Saudi-Arabien/ Türkei 02.07.2020

Gerechtigkeit für Jamal Khashoggi

Jamal Khashoggi
Jamal Khashoggi © picture alliance / AP Photo

Vor dem Prozessauftakt im Mordfall Jamal Khashoggi fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) Gerechtigkeit für den den saudi-arabischen Journalisten. Am Freitagmorgen (03.07.) beginnt in Istanbul das Verfahren gegen 20 Angeklagte in ihrer Abwesenheit. RSF wird den Prozess vor Ort beobachten. Der in den USA lebende Journalist war am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul von einem 15-köpfigen, eigens aus dem Königreich angereisten Kommando ermordet worden. Seine Leiche wurde am Tatort mutmaßlich mit einer Knochensäge zerstückelt und bis heute nicht gefunden.

„Der Mord an Jamal Khashoggi ist in seiner Brutalität wie Dreistigkeit nach wie vor ein Ausnahmefall. Schockierend ist auch, dass nach fast zwei Jahren nur sehr wenig getan wurde, um Gerechtigkeit zu schaffen und die saudi-arabische Regierung zur Verantwortung zu ziehen, die derzeit den G20-Vorsitz innehat“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir fordern ein transparentes und rechtsstaatliches Verfahren. Vor dem Hintergrund einer völlig unglaubwürdigen Justiz in Saudi-Arabien bietet das Verfahren in der Türkei nun die Chance, die Mörder von Khashoggi zur Rechenschaft zu ziehen.“

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft beschuldigt den früheren Vize-Geheimdienstchef Saudi-Arabiens sowie den ehemaligen engen Medienberater von Kronprinz Mohammed bin Salman, Saud al-Kahtani, der Anstiftung zum Mord an Khashoggi. Den 18 weiteren Männern wirft die Staatsanwaltschaft vor, die Tat ausgeführt zu haben. Wenn sie verurteilt werden, drohen den Angeklagten lebenslange Haftstrafen. Jedoch ist es derzeit unwahrscheinlich, dass der Prozess abgeschlossen und es einen Urteilsspruch geben wird, da keiner der Angeklagten physisch in der Türkei anwesend ist.  

Im vergangenen Jahr wurde 11 Männern in Saudi-Arabien unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gemacht. Lediglich die Türkei und die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats durften ab und an Beobachter zu dem Prozess entsenden, aber nichts über dessen Inhalte bekanntmachen. Fünf der Männer wurden zum Tode verurteilt, drei weitere erhielten Gefängnisstrafen.

Im Mai 2020 haben die Söhne Khashoggis auf Twitter verkündet, dass sie den Tätern verzeihen. Das ebnet den Weg für ihre wahrscheinliche Begnadigung und Freilassung. Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz hingegen erklärte, dass „niemand das Recht hat, seine Mörder zu begnadigen“. RSF befürwortet in keinem Fall die Todesstrafe.

Der stellvertretende Staatsanwalt in Saudi-Arabien hat behauptet, die Untersuchung der Staatsanwaltschaft habe ergeben, dass Khashoggi nicht vorsätzlich getötet wurde. Laut einer Untersuchung der UN-Sonderberichterstatterin zu außergerichtlichen Hinrichtungen, Agnes Callamard, wurde Khashoggi Opfer einer „vorsätzlichen Hinrichtung“. Ihr im Juni 2019 veröffentlichter Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die Indizien für eine Verwicklung der saudi-arabischen Führung einschließlich Kronprinz Mohammeds ausreichten, um weitere Untersuchungen gegen sie zu rechtfertigen. Callamard wird wahrscheinlich ebenso wie Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz beim Prozessauftakt in Istanbul anwesend sein.

Reporter ohne Grenzen hat von Anfang eine umfassende Aufklärung des Mordes an Khashoggi sowie die Freilassung der mindestens 32 zu Unrecht in Saudi-Arabien inhaftierten Medienschaffenden gefordert. Im April 2019 waren RSF-Vertreterinnen und Vertreter nach Riad gereist, um die Fälle dort direkt bei den saudi-arabischen Behörden zur Sprache zu bringen. RSF setzt sich zudem für ein Ende der Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten sowie für die Freilassung der inhaftierten Medienschaffenden in der Türkei ein.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 170, die Türkei auf Platz 154 von 180 Staaten.



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