Sri Lanka 11.11.2019

Kandidaten müssen Pressefreiheit schützen

Gotabaya Rajapaksa
Präsidentschaftskandidat Gotabaya Rajapaksa © picture alliance/Xinhua

Vor den Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka am Samstag (16.11.) ruft Reporter ohne Grenzen die Kandidaten dazu auf, konkrete Zusagen zur Verteidigung der Pressefreiheit zu machen. Jüngster Anlass ist die Entlassung des Journalisten K. M. Razool, Redakteur beim tamilischen Radio Capital FM Mitte Oktober. Dieser hatte sich geweigert, einseitige Informationen zugunsten des Kandidaten Gotabaya Rajapaksa zu veröffentlichen. Der Radiobesitzer drohte und feuerte Razool daraufhin. Der Vorfall spricht Bände über die Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten in Sri Lanka.

„Die Art und Weise, wie K.M. Razool bedroht und dann entlassen wurde, ist bezeichnend für die ständigen Schikanen, denen sri-lankische Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit ausgesetzt sind“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Präsidentschaftswahl hat keine Legitimität, wenn Medienschaffende ihren Beruf nicht unabhängig ausüben können. Wir fordern die Kandidaten auf, die redaktionelle Unabhängigkeit von Journalistinnen und Journalisten zu verteidigen.“

Am 17. Oktober wurde Razool in einem Brief mitgeteilt, dass er wegen „widerspenstigem Verhalten“ gefeuert sei. Der Journalist hatte sich einen Tag zuvor geweigert, fragwürdige Informationen zu veröffentlichen, die laut eigenen Angaben auf nicht verifizierten Quellen beruhten und zugunsten des Präsidentschaftskandidaten Gotabaya Rajapaksa voreingenommen waren. Capital FM gehört dem Unternehmen Trymas Media, das von Vincendrarajan Sathasivam geführt wird. Wie Razool ROG berichtete, wurde er von Sathasivam angeschrien, bedroht und „fast angegriffen“, weil er die Informationen nicht veröffentlichen wollte. Sathasivam soll angeblich einem Politiker in der nördlichen Stadt Jaffna sehr nahestehen, der die Kandidatur von Rajapaksa unterstützt.

Viele Medienbesitzer in Sri Lanka haben Verbindungen in die Politik, wie die im Oktober 2018 vorgestellten Ergebnisse des Projekts Media Ownership Monitor zeigen. So haben weniger als 20 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Zeitungen, die nicht direkt mit einem Politiker oder einer Politikerin verbunden sind. Es gibt derzeit kein Gesetz, dass die redaktionelle Unabhängigkeit von Journalistinnen und Journalisten garantiert oder Interessenkonflikte zwischen Medienbesitzerinnen und Politikern verhindert.

Dunkles Jahrzehnt

Unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt – der künftige Präsident wird unter genauer Beobachtung stehen und Zusagen zum Schutz der Pressefreiheit an die Journalistinnen und Journalisten Sri Lankas machen müssen, die allen Grund zur Sorge haben. Einer der zwei Spitzenkandidaten ist Sajith Premadasa von der Partei New Democratic Front. Er ist der Sohn des ehemaligen Präsidenten Ranasinghe Premadasa, der wegen wiederholter Verletzungen der Pressefreiheit während seiner Amtszeit zwischen 1989 und 1993 in Erinnerung geblieben ist.

Der zweite Spitzenkandidat ist Gotabaya Rajapaksa von der People’s Freedom Alliance. Er ist der Bruder des ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa. Seine zehn Jahre im Amt zwischen 2005 und 2015 werden von Reporterinnen und Reportern als „dunkles Jahrzehnt“ beschrieben, in dem laut ROG-Zählungen mindestens 14 Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet wurden.

Während Mahinda Rajapaksas Amtszeit war sein Bruder Gotabaya Verteidigungsminister und nutzte diese Position, um gegen Journalistinnen und Journalisten vorzugehen. So soll er mutmaßlich direkt in den Mord an dem bekannten Journalisten Lasantha Wickramatunga verwickelt gewesen sein. Der Journalist der Zeitung The Sunday Leader wurde am 8. Januar 2009 erschossen, nachdem er berichtete, dass Gotabaya Rajapaksa Schmiergelder erhalten haben soll. Nach 2015 berichtete ein ehemaliger Armeechef, dass Gotabaya Rajapaksa eine Spezialeinheit gegründet hatte, deren einzige Aufgabe es war, Journalistinnen und Journalisten loszuwerden, die er nicht mochte.

Die beiden Spitzenkandidaten bedienen sich einer (singhalesisch und buddhistischen) ethno-nationalistischen Rhetorik, die sich gegen die tamilische und muslimische Minderheit richtet. Medienschaffende dieser Gruppen fürchten daher besonders, dass der Druck gegen sie zunehmen könnte. Im Mai berichtete ROG bereits über einen Anstieg von Polizeigewalt gegen tamilische Journalistinnen und Journalisten rund um die Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag des Bürgerkriegsendes.

Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten

Der aktuelle Präsident Maithripala Sirisena kündigte wenige Monate nach Amtsantritt an, die Ermittlungen in allen Morden an Journalistinnen und Journalisten während der Amtszeit seines Vorgängers wiederaufzunehmen. Zwar gab es Fortschritte in den Ermittlungen im Fall Lasantha Wickramatunga, doch fast alle weiteren von ROG-dokumentierten Morde gegen Medienschaffende in dem Jahrzehnt sind bis heute straffrei.

Ein Beispiel für die anhaltende Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten in Sri Lanka ist der Fall von Prageeth Eknaligoda. Der politische Kommentator und Karikaturist für die Webseite Lankaenews sowie die Zeitung Sirata verschwand am Abend des 24. Januars 2010 auf dem Nachhauseweg aus seinem Büro. Einem engen Freund hatte er zuvor gesagt, dass er sich seit Tagen verfolgt fühle. Ein Kollege berichtete Reporter ohne Grenzen, Eknaligoda sei wegen seiner politischen Analysen bedroht worden. Eine Woche vor seinem Verschwinden hatte Eknaligoda in einem ausführlichen Artikel die beiden wichtigsten Präsidentschaftskandidaten verglichen und sich für den der Opposition ausgesprochen.

Mit widersprüchlichen Äußerungen stifteten damalige Regierungsmitglieder Verwirrung über die Umstände von Eknaligodas Verschwinden. Der aktuelle Präsidentschaftskandidat Gotabaya Rajapaksa, damals noch Verteidigungsminister, verstieg sich in einem Zeitungsinterview im März 2010 gar zu der Behauptung, Eknaligoda habe sein Verschwinden nur selbst inszeniert: „Eknaligoda ließ sich selbst verschwinden. Wir wissen nicht einmal, wer dieser Eknaligoda ist und was er getan hat. Jeder kann behaupten, dass er verschwunden ist.“

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Sri Lanka auf Platz 126 von 180 Staaten.



nach oben