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Ukraine

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 79 von 180
Ukraine 16.09.2010

ROG zweifelt an Aufklärung des Mordes an Georgij Gongadse

Reporter ohne Grenzen (ROG) zweifelt an dem Ermittlungsergebnis der ukrainischen Behörden im Mordfall Georgij Gongadse. Nach Feststellung der Kiewer Generalstaatsanwaltschaft soll für die Entführung und Ermordung des oppositionellen Journalisten Georgij Gongadse vor zehn Jahren der damalige Innenminister Juri Krawtschenko verantwortlich sein. Der leitende Ermittler der Justizbehörde teilte die Schlussfolgerung aus dem Ermittlungsverfahren am 14. September in einer schriftlichen Erklärung mit.

 

Der mutmaßliche Auftraggeber des Verbrechens Krawtschenko könnte allerdings nicht mehr bestraft werden. Er nahm sich im Jahr 2005 unter ungeklärten Umständen das Leben. „Es ist einfach, Juri Krawtschenko die Schuld zu geben und zu behaupten, der Fall wäre damit gelöst. Die Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft gibt keinerlei Hinweise auf ein mögliches Motiv für den Mord“, erklärt ROG. 

 

Der Journalist Georgij Gongadse wurde im September 2000 unter bisher ungeklärten Umständen ermordet. Der zum Todeszeitpunkt 31 Jahre alte Gongadse war Herausgeber der Internetzeitschrift Ukrainskaja Prawda und veröffentlichte viele Korruptionsfälle führender Mitglieder der Regierung während der Präsidentschaft Leonid Kutschmas.

 

Der einzige, der nach den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft für den Fall noch zur Rechenschaft gezogen werden könnte, ist Oleksij Pukatsch, ein ehemaliger Abteilungsleiter im Innenministerium. Krawtschenko soll laut der Erklärung der Justizbehörde am 13. oder 14. September 2000 Pukatsch den Auftrag gegeben haben, Gongadse zu ermorden, um damit dessen journalistische Aktivitäten zu beenden.

 

Pukatsch hatte bereits vor einiger Zeit zugegeben, die Tat auf Befehl Krawtschenkos ausgeführt zu haben. Pukatsch gab an, Gongadse mit einem Gürtel stranguliert und anschließend enthauptet zu haben. Seit Juli 2009 sitzt der ehemalige Beamte in Untersuchungshaft. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

 

„Nach zehn Jahren, scheint es so, als ob die komplette Lösung des Falls auf der Aussage von Pukatsch beruht. Das ist nicht ausreichend. Pukatsch ist eindeutig schuldig und vermutlich handelte er auf Befehl von Krawtschenko. Aber das heißt nicht, dass wir wirklich wissen, wer der Auftraggeber ist“, so ROG.

 

Noch am 9. September teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit, dass das ukrainische Justizwesen mit der Lösung des Fall Gongadse nicht weiter vorankäme, da eine forensische Untersuchung mehr Zeit in Anspruch nähme als erwartet. Auch die Anwältin der Familie Gongadse, Valentina Telyschenko, glaubt nicht an eine Aufklärung des Falls. „Ich habe bislang mehr Fragen als Antworten“, sagt Telyschenko. „Ich schließe nicht aus, dass der Fall neu aufgerollt werden muss.“

 

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