Russland 02.08.2005

Moskau droht Andrej Babitski und US-Sender ABC nach Interview mit tschetschenischem Rebellenführer

Der russische Journalist Andrej Babitski wird möglicherweise in Russland gerichtlich verfolgt. Anlass ist das Interview mit dem tschetschenischen Rebellenführer Shamil Bassajew, das Babitski am 23. Juni in den tschetschenischen Bergen geführt hatte, und vom US-amerikanischen Sender ABC am 28. Juli 2005 ausgestrahlt wurde.

Die russische Regierung hatte heftig protestiert und die Ausstrahlung "eine Tribüne für einen mordgierigen Terroristen" genannt.

Zudem hat der russische Verteidigungsminister, Serguei Ivanov, am 31. Juli 2005 angekündigt, dass ABC künftig in Russland "persona non grata" ist und kein Angestellter bzw. Beamte des Ministeriums dem amerikanischen Sender ein Interview geben darf.

In Russland selbst darf kein Medium ein Interview mit Shamil Bassajew veröffentlichen. Bassajew hatte die Verantwortung für die Geiselnahmen in der Schule von Beslan im September 2004 übernommen, bei der 330 Personen, darunter 186 Kinder, ums Leben kamen. Die Verantwortung für den Tod der Geiseln weist Shamil Bassajew allerdings im ABC-Interview von sich. Diese "furchtbare Tragödie" und der Angriff auf die Schule sei von den russischen Einheiten ausgegangen.

"Wir sind erstaunt darüber, dass Moskau bei der Regierung in Washington wegen dieses Interviews intervenierte. ABC hat einfach seine Informationspflicht erfüllt. Andrej Babitski, der nun von den russischen Behörden verfolgt wird, hat mit diesem Gespräch dazu beigetragen, die internationale Öffentlichkeit zu informieren", erklärt Reporter ohne Grenzen.

Die russischen Behörden hatten die amerikanische Regierung kritisiert, weil diese die Ausstrahlung nicht verboten habe. Der Sprecher der US State Department Sean McCormack hatte daraufhin erklärt, die amerikanische Regierung sei nicht befugt, ABC daran zu hindern, ein Interview zu senden. Washington gestand allerdings ein, nach dem 11. September 2001 den US-amerikanischen Sendern nahe gelegt zu haben, die Osama-Bin-Laden-Videos nur begrenzt zu veröffentlichen.

Andrej Babitski ist bekannt für seine kritischen Reportagen über den Bürgerkrieg in Tschetschenien. In den vergangenen fünf Jahren war er u.a. in einem Lager in Tchernokozovo inhaftiert. Er wurde wiederholt von der Polizei wegen Nichtigkeiten verhaftet und u.a. daran gehindert, über die Geiselnahme in Beslan zu berichten. Babitiski arbeitet seit einigen Jahren in Prag für Radio Free Europe / Radio Liberty und lebt inzwischen auch aus Sicherheitsgründen mit seiner Familie in Prag.

Weitere Informationen:
Reporter ohne Grenzen - Elke Schäfter
Tel: 030 - 615 85 85
Mail: presse@reporter-ohne-grenzen.de

 

 

 

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