Deutschland 11.10.2012

ROG: Export von Überwachungstechnik wie Waffenhandel kontrollieren

Werbevideo für Überwachungssoftware der Firma Gamma International

Reporter ohne Grenzen fordert die deutsche Regierung dazu auf, den Handel mit Überwachungssoftware stärker zu kontrollieren und in die Export-Bestimmungen über Waffen und Rüstungsgüter aufzunehmen. „Deutsche Firmen liefern Überwachungstechnik an totalitäre Staaten und tragen so entscheidend dazu bei, Meinungsfreiheit im Internet zu unterdrücken“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp in Berlin. „Wenn die Bundesregierung in der internationalen Menschenrechtspolitik ein glaubwürdiger Partner bleiben will, muss sie den Export von Überwachungssoftware genauso streng überprüfen wie den Export klassischer Kriegswaffen.“

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über Hinweise darauf, dass die deutsche Regierung den Handel mit Überwachungstechnik in der Vergangenheit nicht nur geduldet, sondern sogar über staatliche Kreditgarantien abgesichert haben soll. Auf eine entsprechende Anfrage der Grünen gab die Bundesregierung im vergangenen November eine ausweichende Antwort. „Die Regierung muss klarstellen, ob sie den Export von Überwachungssoftware durch Hermes-Bürgschaften unterstützt hat oder ob sie plant, dies zu tun“, so Spielkamp.

Überwachungssoftware wird eingesetzt, um den Inhalt fremder Festplatten auszuspähen, an Passwörter zugelangen oder E-Mail- und Telefonverkehr zu überwachen. Sie kann über gefälschte Update-Meldungen oder E-Mail-Anhänge auf Computern installiert oder in Netzwerke eingeschleust werden, ohne dass deren Nutzer es bemerken. Der zivile Einsatz solcher Programme ist begrenzt. Einige Hersteller wenden sich explizit an staatliche Akteure wie Geheimdienste und Sicherheitsbehörden, andere werben damit, gezielt politische Gegner identifizieren und überwachen zu können.

Zu den wichtigsten Exporteuren von Überwachungssoftware in Deutschland gehören die deutsch-britische Firma Gamma International (München), das einst zum Nokia Siemens Network gehörende Unternehmen Trovicor (München) und der saarländische Hersteller Syborg (Bexbach). Sie beliefern Länder wie Bahrain, Ägypten und Syrien – Staaten also, die das Internet weltweit am stärksten zensieren, wie der aktuelle ROG-Bericht „Feinde des Internets“ zeigt.

Reporter ohne Grenzen hat sich im August mit einem Positionspapier zur Zensurtechnik an die Bundesregierung gewandt, um einen Dialog über dieses Thema anzustoßen. „Die Politik der deutschen Regierung in dieser Frage ist nicht konsequent“, so ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. „Einerseits hat Außenminister Guido Westerwelle erst kürzlich wieder betont, unterdrückerische Regime dürften nicht die technischen Möglichkeiten erhalten, um ihre Bürger auszuspähen. Andererseits liefern deutsche Firmen Überwachungssoftware an genau diese Staaten, ohne dass die Regierung den Handel effektiv kontrolliert.“ Das ROG-Positionspapier zum Export deutscher Überwachungstechnologie (August 2012) auf Deutsch finden Sie hier auf Deutsch und hier auf Englisch. AKTUELL: Zum Internet Governance Forum in Baku hat ROG am 5. November ein Positionspapier zum Export europäischer Überwachungstechnik veröffentlicht. Die englische Fassung finden Sie hier.

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