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Iran 04.08.2020

Sorge um Covid-19-kranke Narges Mohammadi

Narges Mohammadi © picture alliance / AP Photo | Vahid Salemi

Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft den Iran auf, die an Covid-19 erkrankte Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi sofort aus der Haft zu entlassen. Selbst nachdem die gefährliche Lungenkrankheit bei der schwer vorerkrankten Mohammadi diagnostiziert worden ist, verweigert ihr die Justiz bislang die Verlegung in ein Krankenhaus, in dem sie angemessen versorgt werden könnte.

 „Wenn Narges Mohammadi nicht umgehend in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses verlegt wird, könnte ihr Leben in akuter Gefahr sein“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Die verzweifelte Lage dieser mutigen Frau zeigt die ganze Menschenverachtung des iranischen Regeims mit seinem Unterdrückungsapparat. Narges Mohammadi hätte für ihre friedliche Menschenrechtsarbeit niemals eingesperrt werden dürfen. Nun verweigert ihr die iranische Justiz in höchster Not selbst das elementare Recht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung.“

Irans Justiz verweigert der 48-Jährigen Mohammadi, die seit 2015 im Gefängnis sitzt, seit Jahren eine angemessene Behandlung ihrer schweren körperlichen und psychischen Leiden. Schon zu Beginn der Coronavirus-Pandemie, die den Iran besonders schwer getroffen hat, warnten RSF und andere deshalb vor den besonderen Gefahren einer Ansteckung für Mohammadi und weitere vorerkrankte politische Häftlinge in Irans überfüllten Gefängnissen.

Gesundheitszustand schnell verschlechtert

Mohammadi hatte am 29. Juni erste Symptome einer Covid-19-Erkrankung gezeigt. Danach verschlechterte sich ihr Zustand schnell, und am 5. Juli verlor sie zeitweise das Bewusstsein. Drei Tage später wurde sie auf Covid-19 getestet, am 11. Juli wurde bei ihr schließlich die Krankheit festgestellt. In einem offenen Brief vom 13. Juli prangerte Mohammadi die schlechten Haftbedingungen im Zentralgefängnis von Sandschan an, in das sie im Dezember verlegt worden war. Zu wenig Platz und mangelnde ärztliche Versorgung hätten zusammen mit der Nachlässigkeit der Gefängnisleitung zur Ausbreitung des Coronavirus in der Haftanstalt beigetragen.

Seit ihrer Diagnose sei sie ebenso wie elf Mitgefangene bettlägerig, berichtete Mohammadi weiter. Sie zeige Symptome wie extreme Müdigkeit, Unterleibsschmerzen, Durchfall und Erbrechen, erhalte aber keine angemessene Behandlung. Bilder des staatlichen Fernsehens, auf denen sie in einer Nachrichtensendung am 16. Juli in vermeintlich guter Verfassung präsentiert wurde, bezeichnete Mohammadi als inszeniert und ohne ihr Einverständnis aufgenommen. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten 16 Menschenrechtsberichterstatterinnen und -berichterstatter der Vereinten Nationen die Bilder als Verletzung von Mohammadis Privatsphäre und zeigten sich besorgt über mögliche weitere Covid-19-Fälle in Irans Gefängnissen, da viele vorsorglich freigelassene Häftlinge inzwischen zurückbeordert würden.

Jahrelange Schikanen durch Justiz und Geheimdienst

Die heute 48-jährige Mohammadi wurde vor allem als Sprecherin des von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi gegründeten Zentrums für Menschenrechtsverteidiger bekannt und vielfach für ihren Einsatz für die Menschenrechte ausgezeichnet. Sie sitzt seit Mai 2015 im Gefängnis und muss für Vorwürfe wie „Verschwörung gegen die Islamische Republik“, „Propaganda gegen die Regierung“ und Mitarbeit an einer verbotenen Kampagne zur Abschaffung der Todesstrafe zehn Jahre Haft verbüßen.

Schon vor ihrer aktuellen Gefängnisstrafe war sie jahrelang ständigen Schikanen von Justiz und Geheimdienst ausgesetzt. Nach einer früheren Verhaftung 2010 hatte Mohammadi infolge einer Serie von Verhören einen psychischen Zusammenbruch erlitten und musste mit einer Muskellähmung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Seitdem leidet sie an schweren körperlichen und psychischen Beschwerden, erhält jedoch allenfalls sporadisch Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung. 

Vergangenen Dezember wurde Mohammadi von Aufsichtspersonen im Evin-Gefängnis in Teheran schwer verprügelt, als sie gegen ihre willkürliche Verlegung in das 300 Kilometer entfernte Sandschan protestierte. Dennoch wurde sie letztlich unter Zwang dorthin gebracht. Danach verweigerte man ihr monatelang jeden Kontakt mit ihrem in Frankreich lebenden Ehemann und den gemeinsamen Kindern. Gleichzeitig wurde sie mit neuen Justizschikanen überzogen und wegen der absurden Anschuldigung vor Gericht gebracht, sie habe im Gefängnis während einer schiitischen Trauerzeit getanzt.

Der Iran steht auf Platz 173 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit. Derzeit sitzen dort mindestens 16 Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis. Ihre katastrophalen, teils lebensbedrohlichen Haftbedingungen sind seit Jahren Gegenstand der Kritik von Reporter ohne Grenzen und anderen Menschenrechtsorganisationen.



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