Philippinen 19.12.2019

Urteil zehn Jahre nach Massaker

Menschen in Quezon fordern Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers
Menschen in Quezon fordern Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers © picture alliance / AP Photo

Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt das Urteil im Prozess um das Massaker an 32 Journalistinnen und Journalisten auf den Philippinen vor rund zehn Jahren. Gleichzeitig ist die Organisation besorgt über die vielen Freisprüche und fordert die Justizbehörden auf, weiter zu ermitteln. Ein Gericht in der Stadt Quezon verurteilte heute 28 Angeklagte, unter ihnen acht Mitglieder des mächtigen Ampatuan-Clans, zu langjährigen Haftstrafen. Bei dem Massaker waren am 23. November 2009 in der Provinz Maguindanao insgesamt 58 Menschen ermordet worden. Es ist bis heute der tödlichste Anschlag gegen Journalistinnen und Journalisten weltweit.

„Wir begrüßen die angemessenen Strafen für die Verantwortlichen dieses grausamen Verbrechens. Aber das Urteil ist nur ein erster Schritt auf dem langen Weg zur Gerechtigkeit für die Angehörigen von ermordeten Journalistinnen und Journalisten auf den Philippinen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Die drei Brüder Anwar Ampatuan Sr, Andal Ampatuan Jr und Zaldy Ampatuan gelten als Drahtzieher hinter dem Massaker und wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die weiteren Angeklagten erhielten Gefängnisstrafen zwischen sechs und 40 Jahren. Das Gericht sprach mehr als 50 Angeklagte wegen Mangels an Beweisen frei. Dutzende weitere Verdächtige wurden bisher nicht angeklagt.

Die 32 Medienschaffenden hatten im November 2009 einen Konvoi mit Unterstützerinnen und Unterstützern des Politikers Esmael Mangudadatu begleitet. Die Wagenkolonne war auf dem Weg in ein Wahlbüro, um die erforderlichen Unterlagen für seine Kandidatur bei den Gouverneurswahlen der Provinz Maguindanao einzureichen. Mangudadatu wollte gegen Andal Ampatuan Jr antreten, den Sohn des damals regierenden Gouverneurs Andal Ampatuan Sr und Anführer des mächtigen Ampatuan-Clans. Die Journalistinnen und Journalisten arbeiteten für lokale und nationale Zeitungen, Fernseh- und Radiosender und wollten über die politische Initiative von Mangudadatu berichten.

Um neun Uhr morgens fuhr der Konvoi auf einer Straße in Richtung der Stadt Shariff Aguak, als ihn rund 100 Männer überfielen und entführten. Sie ermordeten die Mitreisenden in der Nähe der Dörfer Salman und Malating, ungefähr zehn Kilometer von einer Hauptstraße entfernt. Die Täter sollen einige Opfer vergewaltigt, gefoltert und enthauptet haben. Die Leichen vergruben sie in einem Massengrab. Unter den Opfern waren auch Mangudadatus Ehefrau sowie seine Schwester und weitere Verwandte. Einige Zeugen sagten aus, dass Andal Ampatuan Jr die Gruppe der 100 Männer angeführt habe.

Korruption in der Justiz und Drohungen gegen Zeugen

Am 8. September 2010 wurde der Prozess eröffnet. Von Beginn an haben Mitglieder der Ampatuan-Familie versucht, den Justizapparat einzuschränken, darunter auch “El Padre” Andal Ampatuan Sr.  Das Familienoberhaupt wurde als mutmaßlicher Anstifter des Verbrechens angeklagt. Er starb 2015 an Leberkrebs. Im August 2014 berichtete GMA News, dass einige Staatsanwälte bewusst die Ermittlungen hinauszögerten und im Gegenzug Bestechungsgelder erhielten.

Aquiles Zonio, Korrespondent bei der Zeitung Philippines Daily Inquirer, berichtete 2010, dass er Todesdrohungen erhalten habe, die ihn von einer Aussage gegen Andal Ampatuan Sr und seine Männer abhalten sollten. Er schrieb auch über Fälle von Einschüchterung, Drohungen, und Gewalt gegen Polizisten, die in Polizei-Berichten die Ampatuan-Familie beschuldigten.

Weitere Zeugen und Personen, die in den Fall involviert waren, wurden das Ziel von Bestechungsversuchen und in einem Fall sogar Mord: Im November 2014 starb ein Fahrer der Familie Ampatuan. Verbündete von Andal Ampatuan Jr haben wiederholt den Kronzeugen und stellvertretenden Bürgermeister Sukarno Badal unter Druck gesetzt. Doch er blieb bei seiner Aussage, dass er gesehen habe, wie Andal Ampatuan Jr während des Massakers Menschen erschossen haben soll.

Präsident rechtfertigte Morde an Journalisten

Die Philippinen gehören zu den gefährlichsten Ländern für Journalistinnen und Journalisten in Asien.  Wenige Wochen nach seiner Wahl im Mai 2016 rechtfertigte der designierte philippinische Präsident Rodrigo Duterte die Ermordung von Medienschaffenden. So sagte er auf einer Pressekonferenz: „Nur weil du ein Journalist bist, bist du von Attentaten nicht ausgenommen, wenn du ein Hurensohn bist.” Laut ROG-Zählungen sind seit Amtsantritt von Duterte im Juni 2016 mindestens 14 Journalistinnen und Journalisten auf den Philippinen ermordet worden – in den meisten Fällen, weil sie lokale Politiker kritisiert hatten. Bisher wurde niemand wegen dieser Morde verurteilt.

In diesem Jahr sind auf den Philippinen mindestens drei Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet worden. Ende Oktober schossen zwei Männer in der südlichen Provinz Sultan Kudarat fünf Mal auf den Radiojournalisten Benjie Caballero. Laut Angaben seiner Freunde hatte der Manager von Radyo ni Juan wenige Tage vor dem Angriff in einem Facebook-Beitrag von Drohungen gegen ihn berichtet. Anfang Dezember erlag Caballero seinen Verletzungen. Am 7. November erschossen zwei Männer den Journalisten Dindo Generoso in der Provinz Negros Oriental. Generoso war Radiomoderator beim Sender dyEM 96.7 Bai Radio und hatte immer wieder eine beliebte Form des Glücksspiels kritisiert.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Philippinen auf Platz 134 von 180 Staaten.



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