Deutschland / China 25.09.2014

Deutsche Welle muss China-Strategie ändern

DW-Intendant Peter Limbourg © dpa

Reporter ohne Grenzen fordert den Intendanten der Deutschen Welle, Peter Limbourg, zu einem Kurswechsel bei seiner strategischen Ausrichtung des Auslandssenders gegenüber China auf. Während der vergangenen Wochen wurden bei der steuerfinanzierten Deutschen Welle (DW) nicht nur mehrere bedenklich erscheinende Entscheidungen im chinesischen Programm getroffen. Limbourg hat zudem eine höchst problematische Zusammenarbeit mit dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV vereinbart.

„Wir verurteilen die vereinbarte Kooperation zwischen der Deutschen Welle und dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV aufs Schärfste“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Diese Kooperation steht nicht im Einklang mit dem Programmauftrag der Deutschen Welle, weil CCTV ein Teil des staatlichen Repressionsapparats gegen chinesische Journalisten ist. Die DW darf nicht versuchen, ihre Reichweite zu Lasten der Pressefreiheit zu steigern. Wir fordern Limbourg auch als Kuratoriumsmitglied von Reporter ohne Grenzen dazu auf, diesen Kurs zügig zu überdenken.“

Am 4. September gab die Deutsche Welle in einer Pressemitteilung bekannt, dass sie mit dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV zusammenarbeiten wird. Die DW will mit CCTV gemeinsam Inhalte zu Musik und Wirtschaft produzieren; CCTV soll zudem das DW-Lifestyle-Magazin Euromaxx adaptieren.

CCTV spielt herausragende Rolle für die staatliche Propaganda

CCTV ist der größte chinesische Fernsehsender. Organisatorisch ist er Teil der staatlichen Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen und damit unmittelbar abhängig von der Regierung. Für die staatliche Propaganda spielt der Sender eine herausragende Rolle: So müssen die 19-Uhr-Hauptnachrichten von CCTV in China von allen anderen Fernsehstationen übernommen und ausgestrahlt werden.

In den vergangenen Monaten hat CCTV mehrmals „öffentliche Geständnisse“ ausgestrahlt. Dabei mussten kritische Journalisten und Blogger vor laufender Kamera ihr eigenes Verhalten selbst kritisieren. Sogar eine freie Mitarbeiterin der Deutschen Welle – die Chinesin Gao Yu – wurde in dieser Weise am 8. Mai bei CCTV vorgeführt. Seit ihrer Festnahme Ende April sitzt die 70-jährige Journalistin in der Volksrepublik in Haft.

ROG-Brief an Limbourg

Reporter ohne Grenzen hat DW-Intendant Peter Limbourg am 16. September in einem Brief darum gebeten, Fragen bezüglich der vereinbarten Kooperation mit CCTV zu beantworten. Die Deutsche Welle beschreibt die vereinbarte Kooperation mit CCTV als Dialog. Doch die Erfahrung von Reporter ohne Grenzen zeigt, dass vergleichbare Formen der Kommunikation und Kooperation von der Staatspropaganda geschickt genutzt werden. ROG hat deshalb Zweifel, ob die Deutsche Welle eine solche Instrumentalisierung tatsächlich verhindern kann.

Nach Meinung von Reporter ohne Grenzen bleiben auch nach dem Antwortschreiben von DW-Intendant Limbourg Fragen offen: Wie sind die Verträge zwischen DW und CCTV formuliert, welche Absprachen wurden genau getroffen? Liefert die DW Programmbeiträge an CCTV, aus denen sich der chinesische Partner Themen aussuchen darf, um sie auszustrahlen? Oder muss CCTV alle Beiträge übernehmen? Was hieße das zum Beispiel für einen chinakritischen Beitrag über den Künstler Ai Weiwei? Dürfte CCTV entscheiden, diesen Beitrag nicht auszustrahlen?

Unklar bleibt, weshalb der DW-Mitarbeiterin Su Yutong im chinesischen Programm gekündigt wurde. Offiziell hieß es zur Begründung, sie habe Interna nach außen getragen. ROG ist besorgt, dass diese Kündigung damit zusammenhängen könnte, dass das chinesische Programm der Deutschen Welle inhaltlich neu ausgerichtet wird.

Im Brief an Herrn Limbourg hatte ROG den DW-Intendanten zu einer von Reporter ohne Grenzen organisierten Podiumsdiskussion zum Thema „Chinas Medien“ eingeladen, die zur weiteren Klärung beitragen soll. In seiner schriftlichen Antwort ist Herr Limbourg auf diese Einladung nicht eingegangen.



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