Kuba 07.04.2003

Reporter ohne Grenzen besetzt kubanisches Informationszentrum in Paris und fordert Freilassung inhaftierter Journalisten

Reporter ohne Grenzen hat heute mit der Besetzung des offiziellen kubanischen Informationsbüros gegen die Verhaftung von 24 Journalisten protestiert. Das Büro wurde in Paris symbolisch in ein Gefängnis verwandelt. Auf den "vergitterten" Fenstern prangten die Porträts der Festgenommenen und auf dem Transparent an der Fassade stand deutlich die Botschaft "Kuba = Gefängnis".

"Die seit dem Beginn des Irak-Krieges durchgeführte Verhaftungswelle markiert das Ende der relativen Toleranz gegenüber unabhängigen Medien in Kuba", kommentiert Robert Ménard, General-sekretär der internationalen Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit, die Entwick-lungen."Mit unserer Aktion machen wir deutlich, dass im Schatten dieses Krieges, und unbemerkt von der öffentlichkeit, Menschenrechte in anderen Ländern eingeschränkt werden", so Ménard weiter.

Vom 18. bis 24. März wurden in Kuba bei landesweiten Razzien 78 Dissidenten verhaftet, darunter 24 unabhängige Journalistinnen und Journalisten. Polizei und Geheimdienste drangen in Häuser ein und beschlagnahmten Computer, persönliche Dokumente, Bücher, Fax-Geräte und Schreibmaschinen. Offiziell wirft man den Festgenommenen "konspirative Aktivitäten" vor, die im Zusammenhang mit dem Vorsitzenden der US-amerikanischen Interessensvertretung in Havanna, James Cason, stehen sollen.

Am 2. April veröffentlichte die kubanische Kommission für Menschenrechte und Versöhnung (CCDHR) eine Liste mit den offiziellen Anklagepunkten gegen die 78 Dissidenten. In zwölf Fällen stehen lebenslange Haftstrafen bevor. Am 3.April wurden die Prozesse eröffnet; sie sollen bis zum 7.April abgeschlossen sein.

Bereits am ersten Prozesstag standen laut www.cubanet.org zwölf Journalisten vor Gericht. Bei vier von ihnen, Adolfo Fernández Sainz, Normando Hernández, Mario Enrique Mayo und Alejandro González Raga hielten die Staatsanwälte ihre Schlussplädoyers. Die Urteile sollen am kommenden Montag verkündet werden. Diplomatische Vertreter und die internationale Presse waren zu den Prozessen nicht zugelassen. Lediglich die Familienangehörigen konnten der Verhandlung folgen. Viele Angeklagte stehen ohne Anwalt vor Gericht.

Gegen Rául Rivero, Schriftssteller, prominenter Vertreter unabhängiger Medien und ROG-Menschen-rechtspreisträger (1997), sowie Ricardo González,Korrespondent von Reporter ohne Grenzen und Vorsitzender der Journalistenvereinigung "Sociedad Manuel Márquez Sterling" in Havanna wird
der Prozess heute eröffnet. In der Anklageschrift wird den beiden Journalisten vorgeworfen, gegen Paragraf 91 Strafgesetzbuch verstoßen zu haben. Die beiden hätten konterrevolutionäre Aktivitäten unterstützt, die die Unabhängigkeit und territoriale Integrität Kubas gefährdeten. Sie hätten sich am Aufbau der illegalen Nachrichtenagentur "De Cuba" beteiligt und über dieses Medium Falsch-informationen verbreitet. Sie hätten sich außerdem mehrfach mit dem Vorsitzenden der US-ameri-kanischen Interessensvertretung in Havanna, James Cason, getroffen sowie mit konterrevolutionären und US-amerikanischen anti-kubanischen Medien zusammengearbeitet. Auch Kontakte mit internationalen Organisationen, darunter Reporter ohne Grenzen, werden in dem Dokument erwähnt. Raul Rivéro drohen 20 Jahre Gefängnis; Ricardo Gonzaléz lebenslänglich.

In einem Brief von heute fordert Reporter ohne Grenzen das Auswärtige Amt und die kubanische Botschaft in Berlin dazu auf, sich für die unverzügliche Freilassung der seit dem 17. März inhaftierten Journalistinnen und Journalisten in Kuba einzusetzen.

Reporter ohne Grenzen hat außerdem die Europäische Union aufgefordert, Kubas Antrag auf Aufnahme in das "Cotonou-Abkommen" (sichert den AKP-Staaten Wirtschaftshilfe und Handelsvorteile mit der EU) abzulehnen, bis die Verhafteten sich wieder auf freiem Fuß befinden.

Kuba zählt derzeit zu den größten Gefängnissen für Journalisten weltweit. Nach wie vor verbietet die kubanische Verfassung private Medien.

Informationen: Tel. (030) 615 85 85,
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de / www.rsf.org

 

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