Kolumbien 06.05.2013

Gauck sollte auf Kolumbien-Reise besseren Schutz von Journalisten einfordern

© Mit freundlicher Unterstützung von AFP

Reporter ohne Grenzen fordert Bundespräsident Joachim Gauck auf, sich bei seinem Staatsbesuch in Kolumbien in dieser Woche für einen besseren Schutz von Journalisten vor Polizeigewalt und vor Angriffen bewaffneter Gruppen einzusetzen. Ungeachtet der Friedensgespräche zwischen der Regierung und der Rebellenorganisation Farc sind Berichterstatter in dem Land immer wieder massiven Drohungen und Angriffen ausgesetzt, die von unterschiedlichen Konfliktparteien ausgehen. „Die kolumbianischen Behörden müssen Drohungen und Angriffe gegen Journalisten zügig untersuchen und verfolgen“, forderte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Erst vergangene Woche schossen Unbekannte auf das Auto des Investigativreporters Ricardo Calderón, der für das Nachrichtenmagazin Semana arbeitet. Calderón berichtete anschließend, die Angreifer hätten ihn vor den Schüssen namentlich angesprochen. Der Journalist entkam unverletzt und steht nun unter Polizeischutz. Er hat wiederholt Skandale aufgedeckt und berichtete zuletzt über luxuriöse Haftbedingungen für Militärs, die wegen Menschenrechtsverletzungen in Haft sind.

Im Januar wurden mehrere Journalisten in einer Küstenregion im Nordwesten des Landes bedroht, die als Hochburg des organisierten Verbrechens gilt. Der Kriminalreporter Amilkar Alvear und der Fotograf Jairo Cassiani von der Zeitung Al Día erhielten per Brief Todesdrohungen von der Verbrechergruppe Los Urabeños, die von ROG zu den „Feinden der Pressefreiheit“ gezählt wird. In den Briefen forderte die Gruppe die beiden Journalisten auf, die Stadt Montería binnen 48 Stunden zu verlassen, weil sie zu viel über Los Urabeños gesprochen hätten. Beide haben verschiedentlich über Festnahmen von Mitgliedern der Gruppe berichtet. 

Zahlreiche Journalisten wurden im Februar und März von Bereitschaftspolizisten angegriffen, während sie über einen Streik von Kaffeebauern in den Departements Huila und Tolima berichteten. So wurden in Huila drei Mitarbeiter des Senders Radio Garzón verletzt, als die Polizei Tränengasgranaten in ihren Redaktionsräumen zündeten, in denen Bauern Zuflucht vor Angriffen gesucht hatten. Eine der Verletzten war die im siebten Monat schwangere Luz Ángela Rodriguez, die anschließend stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Radiosender musste wegen der schweren Schäden an seiner Ausrüstung den Sendebetrieb unterbrechen. Am selben Tag griffen Beamte der Nationalpolizei in Huila zwei Fernsehjournalisten der Sender TV Caracol und RCN Televisión verbal und tätlich an und beschädigten ihre Ausrüstung.

Am 27. November 2012 starb der freie Journalist Guillermo Quiroz Delgado an den schweren Verletzungen, die er eine Woche zuvor beim Sturz von einem Polizeifahrzeug in San Pedro im Departement Sucre erlitten hatte. Quiroz hatte dort über Proteste gegen einen Energiekonzern berichten wollen und wurde wegen angeblich nicht ordnungsgemäßer Papiere seines Motorrads angehalten. Umstritten ist, warum er dann in den Polizeiwagen geladen wurde und was dort vorfiel. 

Auch während der Berichterstattung über die „Nationale Woche der Entrüstung“ im Oktober 2012 - eine Serie friedlicher Proteste für Sozialreformen und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Friedensverhandlungen mit der Farc - wurden mehrere Journalisten Ziel von brutalen Angriffen der Polizei. Dem Journalisten Ernesto Mercado von der Zeitung El Turbion etwa zerstörten Polizisten mit ihren Schlagstöcken die Videokamera und andere Ausrüstungsgegenstände. Guillermo Castro von der Webseite Macarenazoo nahmen Polizisten den Presseausweis ab, als er sich weigerte, ihnen seine Aufnahmen auszuhändigen. Solche Angriffe sind in Kolumbien besonders bei Demonstrationen häufig.

Anlass zu anhaltender Sorge sind ferner die Einschüchterungen, Sabotageakte und Bomben gegen nichtkommerzielle lokale Radiosender im Departement Cauca. Diese Sender spielen dort eine wichtige Rolle für den sozialen Zusammenhalt und die Bewahrung der Kultur der indigenen Bevölkerung. Da sie auch deren politische Forderungen transportieren, geraten sie häufig ins Visier der Konfliktparteien. Infolge wieder verstärkter Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Farc im vergangenen Sommer mussten zwei solche Sender, Voces de Nuestra Tierra in Jambaló und Nasa Estéro in Toribío, den Sendebetrieb aussetzen.

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Kolumbien auf Platz 129 von 179 Ländern.

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