Deutsche Konzerne in Myanmar 16.04.2021

Unterstützung der Militärjunta beenden

Ein dunkelgrünes Militärfahrzeug
Militärfahrzeug von Sinotruk in Myanmar © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited

Reporter ohne Grenzen fordert noch immer in Myanmar tätige ausländische Unternehmen auf, ihre wirtschaftliche Unterstützung für die Militärregierung des Landes umgehend zu beenden. In den zweieinhalb Monaten seit dem Militärputsch vom 1. Februar hat sich die Lage der Pressefreiheit dort kontinuierlich verschlechtert. Angesichts dessen müssen die Unternehmen endlich ihrer Verpflichtung nachkommen, überall auf der Welt die Menschenrechte zu wahren. Zwölf von ihnen hat RSF im Vorfeld dieser Pressemitteilung kontaktiert, darunter die Deutsche Post DHL Group, den deutschen Nutzfahrzeuge-Hersteller MAN, das französische Ölunternehmen Total, das schwedische Kommunikationsunternehmen Ericsson, die französische Hotelkette Accor und den südkoreanische Stahl- und Energieriesen POSCO.

„Die schönen Worte multinationaler Unternehmen mit Repräsentanzen in Myanmar müssen jetzt in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, indem sie sich explizit gegen dieses illegitime und blutige Regime aussprechen. Wir fordern die zwölf von RSF kontaktierten Unternehmen nachdrücklich auf, echte Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Finanzierung der Militärjunta in Myanmar – egal ob direkt oder indirekt – zu beenden. Nur so können sie es vermeiden, sich an der allumfassenden Zensur mitschuldig zu machen, die die Junta zu verhängen versucht.“

In den vergangenen gut zwei Monaten gab es in Myanmar zahlreiche schwerwiegende Verstöße gegen die Pressefreiheit: Reporterinnen und Reporter wurden mit scharfer Munition beschossen, Redaktionen wurden durchsucht, das mobile Internet wurde komplett abgeschaltet. Die Entschlossenheit der Militärjunta, jegliche unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken, zeigt, dass Diplomatie und internationale Sanktionen nicht ausreichen, um diese Entwicklung zu stoppen.

Deshalb hat RSF zwölf in Myanmar tätige multinationale Unternehmen aufgefordert, jegliche Zusammenarbeit mit den myanmarischen Streitkräften zu beenden, sowohl in Form von Geschäftsbeziehungen als auch in Form von finanzieller Unterstützung. Entsprechende Schreiben hat RSF an die Geschäftsführungen der Firmen gesendet – darunter zwei deutsche: Deutsche Post DHL sowie MAN.

Die Deutsche Post DHL ist durch ein Joint Venture mit der Militärjunta im Geschäft. Ein Eintrag im myanmarischen Handelsregister zeigt, dass das Subunternehmen Myanmar DHL zu 51 Prozent im Besitz der dortigen Post ist. Diese wiederum gehört dem Transport- und Kommunikationsministerium, das mit dem Putsch dem Militär in die Hände fiel. Myanmar DHL wurde bereits vor 25 Jahren gegründet, zu einer Zeit, als die Militärdiktatur Studierendenproteste brutal unterdrückte.

Berichte aus Myanmar zeigen immer wieder Bilder der Militärtrucks des chinesischen Unternehmen Sinotruk, das zu einem Teil dem deutschen Lkw-Bauer MAN gehört. Als sich MAN 2009 bei Sinotruk einkaufte, war bekannt, dass China das myanmarische Militär unterstützte und dass die Firma Militärlaster im Angebot hatte. Sinotruk unterstützt bis heute systematisch den Einsatz der Fußsoldaten und damit das brutale Vorgehen der Militärjunta. MAN besitzt 25 Prozent plus eine Aktie – genug, um mittels Sperrminorität wichtige Entscheidungen zu blockieren.

Anders als Deutsche Post DHL und MAN hat der Münchner Banknotendrucker Giesecke+Devrient Ende März alle Lieferungen nach Myanmar ausgesetzt. Man verfolge die Eskalation „mit großer Sorge und Bedauern“, hieß es aus dem Unternehmen. Giesecke+Devrient hatte Material für die Herstellung von Banknoten an die myanmarische Staatsdruckerei geliefert.

Unternehmen haben keine glaubwürdigen Konsequenzen gezogen

Anfang Februar hatten einige Unternehmen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die vom Myanmar Center for Responsible Business initiiert wurde und ein Bekenntnis zu den Menschenrechten im Land bekräftigte. Seitdem wurden in Myanmar mehr als 500 Menschen getötet und fast 60 Medienschaffende festgenommen. Die meisten dieser Unternehmen haben daraus jedoch keinerlei glaubwürdige Konsequenzen gezogen.

Einige der Unternehmen sind im Telekommunikationssektor tätig und spielen somit eine Schlüsselrolle beim Zugang zu Informationen, wie der schwedische Telekommunikationskonzern Ericsson, das norwegische staatliche Telekommunikationsunternehmen Telenor und der französische Fernseh- und Filmkonzern Canal+.

Andere stellen der Militärregierung erhebliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung, entweder indem sie schlicht in Myanmar Steuern zahlen oder indem sie direkte Geschäftsbeziehungen zur Tatmadaw, so der offizielle Name der myanmarischen Streitkräfte, unterhalten. Denn diese betreiben auch zwei Konglomerate mit Beziehungen in die meisten Wirtschaftssektoren des Landes: Myanmar Economic Holdings Public Company Limited (MEHL) und Myanmar Economic Corporation Limited (MEC).

Viele internationale Unternehmen sind über gemeinsame Unternehmen mit diesen beiden Konglomeraten verbunden. RSF hat die Hotelketten Accor (Frankreich), Okura Nikko Hotel Management (Japan) und Lotte Hotels and Resorts (Südkorea) aufgefordert, ihre Beziehungen zur Tatmadaw und ihren Geschäftseinheiten zu überprüfen.

Einige der größten Geldgeber für das myanmarische Militär

Im Energiesektor, einer unverzichtbaren Geldquelle für das Militärregime, drängt RSF Unternehmen wie das französische Ölunternehmen Total, den US-Energiekonzern Chevron und den südkoreanischen Stahl- und Energieriesen POSCO, ihre fortgesetzte Beteiligung am Offshore-Gasfeld Yadana zu hinterfragen. Im Jahr 2019 zahlte allein Total 230 Millionen US-Dollar für Gasakquisitionen und Steuern an den myanmarischen Staat, was das französische Unternehmen zu dessen größtem Geldgeber machte. Andere Energieunternehmen wie das australische Unternehmen Woodside und das malaysische Unternehmen Petronas haben inzwischen ihre Geschäftstätigkeit in Myanmar ausgesetzt.

Auch das anglo-niederländische Lebensmittel- und Konsumgüterkonglomerat Unilever, dessen Geschäftsführung ebenfalls von RSF kontaktiert wurde, hat bislang keine Konsequenzen aus dem zunehmend blutigen Vorgehen der Militärjunta gezogen. Sein japanischer Mitbewerber hingegen, das Getränkeunternehmen Kirin, beendete seine Partnerschaft mit einer örtlichen Brauerei bereits vier Tage nach dem Staatsstreich vom 1. Februar.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Myanmar auf Platz 139 von 180 Ländern.



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