USA 18.01.2021

Sorge um Sicherheit vor Biden-Amtseinführung

Protestierende und Medienschaffende stehen um einen Haufen aus zerstörtem journalistischem Equipment herum
Protestierende und Medienschaffende stehen um einen Haufen aus zerstörtem journalistischem Equipment © picture alliance / AA Tayfun Coskun

Kurz vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Joe Biden ist Reporter ohne Grenzen (RSF) ernsthaft besorgt um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, die am Mittwoch (20. Januar) über die Veranstaltung in Washington berichten. RSF fordert die US-Behörden auf, rund um die Amtseinführung alles zu tun, um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen Berichterstattende bei Protesten künftig generell besser geschützt und Verstöße gegen die verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit konsequent geahndet werden. Während des Sturms auf das US-Kapitol am 6. Januar sind zahlreiche Medienschaffende attackiert worden, Ausrüstung im Wert von mehreren zehntausend US-Dollar wurde zerstört.

„Die Berichte von Journalistinnen und Journalisten, die vom Sturm auf das Kapitol berichtet haben, sind erschütternd. Wir verurteilen die Gewalt auf das Schärfste“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Behörden müssen die Angreiferinnen und Angreifer zur Rechenschaft ziehen und sicherstellen, dass Berichterstattende am Tag von Joe Bidens Amtseinführung und darüber hinaus ungestört ihrer Arbeit nachgehen können. Nach vier Jahren wachsender Unsicherheit angesichts ständiger Aggression von US-Präsident Donald Trump und seinen Anhängerinnen und Anhängern braucht es eine 180-Grad-Wende.“

RSF begrüßt die Erklärung der US-Staatsanwaltschaft für den District of Columbia vom 12. Januar, dass sie gegen jede Person „ermitteln, sie strafrechtlich verfolgen und zur Verantwortung ziehen“ werde, die am 6. Januar in Washington Berichterstattende attackiert hat – egal ob in Form von „Angriffen, Bedrohungen oder Beschädigung von Eigentum“.

Während des gewalttätigen Aufstands vom 6. Januar beschädigte der Pro-Trump-Mob zahlreiche Kameraausrüstungen und andere Geräte von Berichterstattenden, unter anderem von The Associated Press (AP), The New York Times, ZDF und Le Figaro. Die Randalierenden skandierten: „We are the news now!“ und „CNN sucks“. Auch sollen sie ein Kamerakabel zu einem Galgenstrick geformt haben. Andere schrieben die Worte „Murder The Media“ an eine Tür im Kapitol.

Angriffe mit roher Gewalt

Zahlreiche Medienschaffende berichteten über Beschimpfungen, Bedrohungen und Einschüchterungen, einige wurden auch mit roher Gewalt körperlich angegriffen. Das Projekt US Press Freedom Tracker, das von RSF mit getragen wird, hat viele Vorfälle dokumentiert. So wurde der AP-Fotograf John Minchillo unter anderem von mehreren Protestierenden gestoßen, über eine Mauer gedrängt und mit dem Tode bedroht. Er blieb unverletzt. Der freie Fotograf Nate Gowdy wurde beschimpft, weil er Fotos machte und eine Maske trug. Auch er wurde über eine Balustrade geschubst, konnte aber auf seinen Füßen landen. Dem freien Fotojournalisten John Harrington schlug ein Trump-Unterstützer einen Feuerlöscher gegen den Kopf, auch ein Stuhl wurde nach ihm geworfen. Der freiberufliche Korrespondent Douglas Christian erhielt einen Faustschlag ins Gesicht. Er gab an, der Angreifer habe ihn danach weiter verfolgt, während ein in der Nähe stehender Polizist nichts unternahm.

Auch deutsche Medienteams wurden bedrängt. Das Team des ZDF wurde laut Studioleiter Elmar Theveßen unter anderem mit „fake news“ beschimpft und in die Flucht getrieben, die Ausrüstung wurde zerschlagen. Sie soll einen Wert von 30.000 Euro gehabt haben. Die ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier musste aus Sicherheitsgründen eine Live-Schalte abbrechen.

Andere Medienschaffende gerieten in die Schusslinie zwischen Polizei und Randalierenden oder wurden direkt von Sicherheitskräften angegriffen. Aymann Ismail, Reporter des Online-Magazins Slate, wurde von einem Sicherheitsmann des Kapitols zurückgeschoben, um die hinter ihm vordrängenden Massen aufzuhalten. Die Fotojournalistin Amanda Andrade-Rhoades, für die Washington Post vor Ort, wurde vermutlich von mehreren Gummigeschossen getroffen, mit denen die Polizei den Mob unter Kontrolle bringen wollte.

Die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende haben sich im Verlauf der Präsidentschaft Donald Trumps und vor allem im vergangenen Jahr dramatisch verschlechtert. Der US Press Freedom Tracker zählte allein im Jahr 2020 mindestens 856 Aggressionen gegen Journalistinnen und Journalisten, die über Proteste berichteten. Die meisten dieser Vorfälle waren vorsätzliche körperliche Angriffe auf eindeutig identifizierbare Berichterstattende rund um die Black-Lives-Matter-Proteste, die sich auf mindestens 33 Bundesstaaten verteilten.

Nach der Präsidentenwahl im November forderte RSF den künftigen US-Präsidenten Joe Biden auf, den ungeheuren Schaden, den sein Vorgänger Donald Trump angerichtet hat, zu korrigieren und nach seinem Amtsantritt unverzüglich gegen die Feindseligkeit gegenüber Journalistinnen und Journalisten zu beenden. In diesem Zusammenhang hat RSF Biden zudem aufgefordert, den RSF Press Freedom Pact zu unterzeichnen, mit dem sich bereits vor der Wahl rund 50 Kandidatinnen und Kandidaten für den Kongress zur Pressefreiheit bekannt haben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die USA auf Platz 45 von 180 Staaten.

 



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