Jemen 05.01.2010

Verstärkte Repressionen gegen Medien im Schatten des Anti-Terrorkampfes

Reporter ohne Grenzen (ROG) beklagt, dass die jemenitische Regierung die internationale Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus in dem Land dazu missbraucht, noch massiver gegen Presse- und Meinungsfreiheit vorzugehen.

Gestern kam es bei Protesten gegen das Verbot einer Zeitung in Aden im Süden des Landes zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Mehr als 200 Menschen waren der Aufforderung mehrerer jemenitischer Menschenrechtsorganisationen gefolgt und hatten sich am 4. Januar gegen 15 Uhr (Ortszeit) vor dem Sitz der Zeitung Al Ayyam versammelt. Die Teilnehmer protestierten gegen die zwangsweise Schließung der Zeitung im Mai vergangenen Jahres und forderten deren Wiederöffnung.

 „Die Regierung von Ali Abdallah Saleh nutzt die internationale Unterstützung beim Anti-Terrorkampf durch ausländische Staaten, um willkürlich die Rechte der Bevölkerung zu verletzen“, kritisiert ROG. „Die internationale Gemeinschaft muss auf die Einhaltung der Menschenrechte im Jemen beharren.“

„Die Sicherheitskräfte haben um 16.07 Uhr nachmittags das Feuer auf die Menge eröffnet. Die Polizei hat sogar auf einen von ihren eigenen Männern gezielt, damit es so aussieht, als wären die Demonstranten bewaffnet, obwohl tatsächlich alle nur hergekommen waren, um friedlich zu protestieren“, berichtete der Chefredakteur von Al-Ayyam, Hischam Baschraheel, gegenüber ROG.

Seit dem Verbot von Al-Ayyam am 4. Mai 2009 wegen „Gefährdung der nationalen Einheit des Landes“ kam es mehrfach zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Unterstützern des Blattes. Dabei hatten die staatlichen Einheiten am 13. Mai 2009 sogar mit Maschinengewehren auf das Gebäude mit den Büros der Zeitung geschossen.

Am 15. Juli wurde darüber hinaus ein Korrespondent der Zeitung, Anis Ahmed Mansur Hamida, zu 14 Monaten Gefängnis nach einem politisch motivierten Prozess wegen „Beeinträchtigung der nationalen Einheit“ und „Separatismus“ verurteilt. Der Journalist ist immer noch im Gefängnis.

Es gibt außerdem keine Neuigkeiten zur Situation von Chalid Dschahafi, ein Journalist der oppositionellen Nachrichten-Website Alsahwa.net. Dschahafi wurde am 27. Dezember 2009 festgenommen, als er Fotos von Zusammenstößen zwischen Polizisten und Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung im Süden machte. Einen Tag später wurde Schafi‘ Al-Abd, Mitarbeiter der Zeitung Al-Nada, zusammen mit vier Mitgliedern der Leitung des „Verbands der Jugendlichen des Südens“ in Aden verhaftet. Die Gruppe wurde ins Gefängnis von Khormaksar in der Provinz Aden überführt. Der Journalist wird beschuldigt, eine politische Partei gegründet  und damit die „Sicherheit und nationale Einheit“ gefährdet zu haben.

Ein Gerichtshof in der Provinz von Lahidsch hat darüber hinaus ein weiteres Mal den Prozess gegen den Journalisten Ijad Ghanem auf unbekannte Zeit verschoben. Ghanems Gesundheitszustand hat sich infolge eines seit zwei Wochen dauernden Hungerstreiks verschlechtert. Der Journalist wurde vor sechs Monaten verhaftet, nachdem er eine Versammlung von Unterstützern der südlichen Rebellengruppen in der Stadt Korsch gefilmt hatte.

Schließlich gibt es seit dem 18. September keine Nachrichten mehr über den Verbleib des Journalisten Mohammed Al-Makalih, der unter ungeklärten Umständen verschwunden ist. Viele jemenitische Medienvertreter vermuten, dass Sicherheitskräfte für Al-Makalihs Entführung verantwortlich sind. Die Behörden weisen diesen Vorwurf zurück. Fuad Raschid, der  Herausgeber der Website Al-Mukalla Press sowie Salah Al-Sakladi, verantwortlich für die Adengulf-Website, sind ebenfalls weiter in Haft.

Auf der aktuellen ROG-Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit steht der Jemen auf Platz 167 von insgesamt 175. Vor allem seit Mai 2009 beobachtet ROG eine rapide Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Journalisten. Die Regierung versucht Medienmitarbeiter insbesondere an einer Berichterstattung über die Militäroperationen gegen Rebellen im Norden und über separatistische Bestrebungen im Süden des Landes zu hindern. Wer über solche sensiblen Themen berichtet, muss körperliche Angriffe, Verhöre, Klagen, willkürliche Festnahmen, Entführungen und Einzelhaft fürchten.

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