeitete für viele internationale Medien, darunter The Economist und The Financial Times. Bis heute sitzt er ohne Prozess in Haft, am 27. Oktober soll das Verfahren gegen ihn beginnen.

„Die seit einem Jahr andauernde Untersuchungshaft von Jovo Martinovic ist absolut unangemessen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Der Prozess gegen den Journalisten kann zeigen, ob der EU-Beitrittskandidat Montenegro die Werte und Grundrechte, für die die EU steht, auch ernst nimmt.“

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete Martinovic für die französische Nachrichtenagentur CAPA Presse. Er recherchierte für einen Dokumentarfilm über Waffenschmuggel von den Balkanstaaten nach Westeuropa. Der Film wurde von dem französischen Fernsehsender Canal+ ausgestrahlt. Teil seines Jobs war es, Waffennetzwerke im Untergrund ausfindig zu machen und mit den Mitgliedern dieser kriminellen Gruppen in den Balkanstaaten in Kontakt zu stehen.

Aufgrund seiner Kontakte zu Mafiamitgliedern wurde er während einer Serie von Razzien in kriminellen Vereinigungen durch die montenegrinischen Behörden festgenommen. Am 8. April 2016, fast ein halbes Jahr nach seiner Festnahme, reichte die Sonderstaatsanwaltschaft Anklage ein. Sie wirft Martinovic vor, eine Straftat begangen zu haben, indem er ein Treffen zwischen einem Käufer und Verkäufer von Rauschgift unterstützt und dem angeblichen Bandenchef die Kommunikationsapp Viber auf dem Handy installiert haben soll.

Martinovic dementiert die Vorwürfe und sagt, sein Kontakt mit dem Bandenchef habe lediglich im Kontext seiner Arbeit als Journalist stattgefunden. Die Behörden lehnten zwei Anfragen seines Anwalts ab, ihn bis zum Prozess auf Kaution freizulassen. Eine Erklärung dafür gaben sie nicht.

In Montenegro fanden diesen Monat Parlamentswahlen statt. Die Partei von Ministerpräsident Milo Djukanovic hat die meisten Sitze gewonnen. Die Behörden stellten die Messenger-Dienste Whatsapp und Viber vorübergehend ab. Die Apps würden “unerwünschte Botschaften” verbreiten. Unter dem Druck der Opposition stellten die Behörden den Zugang nach einigen Stunden wieder her.

Montenegro steht auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 106 von 180 Ländern.



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