Pegasus-Projekt 21.07.2021

RSF klagt gegen digitale Überwachung

Smartphone
© picture alliance / dpa / MAXPPP / Jean-François Frey

Angesichts der Enthüllungen rund um die Pegasus-Überwachungssoftware der israelischen NSO Group hat Reporter ohne Grenzen in Paris Klage eingereicht. RSF fordert die Staatsanwaltschaft dazu auf zu klären, wer für die gezielte Überwachung von Journalisten und Reporterinnen verantwortlich ist. Zusätzlich hat RSF an den israelischen Premierminister Naftali Bennett appelliert, ein sofortiges Moratorium für den Export von Überwachungstechnologie zu beschließen.

Die NSO Group ist zwar kein israelisches Staatsunternehmen. Aber der Staat Israel erteilt diesem und anderen auf Überwachung und Spionage spezialisierten Unternehmen die für den Vertrieb mit ausländischen Staaten erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen. Das Moratorium muss so lange gelten, bis ein wirksamer Schutzrahmen geschaffen wurde. Allerdings hat Israel das Wassenaar-Abkommen nicht unterzeichnet, die bedeutendste internationale Übereinkunft zur Exportkontrolle. Es greift also keine Regulierungsinstanz, ohnehin ist das Wassenaar-Abkommen nicht bindend.

„Wir werden alles dafür tun, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die NSO Group hat einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit weltweit ermöglicht und zahlreiche Journalistinnen und Journalisten in persönliche Tragödien gestürzt. Die erste Klage haben wir in Paris eingereicht, weil Frankreich stark betroffen ist und weil das internationale RSF-Sekretariat hier sitzt. Aber weil die Dimension der Überwachung so riesig ist, werden wir mit Sicherheit weitere Klagen anstrengen.“

Betroffen sind 180 Journalistinnen und Journalisten in 20 Ländern

Das Pegasus-Projekt hatte am Montag enthüllt, dass mit der Spyware des Unternehmens 180 Journalistinnen und Journalisten in 20 Ländern überwacht wurden. Zu den Zielen der staatlichen Überwachung gehören auch Medienschaffende in Ungarn und Aserbaidschan, etwa Sevinj Vaqifqizi Abbasova, die derzeit Stipendiatin von RSF in Berlin ist. Die Überwachenden konnten somit sämtliche Kommunikation der Journalistin auslesen.

In Frankreich gerieten 30 Journalistinnen und Journalisten ins Visier der Überwachung. Die in Paris eingereichte Klage nennt die NSO Group nicht direkt, zielt aber auf sie ab. Nach RSF-Einschätzung verletzen die Vorgänge mehrere Artikel des französischen Strafgesetzbuches: Eindringen in die Privatsphäre (Art. 216-1), Verletzung des Briefgeheimnisses (Art. 226-15), betrügerische Erhebung personenbezogener Daten (Art. 226-18), betrügerische Einschleusung und Entnahme von Daten sowie Zugriff auf automatisierte Datensysteme (Art. 323-1 und 3, 462-2) sowie unangemessener Eingriff in die Meinungsfreiheit und Verletzung des Quellengeheimnisses (Art. 341-1).

Die beiden marokkanisch-französischen Journalisten Omar Brouksy und Maati Monjib haben die RSF-Klage mitunterzeichnet. Die Beschwerde legt dar, dass die Pegasus-Spyware eingesetzt wurde, um sie und weitere Journalistinnen und Journalisten ins Visier zu nehmen, die den marokkanischen Behörden ein Dorn im Auge sind. Omar Brouksy arbeitet in Marokko aktiv mit RSF zusammen, ist Autor zweier Bücher über das Königshaus in Rabat und früherer AFP-Korrespondent. Der Journalist und Historiker Maati Monjib ist im März nach einem 20-tägigen Hungerstreik aus der Haft entlassen worden. Die Behörden hatten ihn im Januar wegen angeblichen Betrugs und Unterwanderung der nationalen Sicherheit zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. RSF hatte sich für seine Freilassung eingesetzt.

Klagen gegen NSO Group und FinFisher

Die NSO Group war bereits 2019 Ziel mehrerer Beschwerden. Damals war bekannt geworden, dass die Smartphones von etwa hundert Journalisten, Menschenrechtsaktivistinnen und Dissidenten überwacht wurden. Auch der Nachrichtendienst WhatsApp hatte Klage wegen eines Überwachungsangriffs gegen etwa 1400 Nutzerinnen und Nutzer des Anbieters eingereicht.

Auf dem Markt für Überwachungstechnologie sind neben Israel auch europäische und US-amerikanische Unternehmen aktiv. Gegen die deutsche Spyware-Firma FinFisher hat RSF 2019 gemeinsam mit weiteren Organisationen strafrechtliche Ermittlungen angestoßen. Darin ging es um den Vorwurf, dass die in München ansässigen Unternehmen FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und Elaman GmbH die Spionagesoftware FinSpy ohne Genehmigung der Bundesregierung an die türkische Regierung verkauft haben soll. Auch in Ägypten sei die Software zum Einsatz gekommen. Im Oktober 2020 wurden Wohn- und Geschäftsräume des Konzerns im In- und Ausland durchsucht.

Sowohl die NSO Group als auch FinFisher stehen auf der RSF-Liste der Feindinnen und Feinde des Internets.

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