Iran 11.06.2009

Keine unabhängige Berichterstattung vor der Präsidentschaftswahl

Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die unausgewogene Berichterstattung in den iranischen Medien vor der morgigen Präsidentschaftswahl. „Seit Beginn der Wahlkampagnen am 21. Mai sind den rund 46 Millionen Wählerinnen und Wählern unabhängige Informationen vorenthalten worden“, so ROG. „Iranische Journalistinnen und Journalisten werden von den Behörden kontrolliert und können nicht objektiv über die Debatten und politischen Fragen berichten.“

Zudem sind in den vergangenen drei Wochen mindestens 15 Journalisten bedroht oder von Behörden für Nachfragen vorgeladen worden. Von derartigen Fällen wird aus den Städten Maschhad, Ahwas, Sanandadsch, Choram-Abad, Kohdascht und Täbris berichtet. Die Journalisten werden gerichtlich verfolgt, nachdem sie Präsident Ahmadinedschad kritisiert oder in Artikeln klar ihre politische Meinung zum Ausdruck gebracht haben.

Nach Zählungen von ROG überwiegen in der Wahlkampfberichterstattung der Medien seit dem 21. Mai deutlich Informationen über das politische Programm Mahmud Ahmadinedschads und Selbstdarstellungen des Präsidenten: Seine Gegenkandidaten hatten jeweils weniger als zwei Stunden Redezeit in nationalen Radio- und Fernsehprogrammen. Die Redezeit des Präsidenten belief sich dagegen auf das zehnfache.

In den vier Fernsehdebatten seit Beginn der Kampagnen erhielt jeder der Kandidaten 40 Minuten Redezeit. Der Präsident erhielt gestern zusätzlich 45 Minuten Sendezeit, um sich an die Wählerinnen und Wähler zu richten. Darüber hinaus wurde in einigen nach den Debatten ausgestrahlten Reportagen für den Präsidenten Partei ergriffen. „Die Fernseh- und Radiostationen werden von der Regierung benutzt“, kritisiert ROG.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den staatlichen Zeitungen. „Auch die als oppositionell eingestuften Zeitungen sind keine Foren für eine freie Meinungsäußerung. Sie dienen in erster Linie den Interessen der anderen Kandidaten“, kritisiert ROG. Die reformorientierte Zeitung Yas-e No („Neuer Jasmin“) wurde am 9. Juni auf Geheiß des Staatsanwaltes Said Mortasawi verboten.

Auch das Internet wird verstärkt zensiert: Der Zugang zu Facebook etwa wurde auf Initiative des Informationsministeriums vom 23. bis 26. Mai gesperrt, weil der Anteil der Informationen über reformorientierte politische Programme dem Ministerium zu hoch erschien.

Ahmadinedschad rief seine Anhänger dazu auf, Blogs einzurichten: Seinen Worten zufolge sollte es „10.000 Milizionäre für 10.000 Blogs“ geben, um die Präsenz seiner Partei zu maximieren. Oppositionelle oder unabhängige Seiten und Blogs waren Hackerangriffen ausgesetzt. So wurde etwa die populäre Seite Rooz durch eine Seite mit dem Namen Rooz.ir ersetzt, die Informationen zur Unterstützung des derzeitigen Präsidenten enthält.

Schließlich haben Botschaften der Islamischen Republik Iran in Berlin, Paris, Rom und Madrid einige Anträge auf Akkreditierung ausländischer Journalistinnen und Journalisten, die zu der Wahl einreisen wollten, abgelehnt. In einigen Fällen haben die Presseattachés im Austausch für ein Visum eine „redaktionelle Gegenleistung“ gefordert.

Iran ist im Mittleren Osten weiterhin das größte Gefängnis für Journalistinnen und Journalisten. Nach dem Amtsantritt Ahmadinedschads im August 2005 wurden die Leiter der Nachrichtenagentur der Islamischen Republik Iran (IRNA) sowie der Nachrichtenagentur der iranischen Studenten (ISNA) durch Anhänger des Präsidenten ausgetauscht.

Insgesamt wurden seit August 2005 mehr als 100 Medien zensiert und mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten sowie Bloggerinnen und Blogger festgenommen und verurteilt.

Weitere Informationen:
Anja Viohl
Tel.: 030 615 85 85

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