Iran 26.05.2009

ROG-Appell an Präsidentschaftskandidaten für mehr Pressefreiheit

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat heute in einem Brief die vier Kandidaten der Präsidentschaftswahl am 12. Juni im Iran aufgefordert, sich für den Schutz der Pressefreiheit einzusetzen. ROG appelliert an Mahmud Ahmadinedschad, Mir-Hossein Mussawi, Mehdi Karubi und Mohsen Resai, sich für die Freilassung von inhaftierten Journalisten und Bloggern und gegen Zensur einzusetzen. Derzeit sind 13 Journalisten und Blogger hinter Gittern.

 

Seit August 2005 wurden im Iran mehr als 100 Medien zensiert und mehr als 100 Medienmitarbeiter und Blogger festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Allein im Jahr 2008 wurden insgesamt 30 Zeitungen geschlossen – 22 auf Geheiß der „Kommission für die Autorisierung und Überwachung der Presse“. Der Iran gilt seit Jahren als größtes Gefängnis für Journalistinnen und Journalisten im Mittleren Osten.

 

Die Lage der Pressefreiheit ist unter der Präsidentschaft von Mohammed Chatami und Mahmud Ahmadinedschad in den vergangenen zwölf Jahren äußerst kritisch geblieben. Hoffnungen, die sich an die Wahl des moderaten Präsidentschaftskandidaten Chatami im August 1997 knüpften, wurden bald enttäuscht: Die Rechts- und Sicherheitsbehörden blieben in den Händen der konservativen Gegner Chatamis. Die Repression gegen Medien nahm auch unter dem Einfluss des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Ali Chamenei zu.

 

Mit dem Amtsantritt des ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2005 ging eine verschärfte Kontrolle und Überwachung der Medien einher. ROG beobachtete während dieser Zeit eine steigende Zahl von Angriffen gegen die Presse- und Meinungsfreiheit.

 

„Der zukünftige Präsident muss beweisen, dass er den Iran zu einem Rechtsstaat entwickeln kann. Die Voraussetzung dafür ist eine freie und unabhängige Presse. Meinungsfreiheit ist nicht garantiert, wenn Journalisten weiterhin verfolgt und Medien systematisch geschlossen werden“, kritisiert ROG.

 

ROG fordert deswegen den zukünftigen Präsidenten der Islamischen Republik Iran auf, Pressedelikte zu entkriminalisieren und die Meinungsfreiheit unabhängig von Sprache, Religion oder politischen Einstellungen zu garantieren. Artikel 24 der Verfassung müsse geändert werden: Demnach sind „Publikationen und Zeitungen frei, jegliche Meinung zu äußern mit Ausnahme solcher, die gegen die Grundsätze des Islams und des öffentlichen Anstands verstoßen“. Diese Regelung verstößt gegen Artikel 19 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung sowie gegen Artikel 19 der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte. Beide völkerrechtlichen Verträge hat der Iran ratifiziert. Zensur dient offiziell dazu, die Bevölkerung vor unmoralischen Inhalten zu schützen. Doch sie hat sich schnell auf politische Informationen ausgedehnt.

 

„Der zukünftige Präsident muss umgehend Maßnahmen ergreifen, um Morde und Folter an Journalistinnen und Journalisten aufzuklären und zu bestrafen“, verlangt ROG weiter und weist auf die ungesühnten Verbrechen an vier Journalisten und einer kanadisch-iranischen Fotografin hin: Majid Charif, Mohammed Mochtari, Mohammed Dschafar Pujandeh, Pirus Dawani sowie Sahra Kasemi. Ermittlungen, um den Tod des Bloggers Omidresa Mirsajafi in einem Teheraner Gefängnis aufzuklären, müssten eingeleitet werden.

 

Darüber hinaus sollte das staatliche Monopol über den Rundfunk aufgegeben und der freie Zugang zu Informationen gewährt werden. Der Besitz von Satellitenschüsseln kommt im Iran einer Straftat gleich.

 

ROG appelliert an den zukünftigen Präsidenten, keinen Druck mehr auf ausländische Medien auszuüben. So hat beispielsweise der Minister für Kultur und islamische Führung, Mohammad Hossein Safar-Harandi, im Dezember 2008 eine neue persische Fernsehstation der BBC untersagt sowie jede Mitarbeit iranischer Journalisten bei ausländischen Medien verboten.

 

Auch Veröffentlichungen im Internet stehen stark im Visier der Behörden: Ein neuer Gesetzesentwurf zu „Straftaten im Internet“ passierte eine erste Lesung am 2. Juli 2008 im Parlament: Nach diesen Regelungen könnte „die Förderung von Korruption, Prostitution oder Abtrünnigkeit“ in Blogs oder auf Webseiten mit der Todesstrafe belegt werden. Bei ihrer Zustimmung zu einigen Artikel des Gesetzesvorschlags am 3. November 2008 hat die parlamentarische Justizkommission einen neuen Ausschuss für die Filterung des Internets eingerichtet. Am 19. November 2008 haben Behördenvertreter öffentlich bekannt, dass im Iran fünf Millionen Internetseiten gefiltert werden.

 

ROG erwartet vom neuen Präsident ein Verbot der Zensur von Informationsseiten im Internet und die Wiedereröffnung geschlossener Zeitungen.

 

Weitere Informationen:
Anja Viohl
Tel.: 030 615 85 85

 

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