Türkei 15.12.2014

Kritik an Festnahme von Journalisten bei Razzia

Polizisten in Zivil verhaften Zaman-Chefredakteur Ekrem Dumanli. © picture alliance / Erdem Sahin

Reporter ohne Grenzen kritisiert die landesweiten Razzien in der Türkei. Die Polizei hat am Sonntag mehr als 20 Personen festgenommen, unter ihnen drei Journalisten, darunter den Chefredakteur der Zeitung Zaman, Ekrem Dumanli. Die Redaktionen mehrerer Medien wurden durchsucht.

„Die Razzien sind ein herber Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei. Präsident Erdogan zeigt einmal mehr, dass er Pluralismus und unabhängige Medien missachtet“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin: „Wir fordern die türkische Regierung dazu auf, die festgenommenen Journalisten unverzüglich freizulassen. Das einzige Vergehen, dessen sie sich schuldig gemacht haben, ist, eine von der Regierung abweichende Meinung zu vertreten.“

Die Razzien fanden in 13 türkischen Städten statt. Insgesamt wurden 31 Haftbefehle erlassen.  Angeordnet wurden die Razzien von einem einzigen Richter, sie basierten in allen Fällen auf sehr vagen Verdachtsmomenten. In Istanbul blockierten am Sonntagmorgen rund 2000 Demonstranten den Zugang zu den Redaktionsräumen der Zeitung Zaman, die dem islamischen Prediger Fetullah Gülen nahesteht, einem politischen Gegner von Präsident Erdogan. Die Polizei konnte das Gebäude deswegen zunächst nicht betreten. Am Nachmittag kehrten die Beamten zurück, durchsuchten die Redaktionsräume und verhafteten Chefredakteur Dumanli. 

Nach Angaben seines Anwalts wird ihm vorgeworfen, eine Organisationsstruktur mit dem Ziel aufgebaut zu haben, die Souveränität der türkischen Regierung auszuhebeln. Festgenommen wurden auch der Leiter des Fernsehsenders Samanyolu, Hidayet Karaca sowie mehrere Produzenten und Autoren. Da sie in erster Linie für eine fiktionale Fernsehserie arbeiteten und nicht als Journalisten, die Informationen verbreiten, führt ROG sie in der Zählung nicht auf. Die Aktion war zuvor durch einen mysteriösen Twitter-Nutzer namens Fuat Avni bekannt geworden. Er warnte davor, dass rund 400 Personen festgenommen werden sollten, darunter 150 Journalisten. 

Druck auf Journalisten

Schon im November und Dezember wurden 15 Journalisten unter anderem wegen Verleumdung und Beleidigung angeklagt. Alle hatten Artikel über den Korruptionsskandal geschrieben, in den auch Präsident Erdogan verwickelt ist. Bereits in den vergangenen Jahren ist Präsident Erdogan massiv gegen die Medien vorgegangen. Im Oktober waren drei deutsche Fotojournalisten in der Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei festgenommen worden, wo sie über Demonstrationen im syrischen Grenzgebiet berichtet hatten. Auch an anderen Orten der Türkei wurden Berichterstatter von Demonstranten wie auch von der Polizei angegriffen und teils verletzt. 

Erdogans Einfluss auf die Medien

Erdogan hat während der vergangenen Jahre seinen Einfluss auf Teile der Medienlandschaft massiv ausgedehnt. Am 16. Juni dieses Jahres etwa verbot ein Gericht in Ankara allen türkischen Medien, über die Entführung von 80 türkischen Bürgern im Nordirak durch die islamistische Terrororganisation ISIS zu berichten. Bei Verstößen drohten Bußgelder oder ein temporärer Lizenzentzug für Radio und Fernsehsender. Der unabhängige türkische Presserat rügte während des Wahlkampfes vor den Präsidentschaftswahlen im August dieses Jahres, der öffentlich-rechtliche Rundfunk Turkish Radio and Television Corporation (TRT) räume Erdogan zu viel Sendezeit ein und ignoriere die politischen Gegner. 

Vorübergehende Sperrung von Twitter und Youtube

Auch das Internet und die sozialen Netzwerke werden kontrolliert und eingeschränkt. Mitte März ließ Erdogan vorübergehend Twitter und YouTube in der Türkei blockieren und hob die Sperre erst nach der Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts auf, das sie als „illegal“ einstufte. Am 19. Februar dieses Jahres unterzeichnete Staatspräsident Abdullah Gül zudem ein Internetgesetz, das die Sperrung von Webseiten zunächst ohne Gerichtsbeschluss ermöglicht. Die zuständige Behörde für Telekommunikationsaufsicht kann seither Blogs, Nachrichtenportale und andere Internetmedien blockieren. Ein Richter hat bis zu 48 Stunden Zeit, um die Entscheidung zu bestätigen. 

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit belegt die Türkei Platz 154 von 180 Ländern.

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