Iran 16.06.2009

Pressefreiheit fällt Wahl zum Opfer


Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt das massive Vorgehen der iranischen Behörden gegen Medien seit der Bekanntgabe der umstrittenen Wahlergebnisse. Um die Berichterstattung über Betrugsvorwürfe zu unterdrücken, werden Journalistinnen und Journalisten festgenommen, Zeitungen geschlossen, Webseiten gesperrt, Beamte entlassen, Artikel zensiert und das Mobilfunknetz teilweise gesperrt.

"Für unabhängige Informationsquellen ist es wegen der Zensur sehr schwer, sich Gehör zu verschaffen", so ROG. "Die Behörden verschärfen die Kontrolle über alle Nachrichtenmedien und Kommunikationsmittel, die genutzt werden könnten, um den Wahlsieg Ahmadinedschads anzufechten."

"Bei demokratischen Wahlen können Medien frei berichten, auch über Betrugsvorwürfe. Diese Voraussetzung galt bei Ahmadinedschads Wiederwahl nicht", kritisiert ROG.
Die Organisation für Pressefreiheit ruft daher erneut dazu auf, die offiziellen Wahlergebnisse vom 12. Juni nicht anzuerkennen.

Zensur der Medien und Blockade von Mobilfunk und Internet
Seit der Bekanntgabe der Wahlergebnisse haben iranische Behörden umfangreiche Zensurmaßnahmen eingeleitet. Staatliche Sicherheitskräfte drangen in die Büroräume zahlreicher Tageszeitungen ein und verhinderten die Veröffentlichung kritischer Artikel.
Vier der wichtigsten reformorientierten Zeitungen wurden geschlossen bzw. an ihrer Veröffentlichung gehindert. Unter ihnen befindet sich auch Kalameh Sabas, die Zeitung des wichtigsten Herausforderers Ahmadinedschads, Hussein Mussawi, deren Auslieferung seit dem 13. Juni unterbunden wird.
Auch die Zeitung Welajat aus der Provinz Kaswin wurde geschlossen, nachdem sie einen Cartoon über Ahmedinedschad veröffentlicht hatte.
Nach Angaben des Kandidaten Mehdi Karubi sei es ihm nicht möglich, einen Artikel in seiner eigenen Zeitung Etamad Meli zu veröffentlichen.

Auch staatliche Informationsquellen sind von Zensurmaßnahmen betroffen. Vier Mitarbeiter des Innenministeriums wurden festgenommen, weil sie Resultate genannt hatten, die von den offiziellen Zahlen abweichen.

Das Wahlkampfbüro Mussawis wurde am 13. Juni von Anhängern Ahmadinedschads geplündert und die Computer zerstört. Die Agentur Kalam News arbeitete ebenfalls in diesen Räumen. Bereits am Tag der Wahl wurden zwei Mitarbeiterinnen Mussawis tätlich angegriffen.

Auch im Internet reagierten die Behörden auf die Vorwürfe der Wahlmanipulation mit Zensur. Rund ein Dutzend Webseiten oppositioneller Gruppen wurden blockiert, und die internationalen Seiten YouTube und Facebook sind aus dem Iran nur schwer zu erreichen.

Zugleich ist das Netz des staatlich kontrollierten, größten iranischen Mobilfunkanbieters seit dem Vormittag des 13. Juni gesperrt. Das Versenden von SMS-Nachrichten ist bereits seit dem 12. Juni nicht mehr möglich.

Ausländische Medien in Berichterstattung eingeschränkt
Die ausländische Berichterstattung wird zunehmend eingeschränkt. Neben der geblockten Webseite der BBC, wurde seit dem 12. Juni auch die Ausstrahlung des im Iran sehr populären farsisprachigen Senders von BBC und VOA zunehmend gestört.

Die Behörden verfügten darüber hinaus am 14. Juni die einwöchige Schließung des arabischen TV-Nachrichtensenders Al-Arabija nach der Ausstrahlung von Bildern der Demonstrationen gegen die Wahlergebnisse in Teheran.

Zugleich werden ausländische Journalistinnen und Journalisten daran gehindert, die Demonstrationen festzuhalten. Den Mitarbeitern von ARD und ZDF ist es seit dem 13. Juni verboten, ihr Hotel zu verlassen. Zwei Journalisten des niederländischen Fernsehsenders Nederland 2 wurden festgenommen und verhört. Einigen Medienmitarbeitern wurde zudem mitgeteilt, dass ihr Visum nicht verlängert wird. Die Reporterin des spanischen Fersehnsenders TVE, Yolanda Álvarez, wurde am 15. Juni zusammen mit ihrem Team ausgewiesen.
Auch über gewaltsame Übergriffe vonseiten der Polizei wird berichtet. Ein Mitarbeiter des italienischen Fernsehsenders RAI und der Nachrichtenagentur Reuters gab an, in Teheran von Polizisten geschlagen worden zu sein. Mitarbeiter der BBC wurde von Polizisten bedroht. Diese wurden von aufgebrachten Demonstranten verjagt.

Journalistinnen und Journalisten inhaftiert
Seit dem 12. Juni wurden insgesamt elf iranische Journalistinnen und Journalisten festgenommen
Fünf der elf verhafteten Journalistinnen und Journalisten befinden sich noch immer in Gewahrsam, unter ihnen der Herausgeber der Nachrichtenwebseite Nooros, Said Schariti, sowie Mahssa Amrabadi, eine Journalistin der Tageszeitung Etemad Melli. Sie wurde am 14. Juni von Geheimdienstmitarbeitern festgenommen. Eigentlich wollten die Beamten ihren Ehemann, den Journalisten Massud Bastani, mitnehmen. Er war zu dieser Zeit jedoch nicht zu Hause.
Am 14. Juni verhafteten drei Männern in zivil Abdolresa Tadschik. Der Journalist arbeitete für verschiedene Publikationen, die von den Behörden geschlossen wurden, unter ihnen Bahar (geschlossen 2001), Hambastegi (geschlossen 2003) und Schargh (geschlossen 2008). Auch der Journalist Hoda Sabaer befindet sich seit dem 13. Juni in Haft.

Zu den freigelassen Journalistinnen und Journalisten zählen unter anderem der ROG-Menschenrechtspreisträger 2001, Resa Alidschani sowie Taghi Rahmani, Ahamad Seidabadi und der ehemalige Herausgeber des unabhängigen Monatszeitschrift Nameh, Kiwan Samimi Bahban.

Der Aufenthaltsort weiterer zehn Journalisten ist unbekannt.

 

Einen Ticker mit aktuellen Informationen in englischer Sprache finden Sie hier.
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Weitere Informationen:
Anja Viohl
Tel.: 030 615 85 85



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