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Ukraine

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 79 von 180
Ukraine 13.09.2010

Verschwundener Journalist Klymentjew: Generalstaatsanwaltschaft muss Ermittlungen übernehmen

Im Fall des verschwundenen ukrainischen Chefredakteurs Wasyl Klymentjew fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) die Übernahme der Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft. Momentan obliegt die Aufklärung des Falls dem Innenministerium. Angesichts vermehrter Anzeichen, die auf einen Mord hindeuten, in den auch lokale Polizisten verwickelt sein könnten, kritisiert ROG die Ermittlungskompetenz der Behörde.

 

 „Wir befürchten, dass keine Anstrengungen unternommen werden, die mögliche Verantwortung der Polizei für Klymentjews Verschwinden zu klären, solange das Innenministerium mit den Ermittlungen betraut ist“, sagt ROG. „Wir fordern deshalb die ukrainischen Behörden dringend auf, den Fall ohne Verzögerung an die Generalstaatsanwaltschaft zu übergeben, die mit eigenen, von der Polizei unabhängigen, Ermittlern arbeitet.“

 

Generalstaatsanwalt Alexander Medwedko sagte am 9. September, dass seine Behörde die Untersuchung des Falls erst übernehmen würde, wenn bestätigt sei, dass es sich um Mord handelt und ein Zusammenhang zur Polizei festgestellt wurde.

 

 Wasyl Klymentjew, Chefredakteur der Wochenzeitung Novyy Styl (Neuer Stil), gilt seit dem 11. August als vermisst.  Der Journalist recherchierte zu Korruptionsthemen und berichtete über Fälle von Amtsmissbrauch bei lokalen Behörden.

 

Der Journalist könnte Opfer eines Mordes geworden sein, weil er im Besitz von belastendem Informationsmaterial zu einflussreichen Personen in der Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine war. Das Verschwinden des Polizeibeamten Andrij Kosyr, der als möglicher Zeuge in diesem Fall gilt, als auch Drohungen gegen Klymentjews Frau und den Anwalt des Journalisten erhärten diesen Verdacht.

 

Nach Angaben des stellvertretenden Herausgebers von Novyy Styl wollte Klymentjew am Tag seines Verschwindens am Petscheniz-Stausee Fotos vom Anwesen des Steuerberaters Stanislaw Denysjuk und drei weiteren lokalen Funktionären machen – einschließlich eines ehemaligen Mitglieds des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU. Der Polizeibeamte Andrij Kosyr habe Klymentjew dorthin begleitet.

 

Am 2. September durchsuchten Polizisten und Mitglieder der örtlichen Spezialeinheit die Wohnung von Klymentjews Anwalt Wyascheslaw Izmailow. Sie schlugen die Tür ein. Angeblich lag ihnen ein Durchsuchungsbefehl vor, den sie aber auf Anfrage nicht vorzeigten. Izmailow geht davon aus, dass Akten zum Fall Klymentjew beschlagnahmt werden sollten, auch wenn die Polizei ihm versichert habe, dass die Durchsuchung in Zusammenhang mit einem anderen Fall stand.

 

Nach Auskunft des stellvertretenden Innenministers Leonid Zyma gehen die Chancen,  Klymentjew lebend zu finden „gegen null“. Er vermutet, dass Klymentjew aufgrund seiner investigativen Arbeit mit dem Leben bezahlen musste. „Seine Artikel kritisierten immer wieder die Sicherheitskräfte und lokalen Behörden. Er wurde vermutlich entführt und im Stausee ertränkt“, sagte er. Einige Tag nach Klymentjews Verschwinden, wurden dessen Mobiltelefon und Schlüssel in einem treibenden Boot auf dem Wasser gefunden.

 

ROG hofft, dass sich die Ermittlungen im Fall Klymentjew nicht auf die gleiche Weise verzögern wie bei Georgij Gongadse, der im September 2000 unter bisher ungeklärten Umständen ermordet wurde. Am 9. September teilte der Generalstaatsanwalt mit, dass das ukrainische Justizwesen mit der Lösung des Falls nicht weiter vorankommt, da eine forensische Untersuchung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als erwartet.

 

Am 1. September 2010 veröffentlichte ROG einen Bericht zur Entwicklung der Pressefreiheit in der Ukraine. Lesen Sie hier die 13-seitige Studie.

 

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