Afghanistan 22.05.2008

Journalistinnen in Afghanistan: ROG fordert besseren Schutz

Reporter ohne Grenzen appelliert an die afghanischen Behörden, die Sicherheit von Journalistinnen im Land entscheidend zu verbessern. Seit Jahresbeginn wurden in Afghanistan mehrere im Medienbereich tätige Frauen bedroht, angegriffen und verletzt.

„Wir sind sehr besorgt über die steigende Zahl von Angriffen und Drohungen gegen Journalistinnen“, so Reporter ohne Grenzen (ROG). „Es muss dringend etwas unternommen werden, um diese Gewalt zu stoppen. Die afghanische Regierung muss die bisherigen Fälle eingehend untersuchen und sicherstellen, dass die Täter nicht ungestraft davon kommen. Einige der Opfer haben wegen der ständigen Bedrohung bereits ihren Beruf aufgegeben.“

„Neben den Taliban tragen auch Warlords und lokale Politiker dazu bei, ein Klima der Angst zu schaffen, um Frauen aus der afghanischen Gesellschaft zu verdrängen“, so ROG weiter.

22-jährige Fernsehmoderatorin bedroht und mit Messerstichen verletzt
Am 15. Mai 2008 wurde Niloufar Habibi, 22-jährige Nachrichtenmoderatorin des öffentlich-rechtlichen Senders „Herat TV“, in ihrem Wohnhaus in Herat mit mehreren Messerstichen verletzt. Zwei Wochen zuvor hatten Unbekannte alle Angestellten der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender des Landes bedroht. Wenige Tage später kündigten drei Mitarbeiterinnen aus Angst um ihre Sicherheit, rund zehn weitere Frauen und Männer folgten. Niloufar Habibi entschied sich, trotz zahlreicher Drohungen ihre Arbeit fortzusetzen.

Gegenüber ROG sagte Habibi, sie sei in großer Sorge um ihre Sicherheit. „Nach mehreren Drohanrufen ich wurde innerhalb weniger Tage zwei Mal angegriffen. Am 14. Mai hielten mich zwei Männer und eine Frau auf dem Weg in die Redaktion auf und verletzten mich mit einem Messer. Sie hatten einen Taxifahrer zum Komplizen, der uns anschließend alle zu „Herat TV“ brachte. Er sagte zu mir `Wenn du nicht kündigst, ist das nächste Mal dein Ende’.“

Habibi berichtete weiter: „Am nächsten Tag klopfte eine Frau an meine Tür und stach auf mich ein, als ich öffnete. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und werde seit meiner Entlassung am 18. Mai auf Schritt und Tritt von Fremden verfolgt. Ich habe viele Male meine Unterkunft gewechselt. Ich weigere mich, den Drohungen nachzugeben und habe Angst um mein Leben.“ Trotz mehrerer Anfragen um Hilfe wird Habibi nach wie vor nicht von der Polizei geschützt.

Haus einer Radiomoderatorin mit Granaten beworfen
Mehrere Journalistinnen mussten ihre Stadt verlassen. Zu ihnen zählt Khadijeh Ahadi, stellvertretende Chefredakteurin von „Radio Faryad“ und Moderatorin einer beliebten  Sendung, in der Zuhörer sich mit ihren Alltagsproblemen an Politiker wenden können.  Nachdem sie mehrere Drohanrufe erhalten hatte, wurde ihr Haus am 6. und 11. April mit Handgranaten beworfen. Ahadi blieb unverletzt, das Haus wurde stark beschädigt.
Bereits im Februar wurden Journalistinnen in Mazar-i-Sharif von Personen bedroht, die sich als Vertreter der Taliban ausgaben. Sie sagten zu einer der Frauen: „Pass auf! Wenn du dich weiter im Fernsehen zeigst, könnten deine Schwester, deine Mutter und weitere Angehörige deiner Familie entführt werden.“ Der verlangte Polizeischutz wurde auch ihr nicht gewährt.

Untätigkeit der Behörden leistet Angriffen Vorschub

„Seit Monaten kommt es zu Angriffen auf Medien und Journalistinnen, vor allem in der Provinz Herat“, bestätigt Rahimullah Samandar, Vorsitzender der „Unabhängigen Afghanischen Journalistenvereinigung AIJA“. „Und allein im Mai wurden schon zehn Journalistinnen und junge Medienmitarbeiter angegriffen. Die Täter wollen offenbar, dass bestimmte Fernsehprogramme nicht mehr ausgestrahlt werden oder dass Frauen nicht mehr an ihnen mitwirken. Die Untätigkeit der Behörden ist leider ein wichtiger Faktor für den Anstieg dieser Angriffe.“

Ein weiterer Vertreter der Organisation, Nighibolah Taieb, erklärte gegenüber ROG: „Diese Situation ist für unser Land sehr gefährlich. Die Verantwortlichen für die Angriffe sind Feinde des freien Wortes. Sie sollten nicht vergessen, dass sich die iranischen Nachbarn der Provinz Herat über die Meinungsfreiheit in unserem Land Sorgen machen und befürchten, dass afghanische Fernsehprogramme Zuschauer auf der anderen Seite der Grenze beeinflussen könnten.“

Weitere Informationen:
Katrin Evers
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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