Türkei 17.03.2016

Merkel muss endlich öffentlich Kritik üben

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Reporter ohne Grenzen fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, beim EU-Gipfel am 17. und 18. März ihr Schweigen zu den jüngsten Verletzungen der Pressefreiheit in der Türkei zu beenden. „Die Bundeskanzlerin muss endlich öffentlich Stellung beziehen zu den immer dreisteren Angriffen der Türkei auf unabhängige Medien und kritische Journalisten“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wer zu so schweren Verletzungen der Pressefreiheit schweigt, leistet letztlich willkürlichen Prozessen gegen Journalisten und Zwangsmaßnahmen gegen kritische Medien Vorschub.“

Noch während des EU-Türkei-Gipfels in der vergangenen Woche hatte die türkische Justiz die Nachrichtenagentur Cihan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt – ebenso wie zuvor schon die größte oppositionelle Zeitung Zaman. In der Gipfelerklärung der EU-Staats- und Regierungschefs fand sich keine Kritik daran.

Erdogan will gesetzliche Terrorismus-Definition weiter fassen

Zuletzt hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dafür ausgesprochen, die Terrorismus-Definition im Strafrecht so zu erweitern, dass sie auch Journalisten, Akademiker und Abgeordnete umfassen könne. Damit reagierte auf die jüngsten Terroranschläge in der Türkei. „Zwischen Terroristen, die Waffen und Bomben tragen, und jenen, die ihre Position, ihren Stift oder ihren Titel den Terroristen zur Verfügung stellen, damit diese an ihr Ziel gelangen, besteht überhaupt kein Unterschied“, wurde Erdogan in Medienberichten zitiert.

In der Türkei werden kritische Journalisten seit vielen Jahren mit Hilfe der Anti-Terror-Gesetzgebung verfolgt. Regelmäßig sind insbesondere Journalisten vor Gericht gebracht worden, die über den Kurdenkonflikt berichtet haben. Mehrere Justizreformen in den vergangenen Jahren haben den Strafverfolgungsdruck nur wenig verringert. Nach wie vor laufen Dutzende Prozesse gegen Journalisten, denen aufgrund ihrer Arbeit „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen wird.

Prozess gegen Cumhuriyet-Chefredakteur beginnt am 25. März

Präsident Erdogan stellte jüngst zudem die Zukunft des türkischen Verfassungsgerichts in Frage. Damit reagierte er auf die Entscheidung des Gerichts, die Untersuchungshaft des Chefredakteurs der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, sowie von Cumhuriyets Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül aufzuheben. Die beiden Journalisten waren drei Monate wegen unbelegter Spionage- und Terrorismusvorwürfe in Haft, weil ihre Zeitung Indizien für eine mutmaßliche Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien veröffentlicht hatte.

Der Prozess gegen Dündar und Gül soll am 25. März beginnen. Bei einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haftstrafen. Reporter ohne Grenzen sammelt mit einer Online-Petition Unterschriften für die Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Cumhuriyet-Journalisten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. 



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