Russland 10.07.2007

Untersuchungsmission von ROG / Zuschlag für Olympia: Journalistenmorde aufklären

Vom 24. bis 28. Juni hat Reporter ohne Grenzen (ROG) sich in Russland über den aktuellen Stand der Ermittlungen im Fall Anna Politkowskaja und anderer ermordeter Journalisten informiert. Zudem fordert ROG, dass die Behörden nach der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2014 an das russische Sotschi die Aufklärung der Morde an Journalisten in dem Land vorantreiben müssen.

„Die Lage der Pressefreiheit in Russland ist weiterhin ein Grund zur Sorge. Die Aufklärung der gewaltsamen Tode von Journalisten bleibt ein zentrales Problem“, erklärte die Organisation, die in Moskau Familien und Arbeitgeber ermordeter Journalisten getroffen hat.

„Es beruhigt uns keineswegs, dass ein neues Ermittlungskomitee der Staatsanwaltschaft im September 2007 seine Arbeit beginnen soll“, so ROG. Vielmehr ist dessen Unabhängigkeit fraglich, denn die Leitung wird der Jurist Alexander Bastrykin, enger Vertrauter und Studienkollege von Wladimir Putin, übernehmen. „Die bisherigen Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft waren nicht das Problem. Bislang hat der aufrichtige Wille zur Aufklärung der Verbrechen gefehlt. Ein neues Komitee mit unklaren Kompetenzen ändert daran nichts“, so das Urteil von ROG.

Obwohl sich die Staatsanwaltschaft zufrieden mit den Ermittlungen zum Mord an Anna Politkowskaja zeigt, sind noch keine Ergebnisse veröffentlicht worden. Der Generalbundesanwalt erklärte lediglich, dass er gute Chancen sieht, die Schuldigen zu finden. Sechs unterschiedlichen Versionen würden derzeit überprüft.

Die Angehörigen der Journalistin befürchten, dass die wirklichen Auftraggeber in Ruhe gelassen und nur die Ausführenden bestraft werden. Ihr anfängliches Vertrauen in die Justiz ist erschüttert. Kürzlich erschienen in der russischen Presse Vermutungen über eine Verstrickung des Geschäftsmannes Boris Beresowskis in den Mord an der Journalistin der „Novaya Gazeta“. Doch scheint dies ein Versuch zu sein, die Aufmerksamkeit von Versionen abzulenken, die für die russischen Machthaber unbequem sind.

Der bereits für den 14. März angesetzte Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des ehemaligen Forbes-Chefredakteurs Paul Klebnikov konnte bislang nicht stattfinden. Einer der Hauptangeklagten, Kazbek Dukuzov, ist angeblich verschwunden. Am 18. Juni jedoch ist Dukuzov im russischen Fernsehen aufgetreten. Im Interview erklärte er, sich nicht vor der Justiz zu verstecken.

Seit März 2000 sind in Russland 20 Journalisten aufgrund ihres Berufs getötet worden. Iwan Safronov von der Zeitung „Kommersant“ starb am 2. März 2007 nach einem Sturz aus dem vierten Stock seines Wohnhauses. Er könnte der 21. sein. Zwar erklärte die Staatsanwaltschaft am 29. Juni, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Recherchen des Journalisten und seinem Tod gäbe. Doch laut Safronovs Angehörigen und Kollegen gibt es keinen Grund für einen Selbstmord. Seine Recherchen über russische Waffenverkäufe in den Nahen Osten sollten aus Sicht von ROG bei der Suche nach einem Tatmotiv nicht vernachlässigt werden.

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