TERREG 25.03.2021

Gefahr für die Pressefreiheit

Logos von Facebook, Twitter und Youtube
© picture alliance / Franz-Peter Tschauner / dpa / Franz-Peter Tschauner

Die umstrittene EU-Verordnung zur „Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet“, kurz Terreg, steht kurz vor der Verabschiedung. Noch im April soll das Europäische Parlament über das Gesetz abstimmen, nachdem der EU-Ministerrat Mitte März dem Ergebnis der Trilog-Verhandlungen zugestimmt hatte. Reporter ohne Grenzen und zahlreiche weitere Journalismus- und Menschenrechtsorganisationen äußern in einem offenen Brief ihre Besorgnis über mangelnde rechtsstaatliche Kontrolle, die das Löschen legaler Meinungs- und Pressebeiträge verhindern kann.

„Die Verordnung droht autoritäre Tendenzen innerhalb der EU zu bestärken und schafft eine weitere Argumentationsvorlage für die wachsende Zahl an außereuropäischen Staaten, die mit repressiven Internetgesetzen digitale Freiheiten einschränken“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Ein solch breiter zivilgesellschaftlicher Protest muss gehört werden. Terreg darf in dieser Form nicht verabschiedet werden.“

Bereits im Frühjahr 2020 hatten sich RSF und weitere Journalismus- und Digitalorganisationen an Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht gewandt und Nachbesserungen zum Schutz journalistischer Beiträge und anderer legitimer Formen der Meinungsäußerung gefordert. Die Verordnung zielt auf die rasche Löschung terroristischer Beiträge durch Online-Plattformen wie Facebook oder YouTube ab. Betreibern soll dafür künftig eine einstündige Frist zur Bearbeitung von Löschaufforderungen gesetzt werden. Nationale Behörden sollen sich zur schnelleren Abwicklung auch ohne richterliche Verfügung direkt mit entsprechenden Anordnungen an die Plattformbetreiber wenden können. Damit obliegt es staatlichen Stellen einzuordnen, was als journalistischer Inhalt und was als Satire anzusehen ist – oder als terroristischer Inhalt gelöscht werden muss. Ausgleichend kann einzig der EU-Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist bzw. seinen EU-Hauptsitz hat, die Anordnung nachträglich überprüfen, sollte er die Meinungsfreiheit gefährdet sehen.

Insgesamt wächst somit das Risiko politischer Eingriffe in die Presse- und Meinungsfreiheit. Schon die Verabschiedung des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) diente zahlreichen autoritären Staaten als willkommene Vorlage für repressive Digitalgesetze – ohne angemessene rechtliche Aufsicht oder unabhängige Kontrollen.

Des Weiteren schafft die Verordnung zusätzliche Anreize für die Plattformen, sich verstärkt auf automatisierte Systeme, wie z. B. Upload-Filter, zu verlassen. Facebook, YouTube und Twitter setzen schon seit mehreren Jahren freiwillig automatisierte Systeme zur Erkennung von terroristischem Bildmaterial aus einer gemeinsamen Datenbank ein. Immer wieder dokumentieren zivilgesellschaftliche Akteure jedoch auch Sperrungen beispielsweise von dokumentarischem Videomaterial aus Kriegsgebieten, das fälschlicherweise als terroristisches Material identifiziert und ohne menschliche Überprüfung entfernt wurde. Die Live-Streamingplattform Twitch verbot im vergangenen Jahr nicht nur das Verbreiten oder Verlinken von terroristischem Material zu Propagandazwecken, sondern auch im Kontext des Anprangerns solcher Taten, mutmaßlich um eben jener Differenzierungsproblematik gänzlich aus dem Weg zu gehen.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Mitglieder des Europäischen Parlaments vor diesem Hintergrund auf, den vorliegenden Verordnungsentwurf abzulehnen. Die EU-Institutionen sollten die Verhandlungen stattdessen wiederaufnehmen und einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Ziel der effektiven Bekämpfung illegaler Inhalte und dem Schutz legaler, von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckter Inhalte schaffen.



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