07.01.2010

ROG warnt vor Zensur-Offensive im Internet

Reporter ohne Grenzen (ROG) ist besorgt über Pläne der weißrussischen Regierung, Internet-Kontrollen zu verschärfen. Präsident Alexander Lukaschenko bestätigte am 30. Dezember, dass seine Regierung letzte Details eines entsprechenden Gesetzentwurfs ausarbeitet. Eine erste Version wurde den Medien am 14. Dezember zugespielt. Die Beratungen über den Entwurf finden bisher nur im Verborgenen statt.

„Wir sind höchst besorgt angesichts der Gesetzesvorlage“, so ROG. In einem Land, in dem freie Meinungsäußerung bereits eingeschränkt wird, gefährden die Regierungspläne die freie Rede im Internet und das Recht, Meinungen anonym und ohne Angst vor Repressionen kundzutun. Nachdem das Regime fast sämtliche traditionellen Medien unter seine Kontrolle gebracht hat, startet es nun eine Offensive gegen die Neuen Medien.“

Das Gesetz soll sämtliche Online-Publikationen meldepflichtig und jeden Internet-Nutzer identifizierbar machen – sowohl in Internet-Cafés als auch in Privathaushalten. Kunden von Internet-Cafés müssten ihre Ausweise vorzeigen, um online gehen zu können. Internetdienstanbieter wären verpflichtet, persönliche Daten aus den Ausweispapieren der Polizei und den Gerichten zugänglich zu machen sowie speziellen Dienststellen, die in Weißrussland alle veröffentlichten Nachrichten beobachten. Beinhaltet eine Seite Material, das von der Regierung als „extremistisch“ eingestuft wird, könnten Provider auch ohne Gerichtsbeschluss gezwungen werden, die Seite zu blockieren.

Jede Website muss in einem Verfahren registriert werden, das noch vom Kabinett und von einer dem Büro des Präsidenten unterstellten Behörde, der „Zentrale für Operationen und Analysen“, zu bestimmen ist. Die Zentrale wäre zudem für die Überwachung der Seiteninhalte zuständig.

Präsident Lukaschenko versuchte am 30. Dezember Kritiker des Gesetzentwurfs zu beschwichtigen: Er erklärte, dass „die Regierung niemanden davon abhalten wird, irgendetwas zu tun, und nichts verbieten will“. In früheren Äußerungen hatte der Präsident jedoch bekundet, dass die weißrussische Internetpolitik auf dem chinesischen Modell basieren solle. „Die Versicherungen des Präsidenten können den repressiven Kern des Entwurfs nicht verbergen, der Internetnutzer möglicherweise zur Selbstzensur treibt“, kritisiert ROG.

„Das Gesetzesvorhaben sollte aufgegeben werden, sonst wird Weißrussland bald zusammen mit Ländern wie Nordkorea, China und Iran auf der ROG-Liste der ‚Feinde des Internets’ stehen“, so ROG weiter. Weißrussland fällt bereits in die Gruppe der Länder, die bei ROG „unter Beobachtung“ stehen, da es in dem Land nur einen Internetdienstanbieter gibt („Beltelekom“) und Websites von Oppositionsgruppen bei großen politischen Anlässen blockiert werden. Besitzer von Internetcafés sind zudem nach einer Verordnung vom Februar 2007 dazu verpflichtet, die Polizei über Kunden zu informieren, die „sensible“ Seiten besuchen. Sie müssen außerdem Aufzeichnungen über sämtliche, in den vergangenen zwölf Monaten von einzelnen Computern aufgerufene, Websites aufbewahren und auf Nachfrage der Polizei zugänglich machen.

Trotz allem galt das Internet in Weißrussland bisher noch als ein Ort dynamischer Meinungsäußerung mit ungefähr drei Millionen Bloggern. Ein im August 2008 verabschiedetes Pressegesetz zur Registrierung von Medien gilt nicht für das Internet. Der nun ausgearbeitete Gesetzentwurf soll diese Lücke schließen und die in Regierungskreisen als „Online-Anarchie“ bezeichnete Freiheit im Internet beenden.

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