Länderportal

Türkei

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 165 von 180
Türkei 16.07.2016

Putschisten besetzen Medien, töten Fotograf

Ankara, 16. Juli 2016: Ein Demonstrant prügelt auf einen Journalisten ein. © picture alliance / AP Photo

Reporter ohne Grenzen verurteilt das Vorgehen der Putschisten in der Türkei gegen mehrere Medien. Bei dem gescheiterten Umsturzversuch am Wochenende hatten aufständische Soldaten die Sitze mehrerer wichtiger Medienhäuser besetzt.

"Die führenden türkischen Nachrichtenmedien haben während des versuchten Putschs ebenso wie wie viele mutige Bürger gezeigt, dass sie auf der Seite der Demokratie stehen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die türkische Regierung sollte dies sorgsam registrieren und aufhören, kritische Journalisten als Verräter und Terroristen zu behandeln. Die tiefe Spaltung der türkischen Gesellschaft wird sich nur überwinden lassen, wenn dabei Grundrechte wie die Pressefreiheit respektiert werden."

In der Nacht auf Samstag hatten aufständische Soldaten gegen Mitternacht die Studios der staatlichen Rundfunkanstalt TRT gestürmt. Sie zwangen die Moderatorin Tijen Karas, eine Erklärung der Putschistenführung zu verlesen, und unterbrachen dann das Programm. Auch der Sitz der kemalistischen Dogan-Mediengruppe in Istanbul wurde von Soldaten gestürmt; zu ihr gehören wichtige Medien wie die Fernsehsender CNN Türk und Kanal D sowie die Tageszeitung Hürriyet. Nach heftigen Wortwechseln mit den Soldaten wurden die Journalisten mit vorgehaltenen Waffen gezwungen, ihre Redaktionen zu verlassen, und der Sendebetrieb wurde eingestellt.

Ähnliche Szenen spielten sich beim Satelliten- und Kabelfernsehanbieter Digiturk ab. Die Polizei brachte anschließend alle besetzten Medienhäuser unter ihre Kontrolle, verhaftete die aufständischen Soldaten dort und ließ die Journalisten und Mitarbeiter an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.

Ein Fotograf erschossen, zwei Reporter von Demonstranten angegriffen

Der Fotograf Mustafa Cambaz von der Zeitung Yeni Safak wurde von Soldaten erschossen, die auf eine Menschenmenge in Istanbul feuerten. Zuvor hatte er per Twitter zum Protest gegen den Putschversuch aufgerufen.

Selcuk Samiloglu, Istanbul-Korrespondent der Zeitung Hürriyet, und CNN Türk-Reporter Kenan Sener in Ankara wurden von Regierungsanhängern angegriffen, die sie offenbar wegen der kemalistischen Ausrichtung ihrer Medien als vermeintliche Putsch-Sympathisanten verdächtigten. Samiloglu musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden und berichtete, er wäre beinahe von einer Brücke geworfen worden.

Ministerpräsident Binali Yildirim entschuldigte sich am Samstag bei den Medien für derartige Zwischenfälle und sagte, die Demonstranten hätten unter Stress und starken Emotionen gehandelt.

Soziale Medien stark verlangsamt

Soziale Medien wie Twitter, Facebook und YouTube waren in der Nacht des Putschversuchs zeitweise in der Türkei sehr verlangsamt. Twitter und Fachdienste wie Dyn Research vermuteten als Grund eine absichtliche Drosselung durch türkische Stellen. Zensur und Einschränkungen sozialer Medien sind in der Türkei in der Vergangenheit oft vorgekommen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich wiederholt sehr kritisch über soziale Medien geäußert, nutzte sie in der Putschnacht aber selbst, um seine Anhänger zum Widerstand gegen die Aufständischen aufzurufen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 151 von 180 Staaten. 



nach oben