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Großbritannien / USA 24.01.2022

Assange darf vor den Supreme Court ziehen

Die Verlobte von Julian Assange, Stella Moris, nach der Entscheidung des Gerichts. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alastair Grant
Die Verlobte von Julian Assange, Stella Moris, nach der Entscheidung des Gerichts. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alastair Grant

Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßt die Entscheidung des britischen High Court, die Berufung des Wikileaks-Gründers Julian Assange vor dem Supreme Court zuzulassen. Assange und sein Team könnten damit erreichen, dass seine im Dezember grundsätzlich zugelassene Auslieferung an die USA vom höchsten Gericht Großbritanniens überprüft wird. Assanges Rechtsbeistand hat nun 14 Tage Zeit, einen Antrag beim Supreme Court einzureichen. Bis zu einer Entscheidung, ob der Fall dort überhaupt angenommen wird, könnten allerdings mehrere Monate vergehen.  

Sollte der Fall angenommen werden, würde der Supreme Court offene Fragen rund um die diplomatischen Zusicherungen prüfen, mit denen die US-Regierung Bedenken hinsichtlich der Behandlung von Assange im Falle seiner Auslieferung ausräumen will. Diese Zusicherungen waren erst vor der Berufungsphase des Verfahrens eingereicht worden, konnten also in der Beweisaufnahmephase nicht geprüft werden. Julian Assange kann die Begründung des High Courts, die US-Regierung habe diese diplomatischen Zusicherungen zu spät vorgelegt, in seinem Berufungsgesuch nutzen.

„Dass Julian Assange gegen seine drohende Auslieferung vor den Supreme Court ziehen darf, begrüßen wir sehr“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Dieses Verfahren ist ein Präzedenzfall mit enormen Auswirkungen auf den Journalismus und die Pressefreiheit in der ganzen Welt. Wir wünschen uns, dass die neue deutsche Bundesregierung die Tragweite erkennt und sich ebenfalls dafür einsetzt, Julian Assange freizulassen.“

Am 10. Dezember 2021 hatten dieselben Richter am High Court geurteilt, die Entscheidung einer Bezirksrichterin vom 4. Januar 2021 aufzuheben. Diese hatte Assanges Auslieferung wegen seines schlechten Gesundheitszustands untersagt. Der High Court hatte der Berufung der US-Regierung stattgegeben und sich dabei auf die diplomatischen Zusicherungen bezüglich der Behandlung von Assange im Falle seiner Auslieferung gestützt.

Wikileaks-Veröffentlichungen waren im öffentlichen Interesse

RSF ist der Ansicht, dass die USA Assange wegen seines Beitrags zum Journalismus verfolgt hat. Die Veröffentlichung von Hunderttausenden geleakter Dokumente durch Wikileaks im Jahr 2010 hatte eine umfassende Berichterstattung auf der ganzen Welt zur Folge. Sie lag in höchstem Maße im öffentlichen Interesse, weil dadurch Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt wurden, für die nie jemand strafrechtlich belangt wurde. Sollte Assange in den USA vor Gericht gestellt werden, könnte er sich nicht darauf berufen, dass die Veröffentlichung dem öffentlichen Interesse gedient habe, weil das US-Spionagegesetz eine solche Bestimmung schlichtweg nicht enthält. Eine Anklage in den USA würde die ohnehin schon weitreichenden Auswirkungen des Falls auf den Journalismus und die Pressefreiheit auf der ganzen Welt noch verschärfen.

Julian Assanges geistige und körperliche Gesundheit hat unter der langen Haft im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sichtbar gelitten. Sein Zustand würde sich noch erheblich verschlechtern, wenn es den USA gelänge, seine Auslieferung zu erreichen. Im Dezember wurde bekannt, dass Assange während der Berufungsanhörung im Gefängnis einen Mini-Schlaganfall erlitten hatte. Im Januar wurde zudem berichtet, dass im Belmarsh-Gefängnis die Zahl der Covid-Infektionen wieder zunimmt.

Bundesregierung muss sich stärker für Assange einsetzen

RSF fordert auch von der neuen deutschen Bundesregierung, sich für Julian Assange starkzumachen. Noch in der Opposition, forderten die Grünen, die Partei der jetzigen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Assange müsse freigelassen werden. Unter dem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Stichwort „wertebasierte Außenpolitik“ sollte diese Haltung nun auch die Regierung vertreten. Wertebasierte Außenpolitik schließt mit ein, verbündete Regierungen wie Großbritannien und die USA zu kritisieren. Das hat Baerbock versäumt, als sie Ende des vergangenen Jahres auf die Entscheidung zur Auslieferung angesprochen wurde – sie sagte damals, sie habe das Urteil noch nicht gelesen. RSF fordert die Außenministerin und die Bundesregierung auf, sich klarer als die vorherige Regierung zu positionieren, deutlich die Freilassung Assanges zu fordern sowie an die USA zu appellieren, die Anklage fallen zu lassen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die USA auf Platz 44, Großbritannien auf Platz 33 von 180 Ländern.



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