13.02.2008

ROG-Jahresbericht: Kritik an mangelndem öffentlichen Einsatz für Pressefreiheit

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat politischen Akteuren in aller Welt „Versagen und Doppelzüngigkeit“ bei der Verteidigung der Meinungsfreiheit vorgeworfen.

„Das fehlende Rückgrat einiger westlicher Länder und führender internationaler Organisationen schadet der Pressefreiheit“, sagt Robert Ménard, ROG-Generalsekretär, in dem heute veröffentlichten Jahresbericht der Organisation. „Der mangelnde Wille demokratischer Länder, die Werte zu verteidigen, für die sie selbst stehen, ist alarmierend.“

Im UN-Menschenrechtsrat sei die desolate Lage der Menschenrechte beispielsweise in Usbekistan und dem Iran kein Thema, das Mandat für Sonderberichterstatter aus Kuba und Weißrussland habe das Gremium nicht verlängert. Außerdem sei die nachgiebige Haltung der Europäischen Union (EU) gegenüber Diktaturen wie Simbabwe und Usbekistan Besorgnis erregend. Auch wenn es um wirtschaftliche Interessen etwa in China oder Russland gehe, stünden Menschenrechte selten auf der Agenda.

Für das laufende Jahr rechnet ROG mit Schwierigkeiten für unabhängige Journalisten rund um wichtige Wahlen, vor allem in Pakistan (Wahltermin 18. Februar), Russland (2. März), Iran (14. März) und Simbabwe (29. März).

„Besonders im Vorfeld von Wahlen geraten Medien in vielen Ländern unter Druck und werden stärker kontrolliert“, sagte Dr. Michael Rediske, Vorstandssprecher der deutschen Sektion von ROG, auf der Jahrespressekonferenz der Organisation heute in Berlin. „Doch gerade dann üben sie eine wichtige demokratische Funktion aus. Wahlen sind der Prüfstein für Demokratie und Pressefreiheit.“

„Die Wahlen in Russland werden reine Formsache sein“, sagte dazu in Berlin Natalia Morar vom russischen Magazin The New Times. „Nicht alle Interessierten konnten sich registrieren lassen. Und die Kandidaten, die antreten dürfen, haben keinen gleichberechtigten Zugang zu den Massenmedien.“
Weiter sagte Morar: „An Festnahmen von und Mord an Journalisten hat man sich in Russland gewöhnt. Die Medien unterliegen faktisch einem staatlichen Monopol. Unter diesen Umständen von Meinungsfreiheit in Russland zu sprechen, ist eigentlich schon unanständig.“

Zu der Situation in Simbabwe vor den Wahlen nahm der simbabwische Journalist Itai Mushekwe Stellung: „Unabhängige Medien existieren in Simbabwe so gut wie nicht mehr. Ausländische Berichterstatter sind kürzlich offiziell zu unerwünschten Personen erklärt worden. Dies schüchtert einheimische Journalisten zusätzlich ein, die ohnehin schon unter massiven Repressionen leiden.“ Mushekwe kann derzeit nicht zurück in seine Heimat. Wegen seiner regierungskritischen Berichterstattung steht er auf einer Liste missliebiger Journalisten, von denen einige schon angegriffen oder verhaftet wurden. Ein Kollege überlebte einen Mordanschlag nur knapp.

In dem Jahresbericht 2007 äußert ROG sich auch besorgt über die Sicherheit von Journalisten, die von den Kämpfen in Sri Lanka, den Palästinensischen Autonomiegebieten, Somalia, Niger, Tschad und vor allem aus dem Irak berichten. Gerade im Irak, so ROG „werden noch immer fast jede Woche Journalisten beerdigt.“

Weiterhin kritisiert die Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit die Zensur der Neuen Medien scharf, vor allem in China im Vorfeld der Olympischen Spiele, die diesen Sommer in Peking stattfinden.

„Außer dem Internationalen Olympischen Komitee glaubt niemand, dass sich die Lage der Menschenrechte vor dem Beginn der Spiele noch entscheidend verbessert“, so ROG. „Sobald ein Journalist oder Weblogger aus der Haft entlassen wird, wandert ein anderer hinter Gitter.“


Der 167-seitige ROG-Jahresbericht gibt eine Übersicht über die Lage der Pressefreiheit weltweit und beschreibt detailliert die Lage in 98 Ländern, darunter Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie die USA.

Der komplette Bericht (auf Englisch) zum Download.

Die Länderberichte für Deutschland, Russland und Simbabwe (auf Deutsch).


Neben der Pressekonferenz in Berlin mit dem Schwerpunkt zu den Wahlen in Russland und Simbabwe präsentiert ROG den Bericht auch in Washington und hat dort Journalistinnen und Journalisten aus Irak, China, Eritrea und Pakistan zu Gast.

WEITERE INFORMATIONEN:
Katrin Evers
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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