Länderportal

Vereinigte Staaten von Amerika

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 45 von 180
USA 16.05.2017

Justiz muss Chelsea Manning freisprechen

Chelsea Manning © picture alliance / AP Photo

Reporter ohne Grenzen fordert die US-Regierung auf, Chelsea Manning und weitere Whistleblower nicht länger strafrechtlich zu verfolgen. Zwar wird Manning am Mittwoch frühzeitig aus der Haft entlassen, das Urteil bleibt aber bestehen. Mithilfe eines Spionagegesetzes aus dem Jahr 1917 hatte die Regierung unter Barack Obama einen Feldzug gegen Whistleblower wie Manning geführt. Die medienfeindlichen Äußerungen seines Nachfolgers Donald Trump lassen befürchten, dass sich dieser Trend verstärken könnte. Im Januar bezeichnete er Manning als „Verräterin“, die im Gefängnis bleiben sollte

„Chelsea Manning kommt endlich frei und bleibt in den Augen der US-Justiz trotzdem eine Verbrecherin. Dass sie mit dem Stigma weiter leben muss, ist eine Schande. Das Urteil gegen die mutige Whistleblowerin muss sofort aufgehoben werden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es wird höchste Zeit, dass die Justiz auch die Verfolgung von Jeffrey Sterling und Edward Snowden einstellt. Doch mit dem Regierungswechsel sind Whistleblower in den USA vom Regen in die Traufe geraten.“

Ein US-Militärgericht hatte Manning 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt. Während ihres Militärdienstes in einer Aufklärungseinheit der US-Armee in Kuwait hatte sie unter anderem Hunderttausende geheime Militärdokumente über die Kriege im Irak und in Afghanistan kopiert und der Enthüllungsplattform WikiLeaks zugespielt. Die Enthüllungen stießen eine breite internationale Debatte über die Irak- und Afghanistanpolitik der USA sowie über Exzesse von Militär und Justiz an.

Vor ihrem Prozess verbrachte Manning, die zunächst unter dem Männernamen Bradley bekannt wurde, fast ein Jahr in Einzelhaft. Nach einem Selbstmordversuch im Juli 2016 kam sie erneut in Einzelhaft und versuchte dort ein zweites Mal, sich das Leben zu nehmen. In einem Begleitschreiben zu der Bitte um Straferlass schildert Manning ausführlich, wie sie nicht zuletzt während ihres Militärdienstes und in der Haft massiv unter der zunehmenden Gewissheit litt, im falschen Körper geboren zu sein und eigentlich als Frau leben zu wollen. Der Militärjustiz trotzte sie erst nach langem Rechtsstreit graduelle Zugeständnisse an ihren Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung ab.

Im Januar gewährte der ehemalige US-Präsident Barack Obama Manning einen Strafnachlass und verkürzte ihre Haftstrafe. Sie wird daher statt im Jahr 2045 bereits am Mittwoch freigelassen. Doch mit der Freilassung ist das Urteil nicht aufgehoben. Im Mai 2016 reichte Manning Berufung gegen ihre Verurteilung ein.

Hundertjähriges Gesetz bedroht Whistleblower bis heute

Die juristische Verfolgung von Whistleblowern in den USA hatte unter Obama besorgniserregende Ausmaße angenommen. In seiner Amtszeit wurden mindestens acht Whistleblower mit Hilfe eines Spionagegesetzes von 1917 angeklagt, das unter allen Regierungen zuvor in nur drei vergleichbaren Fällen zur Anwendung gekommen war.

Doch auch unter Obamas Nachfolger Trump ist keine Besserung zu erwarten. Bereits vor seinem Amtsantritt waren Juristen besorgt über die Aussicht, eine medienfeindliche Regierung könnte den Anwendungsbereich des Spionagegesetzes weiter ausweiten. Kurz bevor Sean Spicer im Januar neuer Pressesprecher des Weißen Hauses wurde, nannte er die Entscheidung Obamas, Mannings Haftstrafe zu verkürzen, „enttäuschend“. Sie sende eine „beunruhigende Nachricht“ in Bezug auf den Umgang mit vertraulichen Informationen und die Konsequenzen für jene, die Informationen weitergeben. Manning habe Geheimnisse des Landes verraten.

Haftstrafe wegen Kontakt zu Journalist

Jeffrey Sterling, ein ehemaliger CIA-Experte für das Atomprogramm des Iran, wurde 2015 in sieben Anklagepunkten der Spionage für schuldig befunden und zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein Geschworenengericht verurteilte ihn aufgrund zahlreicher E-Mails und Telefonate mit dem New-York-Times-Journalist James Risen, der 2006 in einem Buch unter anderem eine gescheiterte Geheimdienstaktion gegen Irans Atomprogramm geschildert hatte.

Im Prozess wurde jedoch kein Beweis erbracht, dass Sterling Risens Informant war. Der Inhalt der fraglichen E-Mails und Telefonate blieb größtenteils unbekannt, und Sterling beharrt bis heute auf seiner Unschuld. Somit wurde Sterling letztlich wegen des Umstands verurteilt, dass er regelmäßig in Kontakt mit einem Journalisten stand. Im Februar 2016 übergab ROG dem Weißen Haus mehr als 150.000 Unterschriften die seine Begnadigung forderten.

Dem NSA-Whistleblower Edward Snowden würde im Fall seiner Heimkehr aus dem Exil in Russland eine Anklage nach dem Spionagegesetz drohen. Mitte Januar sagte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums, die Aufenthaltsgenehmigung für Snowden sei für „ein paar Jahre“ verlängert worden. Bis heute ist er auf den Schutz eines repressiven Staates wie Russland angewiesen.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit haben sich die USA um zwei Plätze verschlechtert und  stehen nun auf Platz 43 von 180 Staaten.



nach oben