Thailand 27.09.2010

ROG fordert Aufhebung der Anklage gegen Online-Journalistin

Chiranuch Premchaiporn, Leiterin des unabhängigen thailändischen Nachrichtenportals Prachatai, ist am 24. September zum wiederholten Mal festgenommen worden. Beamte der Einwanderungspolizei führten die Journalistin nach deren Rückkehr aus Ungarn von einer Internet-Konferenz am Flughafen in Bangkok ab. In den frühen Morgenstunden des 25. September (Ortszeit) wurde die Journalistin gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 200.000 Baht (rund 4800 Euro) wieder freigelassen.

 

Chiranuch Premchaiporn wird, unter Verweis auf das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität („Computer Crimes Act“), sowie auf Artikel 112 des Strafgesetzbuchs, Majestätsbeleidigung vorgeworfen. Chiranuch war bereits im vergangenen März wegen ähnlicher Anschuldigungen verhaftet worden, für die ihr bis zu 50 Jahre Gefängnis drohen.

 

Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die thailändischen Behörden auf, umgehend alle Anklagepunkte gegen die Chefin von Prachatai fallen zu lassen und die Ermittlungen gegen die Journalistin einzuzustellen. „Prachatai ist eine zuverlässige Quelle für alternative Nachrichten und Informationen. Dem Nachrichtenportal ist es gelungen, die Öffentlichkeit während der politischen Spannungen der vergangenen Monate über die Geschehnisse in Thailand informiert zu halten.“


ROG sieht in dem Fall einen wiederholten Missbrauch des kontroversen „Computer Crimes Act“, um Kritiker der Regierung zum Schweigen zu bringen. Das Gesetz wurde im Jahr 2007 unter der damaligen Militärregierung eingeführt.

 

Der Haftbefehl gegen Chiranuch Premchaiporn war am 8. September 2009 vom Provinzgericht in Khon Kaen, der Hauptstadt der gleichnamigen Nordost-Provinz, ausgestellt worden. Das Gericht reagierte damit auf die Anzeige des lokalen Unternehmers Sunimit Chirasuk.

 

Bereits im August 2008 hatte Sunimit gegen Einträge, die im April des Jahres im Kommentarbereich von Prachatai sowie des Webportals Sameskybooks gepostet worden waren, Anzeige erstattet. Die Einträge hatten sich auf den Fall des Studenten Chotisak Onsung bezogen, der sich in einem Kino geweigert hatte, für das obligatorische Abspielen der Königshymne vor Beginn des Hauptfilms aufzustehen und daraufhin körperlich angegriffen und angezeigt worden war. Viele Kommentare auf den Seiten hatten Chotisak unterstützt.

 

„Die Behörden sollten Notiz davon nehmen, dass Prachatai sich im Juli diesen Jahres sogar für das Schließen des Kommentarbereichs entschieden hat, da die Einträge dort nur schwer zu kontrollieren sind“, gibt ROG zu bedenken.

 

Chiranuch, die auch unter ihrem Spitznahmen Jiew bekannt ist, war zum Zeitpunkt Ihrer Verhaftung gerade von der Konferenz „Internet at Liberty 2010“ in Budapest zurückgekehrt. Bereits auf dem Hinweg war die Journalistin am Flughafen in Bangkok kurzzeitig festgehalten worden.

 

Chiranuch war zuletzt Ende März 2010 verhaftet worden. Auch damals wurde sie nach Zahlung einer Kaution – in Höhe von 300.000 Baht (rund 7250 Euro) – freigelassen. Zudem wurde sie ebenfalls beschuldigt, nicht schnell genug Kommentare gelöscht zu haben, in denen die Königsfamilie beleidigt wurde. Nach ROG-Informationen hatte Chiranuch die Einträge jedoch von der Seite genommen, kurz nachdem sie von den Behörden über die Vorwürfe informiert worden war.

 

Prachatai und andere kritische Websites waren während der blutigen Unruhen in Thailand vor einigen Monaten mehrmals von der Regierung blockiert worden. Thailand ist eines der Länder, die im ROG-Report „Feinde des Internet“ in die Kategorie „unter Beobachtung“ fallen. 

 

Bei Interesse an Interviews mit dem ROG-Experten für Thailand, Serhat Ünaldi, wenden Sie sich bitte an:

 

Anja Viohl
Tel.: 030 202 15 10 – 16

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