Deutschland

RSF sieht Schwächen im SLAPP-Gesetzentwurf

RSF sieht Schwächen im SLAPP-Gesetzentwurf
© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
RSF warnt vor Mängeln im Anti-SLAPP-Gesetzentwurf des Justizministeriums.

Sie sollen eingeschüchtert oder sogar mundtot gemacht werden: Finanzstarke Unternehmen, Politikerinnen und Politiker sowie Prominente nutzen immer wieder missbräuchliche Klagen, um Medienschaffende, Umweltaktivisten oder Menschenrechtsverteidigerinnen in ihrer Arbeit zu behindern. Selbst ohne Aussicht auf juristischen Erfolg entfalten solche Klagen, sogenannte SLAPPs (Strategic Lawsuits against Public Participation), ihre Wirkung: Sie kosten Zeit, Geld, Nerven – und beschneiden damit die journalistische Freiheit und schränken den öffentlichen Diskurs ein.

Vor diesem Hintergrund begrüßt Reporter ohne Grenzen (RSF), dass das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Anti-SLAPP-Richtlinie vorgelegt hat. An vielen Stellen bleibt der Entwurf jedoch hinter den Erwartungen zurück. In zwei heute veröffentlichten Stellungnahmen kritisieren das No-SLAPP-Bündnis, in dem sich RSF zusammen mit anderen Organisationen engagiert, und die No-SLAPP-Anlaufstelle zentrale Schwächen des Entwurfs und fordern deutliche Nachbesserungen.

Besonders problematisch: Außergerichtlicher Bereich bleibt ungeregelt

Die größte Schwachstelle des Entwurfs ist, dass der außergerichtliche Bereich vollkommen unberücksichtigt bleibt. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass über 80 Prozent der von der No-SLAPP-Anlaufstelle betreuten Fälle mit einer Abmahnung oder einem anwaltlichen Schreiben beginnen. Nur ein Bruchteil führt zu einem Gerichtsverfahren.

„SLAPPs entfalten schon lange, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt, eine abschreckende Wirkung – durch Abmahnungen, Drohbriefe und andere Einschüchterungen“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Ein Gesetz, das den außergerichtlichen Bereich völlig ausblendet, geht an der Lebensrealität der Betroffenen vorbei. Wenn wir den öffentlichen Diskurs und unsere Demokratie ernsthaft schützen wollen, muss hier und an anderen Stellen dringend nachgebessert werden.“

Weitere Schwächen: enge Definition und zu niedrige Sanktionen

Auch im gerichtlichen Bereich geht der Entwurf nicht weit genug. Weitere zentrale Lücken sind:

  • Die Definition missbräuchlicher Klagen beschränkt sich auf „offensichtlich unbegründete“ Fälle. Das ist realitätsfern und zu eng gefasst. SLAPPs wirken oft subtiler: etwa durch eine Vielzahl paralleler Klagen oder überzogene Streitwerte. Gerichte müssen solche komplexen Missbrauchsmuster erkennen und entsprechend handeln können.
  • Die vorgesehenen finanziellen Sanktionen für SLAPP-Klagende sind so niedrig angesetzt, dass sie für große Konzerne oder vermögende Einzelpersonen kaum abschreckend wirken.
  • Zwar sollen Gerichtsentscheidungen der zweiten und dritten Instanz veröffentlicht werden – RSF fordert jedoch auch die Veröffentlichung erstinstanzlicher Urteile, um Transparenz zu schaffen und Präzedenzfälle sichtbar zu machen.

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung

Positiv bewertet RSF, dass die geplanten Regelungen für alle SLAPP-Fälle gelten sollen – unabhängig davon, ob ein grenzüberschreitender Bezug besteht. Sie geht also über die Mindestvorgabe der EU-Richtlinie hinaus und bezieht sich auch auf Fälle, die sich ausschließlich in Deutschland abspielen. Die geplante Beschleunigung von Verfahren ist ebenfalls ein richtiger Schritt.

Darüber hinaus betont RSF die Notwendigkeit langfristiger und struktureller Maßnahmen, die der Referentenentwurf nicht thematisiert:

  • Die No-SLAPP-Anlaufstelle muss dauerhaft finanziert und institutionell gefördert werden. Sie unterstützt und berät SLAPP-Betroffene und wird aktuell durch eine zeitlich begrenzte Projektförderung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert.
  • Es braucht eine systematische Erfassung von SLAPP-Fällen in Deutschland, um gezielter reagieren und präventiv tätig werden zu können.
  • Es sollten Schulungsprogramme für Richterinnen und Anwälte sowie Fortbildungen für Journalistinnen und Reporter angeboten werden, um ihre Resilienz im Umgang mit SLAPPs zu stärken.

Die Bundesregierung sollte ihre Chance nutzen, europaweit Maßstäbe für den Schutz kritischer Stimmen zu setzen. Ein stärkerer gesetzlicher Schutz gegen SLAPPs ist im Interesse einer lebendigen Demokratie.

Mehr erfahren Sie in der Stellungnahme der No-SLAPP-Anlaufstelle.