Offener Brief an Bundesregierung 29.04.2020

Pressefreiheit bei TERREG berücksichtigen

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In einem offenen Brief fordern Reporter ohne Grenzen (RSF) und andere Organisationen die Bundesregierung auf, sich bei den Verhandlungen über eine EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte stärker für den Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen. In dem Brief an Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht weisen RSF, Wikimedia Deutschland, der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di und das Whistleblower Netzwerk auf die besondere Rolle hin, die Deutschland durch den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2020 bei den Verhandlungen über die Verordnung einnimmt, und fordern umfassende Nachbesserungen.

Der Entwurf für eine EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (sog. Terreg-Verordnung) wurde im September 2018 von der EU-Kommission vorgestellt. Seit Oktober vergangenen Jahres verhandeln EU-Parlament und Europäischer Rat in Trilog-Verhandlungen über die unterschiedlichen Entwürfe. Trotz Corona-Einschränkungen drängt die Kommission auf baldige Fortsetzung der finalen Verhandlungen.

„Deutschland spielt in den Trilog-Verhandlungen eine wichtige Rolle und hat die Chance, aktiv auf die Gestaltung der Verordnung Einfluss zu nehmen“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Der Entwurf der EU-Kommission enthält schwammige Formulierungen, die Missbrauch ermöglichen und dringend konkretisiert werden müssen. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass für Medienschaffende und Whistleblower Ausnahmen gelten und ihre Beiträge nicht unter diese Verordnung fallen.“

Ausnahmen für Berichterstattung und klare Definitionen gefordert

In ihrem Brief fordern die unterzeichnenden Organisationen, journalistische Inhalte, Whistleblowing sowie Inhalte zum Zwecke von Forschung, Bildung oder Kunst ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herauszunehmen und stellen sich damit hinter den Änderungsvorschlag des EU-Parlaments.

Wichtig sei außerdem, die Definition von „terroristischem Inhalt“ enger und klarer zu fassen und auf offensichtlich illegale Handlungen wie Anstiftung oder Beihilfe zu beschränken. Laut dem bisherigen Entwurf fallen darunter auch die „Befürwortung“ terroristischer Straftaten, die „Ermutigung“ an solchen mitzuwirken oder die „Förderung der Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung“ – vage Formulierungen, die in zahlreichen autoritären Staaten dazu benutzt werden, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

„Sowohl bei den Definitionen als auch beim Anwendungsbereich der Verordnung muss dringend nachgearbeitet werden, um journalistische Berichterstattung und legitime Meinungsäußerungen vor unberechtigter Sperrung zu schützen. Die Bundesregierung sollte sich für zielführende Maßnahmen einsetzen, die weder staatlichen Missbrauch noch einen übermäßigen Verlass auf fehleranfällige Filtertechnik begünstigen“, sagte Mihr.

Kritik an Upload-Filtern und zu kurzen Löschfristen

Problematisch ist zudem, dass der bisherige Entwurf der Verordnung die Entscheidung darüber, ob Inhalte rechtmäßig sind, weitgehend den Plattformen und Diensten überlässt und dafür ausdrücklich eine Vorfilterung mithilfe so genannter Uploadfilter empfiehlt. RSF hat Uploadfilter wiederholt als Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit kritisiert und fordert in dem offenen Brief, dass Entscheidungen über die Sperrung von Inhalten von Menschen beaufsichtigt werden müssen und nicht allein von Algorithmen getroffen werden dürfen.

Des Weiteren kritisieren die unterzeichnenden Organisationen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Frist von einer Stunde für staatliche Löschanordnungen als zu kurz und fordern eine richterliche Überprüfung behördlicher Anordnungen. 



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