Vereinigtes Königreich 28.04.2020

Assange freilassen, Anhörung verschieben

Julian Assange © picture alliance / empics

Reporter ohne Grenzen (RSF) bekräftigt seine Forderung gegenüber den britischen Behörden, Wikileaks-Gründer Julian Assange sofort freizulassen. Assange ist aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands besonders gefährdet, sich im Gefängnis eine schwere Infektion mit dem Corona-Virus zuzuziehen. Zudem begrüßt RSF, dass die zuständige Richterin bei einem Gerichtstermin am Montag (27. April) in Aussicht gestellt hat, die Anhörungen in seinem Auslieferungsverfahren zu verschieben. Nach bisheriger Planung sollte das Auslieferungsverfahren am 18. Mai wiederaufgenommen werden.

„Wir sind alarmiert über die anhaltende Missachtung des Gesundheitszustands von Julian Assange. Angesichts des Risikos durch die Corona-Pandemie ist es dringlicher als je zuvor, dass er endlich aus dem Gefängnis entlassen wird“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Zugleich muss das Gericht sicherstellen, dass er uneingeschränkt an Anhörungen teilnehmen kann. Das ist angesichts der derzeitigen Kontaktbeschränkungen in Großbritannien quasi nicht möglich. Zudem können Medien und Nichtregierungsorganisationen unter diesen Umständen nicht ungehindert die Verhandlungen verfolgen – ein Unding in einem Fall von so großem öffentlichen Interesse. Deshalb darf die Verhandlung erst wiederaufgenommen werden, wenn die Kontaktsperren in Großbritannien aufgehoben sind.“

Die Anhörung am Montag fand unter dem Vorsitz der Richterin Vanessa Baraitser statt, die auch das Auslieferungsverfahren leitet. Beobachterinnen und Beobachter waren aufgrund der Kontaktsperren nicht zugelassen. Es wurde erwartet, dass Assange per Videolink zugeschaltet wird, was aber nicht der Fall war. Laut seinem Anwalt Edward Fitzgerald war Assange auf ärztlichen Rat hin nicht in den Videoraum des Belmarsh-Gefängnisses gebracht worden. In dem Hochsicherheitsgefängnis sind Berichten zufolge Infektionen mit dem Corona-Virus aufgetreten, ein Insasse ist demzufolge infolge einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Assange hatte schon am letzten Termin am 7. April wegen gesundheitlicher Probleme nicht teilgenommen. Eine Freilassung auf Kaution hatte die Richterin am 25. März abgelehnt und ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Assange im Gefängnis verneint.

Bei dem Termin am Montag plädierte das Anwaltsteam für einen Aufschub der erneuten Auslieferungsanhörungen, um ausreichend Zeit für eine angemessene Vorbereitung zu haben. Das Team brachte vor, dass es zurzeit keinen Zugang zu seinem Mandanten im Gefängnis habe und seinen beruflichen Verpflichtungen ihm gegenüber somit nicht nachkommen könne. Die Anwältinnen und Anwälte forderten zudem, dass Assanges Teilnahme an den Verfahren ebenso sichergestellt werden müsse wie ein Zugang für Presse und andere Beobachter.

Wiederaufnahme am 18. Mai „im besten Fall ungewiss“

Die Richterin räumte ein, dass der geplante Termin für die Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens am 18. Mai angesichts der anhaltenden Kontaktsperren wegen des Coronavirus „im besten Fall ungewiss“ sei. Sie setzte einen erneuten Termin für den 4. Mai, an, an dem ein Termin für die Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens festgelegt werden soll. Der Richterin zufolge beginnt der nächste Zeitraum, in dem das Gericht drei aufeinanderfolgende Wochen zur Verfügung stehen würden, am 2. November.

RSF verfolgte die fünfzigminütige Anhörung am Montag über eine für die Medien eingerichtete Telefonkonferenzschalte. Die Tonqualität erlaubte es kaum, der Anhörung zu folgen, woraufhin die Richterin die Sitzung unterbrechen musste.

Auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit 2020 liegt Großbritannien auf Platz 35 von 180 Ländern. Das ist eine Verschlechterung um zwei Plätze gegenüber 2019, was auch auf die unverhältnismäßig harte Verurteilung Assanges zu 50 Wochen Haft wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen und seine fortgesetzte Inhaftierung auch nach Absitzen dieser Strafe zurückzuführen ist.



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