Italien 05.09.2002

Offener Brief zum Besetzungspoker für den Rundfunkrat

 

In einem offenen Brief fordert Reporter ohne Grenzen den italienischen
Ministerpräsident Silvio Berlusconi auf, die Medienvielfalt in seinem Land
zu garantieren. Die internationale Menschenrechtsorganisation zur
Verteidigung der Pressefreiheit verlangt die unpartei-ische Besetzung des
Rundfunkrats der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RAI am 16. Februar.

Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen schreibt:

"Italien ist dabei, der einzige Staat der Europäischen Union zu werden,
wo sämtliche audiovisuellen Medien des Landes, öffentlich-rechtliche und
private gleichermaßen, direkt oder indirekt von den Machthabern
kontrolliert werden. (...) Wir fordern Sie auf, die bisher übliche
politische Praxis der Besetzung führender Positionen bei RAI zu
unterlassen. Wir erwarten von Ihnen, die Mittel zu finden, die die
Unabhängigkeit der drei öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu
garantieren. (...) Wir verlangen zudem, dass Sie sich öffentlich für die
Bewahrung des Pluralismus der audiovisuellen Information bis zu den
nächsten Wahlen in 2006 einsetzen."

Der Rundfunkrat kontrolliert die Arbeit der drei öffentlich-rechtlichen
Fernsehsender und wird durch die Präsidenten der zwei Parlamentskammern
ernannt. Seit Jahrzehnten besetzen die Regierungsparteien das Gremium mit
ihren Vertretern und nehmen politischen Einfluss auf RAI.

Es gilt als sicher, dass die fünf Sitze des Rundfunkrats mehrheitlich mit
der Koalition nahe stehenden Leuten besetzt werden. Umberto Bossi, Führer
der an der Regierung beteiligten populistischen Liga Nord, hat sein
Interesse an einem Sitz unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Berlusconi hatte im vergangenen Jahr erklärt, er werde keinen Einfluss auf
die Ernennung des Rundfunkrats nehmen. Der Präsident ist Eigner der drei
größten privaten Fernsehsender, des größten Buch- und Zeitschriftenverlags
und der größten Werbeagentur Italiens. Berlusconi beteuerte im Mai 2001, er
werde den Interessenkonflikt zwischen seinem Amt als Regierungschef und
seinen Geschäften als Unternehmer lösen. Ein neues Gesetz solle das in
Zukunft regeln. Ein konkreter Gesetzesentwurf wurde dem Parlament noch
nicht vorgelegt.

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