Propaganda-Monitor

Wie der Nahostkonflikt russische Propaganda stärkt

Wie der Nahostkonflikt russische Propaganda stärkt
© picture alliance/AP Photo | Pavel Golovkin
Blick in das Büro von RT in Moskau

Seit Jahren verfolgt Reporter ohne Grenzen (RSF) die Strategien russischer Desinformation weltweit – derzeit auch im Rahmen des Propaganda-Monitors. Für das Projekt und die Recherchen zur Arbeit russischer Staatsmedien in Ägypten hat RSF mit H. A. Hellyer gesprochen. Der geopolitische Experte ist sowohl an britischen als auch amerikanischen Thinktanks tätig, wo er unter anderem den Einfluss russischer Staatsmedien im Nahen Osten untersucht. 

RSF: Wir haben die arabischen Inhalte der russischen Staatsmedien Sputnik und RIA Novosti untersucht, die in Kairo produziert werden. Wie werden diese Medien im Nahen Osten wahrgenommen? 

Sputnik und RT agieren nicht in einem Medienvakuum. Menschen, die Nachrichten konsumieren, nehmen sie neben anderen internationalen Medien aus dem Westen als Teil eines Spektrums wahr. In Ägypten beispielsweise würden sie erst auf ägyptische Medien zugreifen, dann auf arabische Medien wie Al-Arabiya [ein saudischer internationaler Nachrichtensender] oder Al-Jazeera [ein katarischer internationaler Nachrichtensender] und erst danach internationale nicht-arabische Medien, auch wenn diese in arabischer Sprache Inhalte veröffentlichen. Sie würden also BBC, Sputnik, CNN und RT alle zusammen kategorisieren, wenn auch unterteilt in pro- und antiwestliche Medien. Sputnik und RT werden in diesem Rahmen wahrgenommen: nicht als russische Medien, sondern als antiwestliche, nicht-arabische Medien. In dieser Hinsicht würden sie je nach Thema mit Sympathien oder negativ rezipiert werden. Das wichtigste Thema, mit dem sich das arabische Publikum derzeit beschäftigt, ist natürlich der Krieg Israels gegen Gaza. Sputnik und RT stehen den Menschen in Palästina sehr wohlwollend gegenüber und den Israelis weniger. Deshalb sehen viele Menschen in der arabischen Welt diese Medien als solche, die über das für sie wichtigste internationale Thema in einer Weise berichten, die ihrer Wahrnehmung und Realität entspricht.

Was berichten die russischen Medien konkret für ihr regionales arabisches Publikum - und was vermeiden sie?

Generell sind sie sehr vorsichtig, wenn es darum geht, Themen zu behandeln, die nicht mit der russischen Außenpolitik übereinstimmen oder ihr widersprechen – was bei Medien aus autoritären Staaten eine sehr gängige Praxis ist. Viele Berichte auf Sputnik und RT sind sehr am Zahn der Zeit, aber sie befassen sich mit Themen, die das Moskauer Außenministerium nicht wirklich interessieren, sodass es keine einschränkende oder lenkende Funktion gegenüber den Medien übernimmt.

Die internationalen Mainstream-Medien im Westen wurden für ihre Berichterstattung über den Krieg Israels gegen Gaza kritisiert, insbesondere zu Beginn des Konflikts. Welche Auswirkungen hatte diese Kritik auf die Wahrnehmung der russischen Staatsmedien durch ihr arabisches Publikum?

Die Berichterstattung der westlichen Medien über den Krieg Israels gegen Gaza hat Medien wie RT und Sputnik einen echten Boost verliehen. In Bezug auf diesen Konflikt sind sie gegenüber den Israelis viel kritischer als CNN und BBC, oder werden zumindest so wahrgenommen. Obwohl ein Großteil der Berichterstattung von CNN und BBC recht gut ist, ist sie oft zugunsten Israels verzerrt, was laut zahlreichen Berichten zu großen Kontroversen innerhalb der Sender selbst geführt hat [Beispiele hierfür sind der offene Brief von mehr als 100 BBC-Mitarbeitenden und der Bericht des Muslim Council of Britain's Centre for Media Monitoring]. Die Wahrnehmung, dass die westlichen Medien zugunsten Israels berichten, hat Sputnik und RT im Nahen Osten definitiv gestärkt, da die Berichterstattung dieser Sender im Vergleich viel mehr mit dem palästinensischen Leid sympathisieren scheint.

Wie können wir den Einfluss der Medienmaschine des Kremls in der Region bewerten?

Ihr Einfluss sollte als relativ gering eingeschätzt werden. Man sieht die Wirkung vielleicht in den sozialen Medien, wo Leute Clips von RT oder Sputnik teilen. Im Gegensatz zu internationalen Sendern wie CNN oder BBC sehe ich jedoch nicht, dass diese Inhalte von den arabischen Mainstream-Sendern oder Politikern als primäre Nachrichtenquellen genutzt werden. Wenn es einen Bericht in der New York Times gibt und ein arabischer Mediensender darüber verärgert oder daran interessiert ist, wird der Sender diesen Bericht zitieren und sagen: „Die New York Times hat XYZ gesagt.“ Bei RT oder Sputnik sehe ich so etwas nicht. Ich denke, arabische Sender und Medien sind sich durchaus bewusst, dass RT und Sputnik im Grunde genommen nur Sprachrohre des russischen Staates sind. Aber man bekommt den Eindruck, dass es in der Region – und der arabische Raum ist kein Einzelfall – ein Muster gibt: Wenn sich jemand über die Berichterstattung westlicher Medien zu einem bestimmten Thema ärgert, lautet die Empfehlung dann: „Probiert es mal mit russische Medien“ - oder mit anderen internationalen Medienangeboten wie etwa dem chinesischen Sender CGTN [das staatliche chinesische Fernsehnetzwerk]. Dennoch konnte CGTN bisher nicht die gleiche Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie die russischen Staatsmedien, vielleicht weil dort nicht im gleichen Maße investiert wurde. 

Mehr Informationen zum Propaganda-Monitor und die komplette Ausgabe gibt es hier.