Russland 06.05.2008

Offener Brief an neuen Präsidenten

ROG-Generalsekretär Robert Menard hat sich mit einem offenen Brief an Dimitri Medwedjew gewandt.

 

Paris, 6. Mai 2008

Sehr geehrter stellvertretender Premierminister,

im Vorfeld Ihres Amtsantritts als Präsident der Russischen Föderation will Reporter ohne Grenzen - eine internationale Organisation für die Verteidigung der Pressefreiheit und Trägerin des Sacharow-Preises 2005 - ihrer Sorge über die jüngsten Entwicklungen des Rechts auf freie journalistische Tätigkeit in Russland zum Ausdruck bringen.

Am 20. Februar 2008 haben wir Ihnen in einem Schreiben vier Vorschläge gemacht, wie die Situation der Pressefreiheit in Russland verbessert werden könnte. Zum einem sollten drei Artikel des Strafgesetzbuches reformiert werden, auf deren Grundlage häufig Journalisten strafrechtlich belangt werden (Art. 120, 139 u. 319). Des weiteren haben wir eine Reform des Extremismusgesetz angeregt, das bislang eine ungerechtfertigte Strafverfolgung von Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien ermöglicht. Zudem fordern wir ein Ende der Straflosigkeit von Morden an Journalisten sowie eine größere Vielfalt der audiovisuellen Medien.

Diese vier Punkte sind bisher nicht in Angriff genommen worden – vielmehr droht sich die Situation zu verschlimmern. Derzeit werden Änderungen des Extremismus- und Mediengesetzes diskutiert. Falls diese Vorschläge verabschiedet werden, wächst der ohnehin schon starke Druck auf die Medien weiter. Journalisten wären zur Selbstzensur aufgefordert, ihre Verantwortung wäre stark eingeschränkt.

Wir denken, dass Selbstregulierung das effektivste Instrument für eine Qualitätssicherung der Medien ist. Zusätzlich ist es unangemessen und kontraproduktiv, Medien aufgrund von Verleumdungs- oder Diffamierungsklagen schließen oder Journalisten zu Gefängnisstrafen verurteilen zu können. Solche Maßnahmen tragen nie zu einer Verbesserung der Medien bei. Im Gegenteil: Sie verhindern Debatten über Themen öffentlichen Interesses.

Sie haben in jüngsten Äußerungen unterstrichen, dass das Gesetz geachtet werden müsse. Wir teilen diese Einschätzung, solange die Gesetze im Einklang mit den Grundrechten, insbesondere mit dem Recht auf Meinungsfreiheit stehen.

Deshalb hoffen wir, dass Sie als Präsident der Russischen Föderation sich für die Verbesserung der Lage der Pressefreiheit einsetzen. Wir möchten erneut unserer Sorge über die Arbeitsbedingungen von Journalisten in Russland Ausdruck verleihen. Wir erinnern Sie daran, dass einige Journalisten, wie etwa Anna Politkowskaja oder Paul Klebnikov mit dem Leben für ihren Beruf bezahlen mussten, ohne dass die Verantwortlichen benannt oder gar verurteilt wurden. Dies lässt Zweifel an dem Willen der russischen Regierung aufkommen, diese Verbrechen aufzuklären.

Ihr Amtsantritt bietet die Gelegenheit, der Internationalen Gemeinschaft die klare Botschaft zu übermitteln, dass Russland in Zukunft Grundrechte stärker schützen wird.

Ich vertraue darauf, dass Sie die Inhalte dieses Briefes sorgfältig prüfen.

Hochachtungsvoll

Robert Menard
Generalsekretär

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