Ruanda 12.06.2017

Merkel muss Pressefreiheit ansprechen

Ruandas Präsident Paul Kagame © dpa

Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei ihrem Treffen mit dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame anlässlich der G20-Afrikakonferenz am Montag (12.06) auf tiefgreifende Verbesserungen der Pressefreiheit zu dringen. In dem ostafrikanischen Land sind Zensur und Selbstzensur allgegenwärtig. Journalisten, die den Präsidenten kritisieren, drohen lange Haftstrafen. Aus Angst vor Verfolgung sind zahlreiche Medienschaffende ins Ausland geflohen. Vor den Präsidentenwahlen im August werden soziale Medien strikt kontrolliert.

„Gerade vor den Wahlen braucht Ruanda unabhängige Journalisten, die die Bevölkerung umfassend informieren. Doch die Angst vor Verfolgung ist dort so groß, dass sich viele Medienschaffende selbst zensieren. Präsident Kagame hat es offensichtlich geschafft, seine Kritiker mundtot zu machen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Merkel muss die desolate Lage für Journalisten im Land in aller Deutlichkeit ansprechen.“

Selbstzensur ist an der Tagesordnung

Reporter ohne Grenzen zählt Paul Kagame zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit weltweit. In den vergangenen 20 Jahren wurden mindestens acht Journalisten getötet oder gelten als vermisst. Acht weitere wurden Opfer gewaltsamer Übergriffe. Elf Journalisten wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Übergriffe auf Journalisten in Ruanda zwar abgenommen. Dies ist jedoch kein Anlass zur Entwarnung, sondern erklärt sich vor allem dadurch, dass viele Journalisten aus Angst vor Verfolgung geflohen sind. Seit 2010 mussten mindestens 14 Journalisten, die mit ROG in Kontakt standen, das Land aufgrund ihrer Arbeit verlassen. In den vergangenen 20 Jahren sind mindestens 33 Journalisten aus Ruanda geflohen.

Die Journalisten, die weiterhin im Land arbeiten, üben sich in strenger Selbstzensur. In der Vergangenheit ging Kagame insbesondere gegen Medienschaffende vor, die den Präsidenten kritisierten, über Armut im Land berichten oder sich auf das Massaker an den Hutu durch die heute regierende Partei Ruandische Patriotische Front (RPF) im Jahr 1994 beziehen.

Die Regierung sperrte 2015 den britischen Radiosender BBC in der lokalen Sprache Kinyarwanda, nachdem das BBC-Fernsehen über die Todesfälle während des Vormarschs der RPF-Rebellen auf die Hauptstadt Kigali im Jahr 1994 berichtete. Ein Gesetz zum sogenannten Divisionismus verbietet es, von Hutu oder Tutsi zu sprechen. Offiziell gibt es keine unterschiedlichen Ethnien mehr in Ruanda. Regierungskritische Medien können schnell als divisionistisch gebrandmarkt werden.

Soziale Medien unter strikter Kontrolle

Kagame ist seit dem Jahr 2000 Präsident Ruandas. Durch eine Verfassungsänderung vor anderthalb Jahren kann er für eine dritte Amtszeit kandidieren und theoretisch bis 2034 im Amt bleiben. Vor den Präsidentenwahlen Anfang August kontrolliert die Wahlkommission soziale Medien. Jeder Text und jedes Video von Oppositionskandidaten wird vor der Veröffentlichung geprüft, was mindestens 24 Stunden dauern soll.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht Ruanda auf Platz 159 von 180 Staaten.


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